Meine Zeit auf der Gamescom 2019 – Teil 3

Liebe Leser,

es ist Zeit für meinen – wenn auch etwas verspäteten – Beitrag zu meinem letzten Tag auf der Gamescom 2019. Es ist weniger ein Rückblick auf den Tag an sich als vielmehr ein Blick auf die gesamte Gamescom. Ich wie nicht mehr genau auf wie vielen Gamescoms ich schon war, es begann alles mit der Games-Convention in Leipzig. Damals arbeitete ich noch für Walt Disney. Im Laufe der Jahre hat sich manches verändert und manches ist gleichgeblieben. Dieses Jahr war aber irgendetwas anders und so verließ am Ende die Gamescom ziemlich nachdenklich. In diesem Beitrag möchte ich meine Gedanken zu dieser Gamescom niederschreiben und ebenso zur Diskussion stellen.

Grundsätzlich war aller wie immer: die Gamescom ist bunt und wild und ich habe neue spannende Menschen kennengelernt und bekannte spannende Menschen wiedergetroffen. Und doch fehlte irgendetwas. Das mag in einer Welt der Superlative komisch klingen. Aber es war so. Ich dachte erst, es wäre langweilig geworden. Immerhin wiederholt sich vieles auf der Gamescom. Aber Langeweile trifft es nicht. Also dachte ich weiter nach. Und dann kam mir eine Frage in den Sinn, die ich mir so noch nie gestellt hatte: was wollen wir eigentlich mit den Games? Oder Anders ausgedrückt: Quo Vadis Gaming?

Diese Frage soll weder das Genre Games kritisieren noch einen digital-analogen Kulturpessimismus umschreiben. Und doch denke ich, dass dieser ganze Bereich den nächsten Evolutionsschritt gehen muss. Auch wenn ich keine Blaupause, keine Evolutions-Road-Map in der Tasche habe möchte ich trotzdem die mir durch den Kopf gehenden Punkte ansprechen:

  • Eine Frage ist für mich, wohin sich die Spiele an sich entwickeln. Es kostet schon einige Mühe, wirklich neue Ideen zu entdecken. Auch der Indie-Bereich steht nicht automatisch für bessere Ideen und Konzepte. Damit man mich nicht falsch versteht: auf der Gamescom wurden wieder viele spannende Spiele gezeigt, aber es gibt m.E. zu wenig wirklich neue Innovationen. Die Technologie macht ein Spiel nicht automatisch besser. Grafik ist z.B. sicherlich ein unterstützendes Element, aber eine gute Grafik allein reicht nicht aus, um ein gutes Spiel zu haben.
  • Es fehlt an Interdisziplinarität. Die Gamesbranche ist klein und überschaubar – vor allem in Deutschland. Umso mehr fehlt meiner Meinung nach Interdisziplinarität. Dieser Punkt fällt mir vor allem bei Themen wie Serious Games oder (auch wenn es auf der Gamescom keine Rolle spielt) Gamification bzw. Game-Thinking auf.
  • Ebenso fehlt mir eine Identität, eine Idee für die Branche. Dieser Punkt ist am schwersten zu beschreiben. Im Kern geht es mir dabei um zwei Punkte: zum einen ist da die noch immer nachhallende fürchterliche Erfahrung bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises in Berlin dieses Jahr. Es war ein deprimierendes und peinliches Erlebnis und ich glaube, es gab in den letzten Jahren kaum erfolgreichere Wege der Branche umfassend und tiefgreifend zu schaden. Es war der erste und bis jetzt einzige Moment in meinem Leben, bei dem ich mich schämte Teil dieser Branche zu sein. Da ist zum anderen die zum Teil übertriebene Botschaft von manchen (zugegeben wenigen) Personen, Unternehmen und Institutionen der Branche, die Games würden quasi die Welt retten, einfach nur weil sie Games sind. Auf der Ebene des Entertainments an sich mag dieser Aspekt egal sein – es gibt ja zum Glück den einen oder anderen Gaming-bezogenen Kulturwissenschaftler, der durchaus Kritik übt – aber gerade wenn es um eine gesamtgesellschaftliche Perspektive geht, ist mir das zu kurz gegriffen. Ja, mit Games kann sehr viel gutes bewirkt werden. Ja, Games bieten vieles, was andere Formate und Modell nicht bieten können. Ja, Gaming/Spiel ist die wahrscheinlich älteste Kulturtechnik. Ja, Spielen ist menschlich. Aber nicht jedes Serious Game ist gut gemacht, nicht jedes Spiel ist eine gute Lernplattform und nicht jedes Spiel ist gleichbedeutend mit Innovation. Von der Tatsache, dass es immer noch Unternehmen und Einzelpersonen gibt, die Themen wie Gamification als Ansammlung von Points und Badges sehen, um Menschen zur irgendwas zu motivieren, ganz zu schweigen.

Wie gesagt, dies sind ganz subjektive Punkte und Eindrücke. Ich habe weder die gesamte Gamescom gesehen noch einen Einblick in jedes Gespräch und jede Idee, die diskutiert wurde. Ich möchte auch keinem Unternehmen, keiner Institution und keiner Einzelperson zu nahetreten und ich habe auch nicht den ultimativen Masterplan wie man es besser machen kann. Aber ich habe in manchen Gesprächen während und nach der Gamescom von anderen Menschen ähnliche Gedanken gehört.

Die Welt der Spiele (ob digital oder analog) ist großartig. Sie hat eine stetig wachsende Bedeutung nicht nur als Wirtschaftsfaktor, Innovationsmotor oder Kulturgut. Aber gerade weil diese Bedeutung stetig steigt, muss die Evolution dieser Welt genau beobachtet und begleitet werden.

Beste Grüße

Christoph Deeg

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