Digitalität als Wesensmerkmal einer neuen Kulturpolitik – Teil 1 – erste Gedanken

Liebe Leser,

heute beginne ich eine kleine Reihe mit Beiträgen rund um die Themen Digitalisierung, Digitalität, Kultur, Kulturpolitik und Gesellschaft. Es ist eher eine theoretische Auseinandersetzung mit diesen Themen. Ich habe bewusst das Thema Kulturpolitik gewählt, da es ein überschaubarer Bereich ist, der zudem einen weitreichenden Einfluss auf alle Bereiche unserer Gesellschaft hat. Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, dass eine moderne Kulturpolitik eine wesentliche Funktion für die Transformation unserer Gesellschaft innehat.

Die Kulturpolitik ist ebenso ein Spiegel unserer Gesellschaft. Auch hier gilt es neue Wege zu finden und zu gehen und auch hier kann man erleben, wie schwer es zu sein scheint, wirklich neu zu denken und zu handeln. Die Kulturpolitik erfindet sich gerade neu – und sie hat diesen Prozess auch bitter nötig. Ich kann das sagen, denn ich bin Teil dieser Kulturpolitik. Genauer engagiere ich mich ehrenamtlich in der Kulturpolitischen Gesellschaft Deutschlands (KuPoGe). Mein Interesse an Kulturpolitik geht aber viel weiter. Sie ist – wie schon erwähnt – eine sehr wichtige Funktion in unserer Gesellschaft und sie wird sehr oft , vielleicht zu oft nicht wirklich ernst genommen. Als ich mit 16 Jahren anfing Kommunalpolitik auszuprobieren, wurde mir – ich hatte mich für einen Platz im Gemeindeparlament beworben – gesagt, dass die Anfänger dann erstmal in den Kulturausschuss gehen. Später dürfte ich dann auch mal an den „richtigen Themen“ arbeiten. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.

Nun ist Kulturpolitik zuerst spannend. Sie ist spannend, weil wir über Kernfunktionen unserer Gesellschaft sprechen. Wir sprechen über das, was uns als Gesellschaft zusammenhält und gegebenenfalls auch trennt. Wir sprechen auch über das, was die Trennung hervorruft und wo Kultur nicht verbindet, sondern spaltet, beispielsweise die immer noch in vielen Köpfen vorhandene elitäre Hochkultur, die jegliche Verbindung zu unserer Gesellschaft verloren hat und erst langsam merkt, dass man man „Relevanz“ nicht herbeireden kann.

Kulturpolitik sollte eine Politik der Optionsräume sein. Sie sollte Kulturschaffenden, Kreativen die Möglichkeit geben auszuprobieren, zu entwickeln, zu handeln. Sie sollte ebenso hinterfragen, ob das, was da ist, auch das ist, was wir als Gesellschaft brauchen. Sie sollte hinterfragen, was sie selbst tut. Sie sollte Räume öffnen und Innovationsträger sein. Kunst und Kultur sind vor allem Möglichkeitsräume. Sie stehen für andere, neue Wege. Wenn Teile der Politik vom Klimawandel sprechen, fällt oft der Begriff der „Technologieoffenheit“. Dabei wird der Begriff der „Offenheit“ dafür genutzt (missbraucht?) nicht offen zu sein, sondern dafür zu sorgen, dass möglichst alles so bleibt wie es ist, dass wir am besten gar nicht merken, dass sich etwas verändert. Ich plädiere in diesem Zusammenhang immer für „Funktionsoffenheit“ und ich glaube, eine neue, andere Kulturpolitik, die sich auch weniger um sich selbst dreht, kann dafür sorgen, diese Funktionsoffenheit mit Leben zu füllen, indem sie die neuen Wege geht, die Andere erst noch finden müssen.

Aber kann Kulturpolitik das alles? Ich glaube, sie könnte es, aber sie muss verstehen, dass sie sich noch viel weiter, viel schneller entwickeln muss. In vielen gesellschaftlich relevanten Themen wie der Digitalisierung hatte die Kulturpolitik weder die richtigen Fragen gestellt noch die richtigen Antworten gefunden. Und sie hat nicht dafür gesorgt, das die Kulturlandschaft den Optionsraum Digitalisierung füllt, entwickelt, gestaltet. Und leider zeigen einige aktuelle Beiträge zu diesem Thema, dass dies zumindest in der Breite bis heute nicht geschehen wird.

Fairerweise muss man dabei erwähnen, dass es in der Kulturpolitik durchaus Veränderungen gibt. An allen Ecken und Enden wird geschüttelt und in Frage gestellt. Die Frage ist also, ob und wenn ja, wann daraus strategische und umfassende Handlungen werden, die mehr sind als kleine Förderprogramme und Lippenbekenntnisse. Vieles was wir im Kultursektor an kreativen Ideen und Wegen bestaunen basiert auf der Offenheit, Kreativität und Leidensfähigkeit Einzelner, aber nicht auf nachhaltigen Strukturen und Prozessen. Im Gegenteil: sehr oft werden die Protagonisten des Wandels allein gelassen. An vielen Orten ist die Kulturpolitik so uninspiriert, dass man sich fragen muss, wie dort überhaupt sowas wie Kultur funktionieren kann.

Kulturpolitik ist wichtig, weil sie nicht die Politik der „schönen Künste“ ist, sondern weil Kultur als Querschnittsfunktion einer Gesellschaft Optionsräume schaffen kann, die weit über das hinaus gehen, was wir kennen. Und es gibt viele spannende Kulturpolitiker*innen mit vielen kreativen Ideen. Insofern ist eine Diskussion über Kultur und Kulturpolitik immer wichtig. Diese kleine Reihe kann nicht alle Fragestellungen beleuchten, die mit der Transformation der Kulturpolitik einhergehen. Es sind nur einzelne Mosaiksteine, einzelne Perspektiven. Deshalb konzentriere ich mich auf die Perspektive der Digitalität als Wesensmerkmal einer neuen, einer anderen Kulturpolitik. Dieser Ansatz soll keine Gebrauchsanweisung sein, sondern ein Beitrag zu vielen Diskussionen und hoffentlich dann auch Handlungen und Veränderungen…

Christoph Deeg

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