Digitale Zukunft und Digitale Vergangenheit

Liebe Leser*innen,

meine Tochter ist das klassische „digitale Bildungsbürgerkind“. Wir haben bereits an ihrem dritten Lebenstag angefangen, ihr vorzulesen. Sie war in ganz viele Prozesse wie Kochen, Garten und Natur involviert. Sie hat früh angefangen zu sprechen und zu lesen. Mit fünf Jahren hatte sie ihr erstes eigenes iPad. Dieses iPad war so konfiguriert, dass nur ganz bestimmte Funktionen möglich waren. In kleinen Schritten hat sie sich dann immer neue Funktionen erarbeitet. So nimmt sie heute damit Videos auf, hört Musik, spielt, führt Videokonferenzen mit ihren Freunden durch.

Die lustigsten Momente sind immer die, wenn wir darüber reden, welche digitalen Werkzeuge meiner Frau und mir in unserer Kindheit zur Verfügung standen. Neulich hat sie mich in den Arm genommen und gesagt, dass es ihr so leid tut, dass ich so eine Kindheit hatte. Das wäre echt ungerecht. Wir alle haben dann glaube ich eine Stunde lang Tränen gelacht.

Sie ist nun sieben Jahre alt. Schule langweilt sich eher. Im Moment beschäftigt sie sich intensiv mit ihrem Teil unseres Schrebergarten – sie darf circa 10 % der gesamten Fläche selbst gestalten. Sie nutzt den Sprachassistenten um im Internet zu recherchieren und nimmt Videos von ihrem Garten-Projekt auf. Natürlich hat sie auch Netflix und Amazon Prime und andere Plattformen auf ihrem iPad und sie spielt auch gerne mal ein Spiel. Es gibt kein einziges Bild von ihr im Internet. Das werden wir auch beibehalten.

Was ich damit sagen will: wir sollten bei aller berechtigten Kritik im Kontext der Digitalisierung nicht vergessen, welch riesiger Optionsraum durch die Digitalisierung entstanden ist. Und wir sollten viel stärker versuchen, diesen Optionsraum zu füllen, aber auch damit verbundene etwaige Ungerechtigkeiten abzubauen. Es erscheint mir nämlich so, dass auch im Bereich der Digitalisierung die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern sehr stark von den Eltern abhängen. Unser Schulsystem ist bis heute nicht in der Lage, in der Breite sinnvoll zu unterstützen. Und der Kulturbereich muss erst mal lernen, was überhaupt Digitalisierung bedeutet. Auch wenn wir in den Bereichen Kultur und Bildung Fortschritte erkennen können, wenn es immer mehr spannende Projekte gibt, es handelt sich noch lange nicht um einen umfassenden und nachhaltigen Entwicklungsprozess.

Jedem Kind ein iPad ist sicherlich keine Lösung. Jedem Kind ein iPad und zusätzlich Rahmenbedingungen, dass das Kind den Optionsraum dieses digitalen Werkzeugs sinnvoll nutzen kann, wäre ein wichtiger Schritt.

Herzliche Grüße Christoph Deeg

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