Warum wir Facebook verstaatlichen müssen

Liebe Leser,

ich weiß, die Überschrift mag etwas provokant wirken aber ich meine das sehr ernst: wir müssen Facebook verstaatlichen. Dabei geht es mir nicht darum, Facebook besser zu kontrollieren oder gar die Kontrolle über seine Nutzer zu bekommen. Mir geht es auch nicht um den Kampf gegen Hetze etc. Und es geht mir auch nicht um die Frage, ob man damit besser an die Einnahmen des Unternehmens kommen könnte. Mir geht es um etwas anderes: Ich wünsche mir, dass die Politik endlich im Bereich Digitalisierung Verantwortung übernimmt. (Ich verallgemeinere in diesem Beitrag – mir ist bewusst, dass es auch andere Politiker gibt, aber ich sehe sie in der Minderheit)

Seien wir ehrlich: die Politik ist bis heute kein Internetbewohner geworden. Dabei wäre es so extrem wichtig, dass sie sich endlich umfassend um das Thema kümmert. Und damit ist nicht nur der Breitbandausbau gemeint. Warum aber sollten wir Facebook verstaatlichen?

Wenn wir das politische Geschehen beobachten, dann erscheint es, als würde die Politik uns als Auto – aber nicht als Digital-Nation wahrnehmen. Das Auto ist der heilige Gral Deutschlands. Egal was sich die Automobilkonzerne erlauben, die Politik versucht alles, um ihnen zu helfen. Das Land Niedersachsen besitzt sogar Anteile am Volkswagenkonzern. Und auch der Autofahrer wird gehegt und gepflegt. Mit allen Mitteln sollen z.B. Dieselfahrverbote verhindert werden. Und Tempolimits auf Autobahnen fürchten viele Politiker wie der Teufel das Weihwasser. Unsere Städte wurden für Autos gebaut – nicht z.B. für Kinder. Und die Polizei soll sich sogar manchmal entschuldigen, wenn eine Geschwindigkeitskontrolle an einer vermeintlich unfairen Stelle durchgeführt wird. Der Automobilbau ist eng verflochten mit der deutschen Politik.

Betrachten wir nun den Umgang mit der Digital-Wirtschaft bzw. der digitalen Transformation unserer Gesellschaft, sieht die Sache ganz anders aus. Während man gerne Autobahnen ausbaut, steht dem Internetnutzer nur eine schwache digitale Infrastruktur zur Verfügung „Freie Fahrt für freie Bürger“ gilt nun mal nicht auf der Datenautobahn. Zudem werden gefühlt wöchentlich oder täglich netzpolitische Neutronenbomben gezündet. Netzwerkdurchsetzungsgesetz, DSGVO, Upload-Filter etc. man möchte anscheinend alles tun, um die digitale Transformation – die noch gar nicht richtig begonnen hat – anzuhalten. Natürlich sind immer gute Gründe für die Eingriffe vorhanden. Es heißt, man möchte Hass und Hetze aus dem Netz verbannen, Cybermobbing eindämmen, die Daten der Bürger schützen, Kreative schützen – und all das klingt immer so wunderbar plausibel. Nur werden eben die meisten dieser Ziele gar nicht erreicht. Gerne wird auch auf die Gefahren durch das Web für die Demokratie verwiesen. Facebook, Google und Co. scheinen in diesen Untergangsszenarien die ultimativen Demokratiefeinde zu sein, nur um diesen Unternehmen dann die Aufgabe zukommen zu lassen, zu entscheiden, welche Inhalte im Netz verfügbar sind oder nicht.

