Bauernproteste 2.0 – Wir brauchen Internet an jeder Milchkanne

Liebe Leser*innen,

ein Dauerthema in meiner Arbeit ist die mangelnde digitale Infrastruktur in Deutschland bzw. in Europa. Im Zuge der politischen Diskussion hat 2018 die damalige Bundes-Bildungsministerin Anja Karliczek die Aussage getroffen, man bräuchte kein schnelles Internet an jeder Milchkanne.

Zugegeben: zur Frage, wie Deutschland mit dem Thema Digitalisierung umgeht, könnte (und werde ich?) noch sehr viele Beiträge (und demnächst auch Podcast-Folgen) veröffentlichen. An dieser Stelle möchte ich nur eine einzige Perspektive einbringen:

Ich befand mich zu dem Zeitpunkt, als diese Aussage von Frau Karliczek getroffen wurde, mal wieder in Seoul in Süd-Korea. Ich habe zu dieser Zeit einige Projekte für das dortige Goethe-Institut umgesetzt. Auf dem Weg zum Airport in Seoul – ich musste diese wunderbare Stadt leider mal wieder verlassen – saß ich in einem ganz normalen öffentlichen Bus, der kostenfreies WLAN zur Verfügung stellte. Der Internetzugang war so gut, dass ich direkt aus dem Bus streamen konnte, auch dann, wenn wir durch Tunnel fuhren. Diese Erfahrung zeigt wie kaum eine andere, wie weit wir – im Vergleich mit Ländern wie Süd-Korea von einer digitalen Gesellschaft entfernt sind. Ja, Digitalisierung ist mehr als Technologie, aber digitale Infrastruktur ist für eine digital-analoge Gesellschaft ein zentraler Enabler. Ich habe das Video als Beweis eingebettet:-)

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Nun fanden, und finden in abgespeckter Form noch immer, Bauernproteste statt. Es ging im Kern um Steuervergünstigungen und Subventionen, die abgebaut werden sollten. Die deutschen Landwirte haben eine sehr starke Lobby und im Kontext der aktuellen politischen Situation gab es natürlich auch die Instrumentalisierung dieser Proteste um an sich die aktuelle Regierung zu kritisieren.

Damit man mich nicht falsch versteht: ich kann die Perspektive der Bauern verstehen. Und auch wenn ich persönlich der Meinung bin, dass die Wut teilweise zu weit ging und auch aufgesetzt wirkte, muss ich zugeben, dass die Entscheidungen der aktuellen Bundesregierung aus meiner Sicht sehr spontan und unbedacht wirken. Ich lebe selbst in Nürnberg und mit dem Knoblauchsland haben wir ein landwirtschaftliche Region, die direkt an die Stadt angrenzt bzw. Teil der Stadt ist und uns versorgt. Aus meiner Sicht liegt das Problem weniger in den wegfallenden Subventionen und viel mehr in unserer Nicht-Bereitschaft, angemessene Beträge für unser Essen zu bezahlen. Und: ich kaufe, wann immer möglich, direkt bei den Bauern ein.

Was aber hat das mit Digitalisierung zu tun? Ich frage mich, warum die Bauern nicht für eine umfassende Digitalisierung demonstrieren? In den letzten Jahren habe ich mich immer wieder mit dem Thema der Digitalisierung im ländlichen Raum beschäftigt und durfte u.a. an einer der damit verbundenen Studie „Landkreis Wolfenbüttel 4.0 – Umweltbezogene Chancen und Risiken einer digitalisierten Daseinsvorsorge in suburbanisierten Räumen – eine Konzeptstudie am Beispiel des Landkreises Wolfenbüttel“ mitwirken. Immer wieder fällt mir auf, dass – trotz aller spannenden Projekte in diesem Bereich – noch immer keine großen Schritte umgesetzt werden. Aber läge hier nicht eine große Chance für eine neue Landwirtschaft? Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie wir in Zukunft besser, nachhaltiger etc. unsere Nahrung produzieren. Es geht auch um die Frage, ob durch Digitalisierung die Einnahmeseite der Bauern verbessert werden könnte, indem neue regionale Kreisläufe geschaffen werden und/oder eine erweiterte Form der Direktvermarktung möglich wird. Und genaue dafür bräuchten wir dieses „Internet an jeder Milchkanne“. Wir bräuchten es überall, wir bräuchten mit extrem hoher Geschwindigkeit und Bandbreite und wir bräuchten es extrem preiswert. Und wir brauchen dafür Subventionen die dann vielleicht weitaus wichtiger sind, als die Frage nach dem Preis von Diesel.

Herzliche Grüße

Christoph Deeg

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