Das Problem ist, dass diese einzelnen Gesetze und Richtlinien zu einem hochgiftigen Cocktail werden. Und es ist schon dreist, wenn in diesem Zusammenhang den Personen, die z.B. mit Facebookseiten Geld verdienen, lapidar ins Gesicht gesagt wird, man hätte für deren Belange kein Verständnis und dann müssten sie sich eben etwas anderes suchen. Wenn sich der Handwerker beschwert, dass ein Fahrverbot für seinen Kleintransporter bedeutet, dass er nicht zum Kunden fahren kann, reagiert Politik sofort. Wenn aber Infrastruktur, Ressourcen etc. im digitalen Raum verloren gehen und damit neue Geschäftsmodelle obsolet werden, hat man nur ein Schulterzucken übrig.

Damit man mich nicht falsch versteht. Ich bin für Datenschutz, ich bin für den Kampf gegen extremistische Hetze und Cybermobbing. Aber ich behaupte, dass die Handlungen der Politik letztlich ins Leere laufen. Ein Beispiel: Das Problem der DSGVO ist ja nicht, dass sie existiert, sondern dass sie sehr viel Raum für Interpretationen lässt – was letztlich Gerichte klären müssen. Zudem entfaltet Sie eine besonders negative Wirkung zusammen mit anderen Richtlinien und Gerichtsurteilen. Das größte Problem ist aber, dass weder die Rahmenbedienungen für die Umsetzung stimmen, noch eine umfassende Implementierungsstrategie für die DSGVO und alle weiteren Richtlinien und Gesetze entwickelt und umgesetzt wurde. Im Ergebnis entsteht eben nicht ein umfassender Datenschutz sondern nur ein Abarbeiten von Vorgaben.

Die aktuelle Situation erzeugt vor allem eines: Unsicherheit. Ich erlebe das nahezu täglich bei allen meinen Kunden. Sie sind verunsichert. Und es klingt wie blanker Hohn, wenn Unternehmen geraten wird, so oder so ein paar tausend Euro für Anwaltskosten zurück zu legen, weil man wahrscheinlich früher oder später sowieso abgemahnt wird. Das ist ungefähr so, als würde man einem Autofahrer sagen:“ Wir haben Verkehrsschilder auf der Autobahn, aber es kann sein, dass Du auch geblitzt wirst, wenn Du Dich daran hälst, denn wir wissen nicht genau, wie die Schilder gemeint sind.“ Sicher, das Problem stellt sich weder für Facebook noch für große deutsche Verlage. Sie haben die finanziellen Ressourcen um auch längere juristische Auseinandersetzungen durchzustehen.

Im Kontext der Digitalisierung hat die Politik noch immer nicht damit begonnen die Veränderung unserer Gesellschaft aktiv zu gestalten. Die Digitalisierung ist in der Politik m.E. noch immer nicht angekommen. Aber Unwillen zur Gestaltung unserer Gesellschaft darf nicht dazu führen, dass die digitale Transformation zu einem Desaster wird.

Die politischen Konzepte und Werkzeuge scheinen sich für die anstehenden Probleme nicht mehr zu eignen. Der Weg, den die Politik im Kontext der Automobilindustrie gewählt hat, ist ja ebenso sinnlos. In beiden Themenfeldern – Verkehr wie auch Digitalisierung – scheint der Politik jede Form von Vision und Strategie zu fehlen. Und Konzerne wie Facebook oder Google nutzen dieses Vakuum, um ihre eigene Vision umzusetzen. Und nein, sie sind nicht „die Guten“ in diesem Spiel. Im Moment zerstört die Politik die digitale Chance, nicht nur aufgrund falscher Entscheidungen, sondern vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie die Aufgabe der Gestaltung der digital-analogen Lebensrealität unserer Gesellschaft einfach nicht annehmen will, Würden wir also Facebook verstaatlichen, würde die Politik vielleicht endlich ihre Verantwortung verstehen. Zumindest könnten wir dann sehen, ob sich etwas ändert, wenn die relevanten Unternehmen nicht mehr in den USA sondern in Deutschland angesiedelt sind.

Beste Grüße

Christoph Deeg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich stimme der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten nach der EU-DSGVO zu und akzeptiere die Datenschutzbedingungen.