Klimawandel und Digitalisierung

„Greta Thunberg ist eine Extremistin. Sie möchte einfach alles ändern. Sie zerstört unsere Strukturen, sie möchte den Welthandel abschaffen, ja sie möchte unsere Lebensweise abschaffen. Dies ist eine neue Form des Extremismus. Unter dem Deckmantel des Klimawandels wird versucht eine Welt zu schaffen, die mit der unsrigen nichts zu tun hat. Dabei ist noch nicht mal zu 100% gesichert, dass der Klimawandel so überhaupt abwendbar ist. Wir brauchen Zeit, um uns auf die neuen Herausforderungen einzustellen. Es darf nicht zu schnell gehen. Wenn wir die Menschen nicht mitnehmen, werden wir massive Ablehnung erleben. Und dann funktioniert gar nichts mehr…“

Ich stimme diesen Aussagen in keinem Punkt zu. Es ist aber eine Zusammenstellung der Argumente bzw. Angriffe auf die „fridays for future“ -Bewegung bzw. ihre Gründerin Greta Thunberg. Ich bin ein absoluter Unterstützer dieser Bewegung. Und mir gehen die aktuellen Vorhaben unserer Regierung nicht weit genug. Auf meinen Reisen habe ich gesehen, was der Klimawandel bedeutet. Und mir ist klar geworden, dass die Probleme weitaus größer sind, als wir sie normalerweise wahrnehmen bzw. in den Medien präsentiert bekommen. Und dies alles passiert in einer Situation, bei der die Medien mit Sicherheit nicht versuchen die Situation schön zu reden.

In diesem Beitrag möchte ich nicht über den Klimawandel reden. Aber ich möchte an diesem Beispiel aufzeigen, was Digitalisierung für unsere Gesellschaft bedeutet. Ich möchte dies an zwei Beispielen festmachen. Das eine Beispiel dreht sich um das Thema Wahrnehmung. Das zweite Beispiel dreht sich um das Thema Komplexität.

Beginnen wir mit dem ersten Beispiel. Greta bzw. das Thema Klimawandel hat sehr viel mit individueller bzw. Gruppen-Wahrnehmung zu tun. Der von mir als Satire niedergeschriebene Satz, Greta sei eine Extremistin, wird so immer wieder von bestimmten Gruppen unserer Gesellschaft ausgesprochen. Für viele Menschen scheint es so, als würde eine Veränderung unserer Lebensgewohnheiten bzw. die Aufforderung, etwas zu ändern, Extremismus bedeuten. Es geht also darum, dass ich jemanden, der mein Verhalten kritisiert, und möchte, dass ich es ändere, als Extremist definiert wird, weil der Einfluss auf mein jetziges und zukünftiges Leben als sehr groß wahrgenommen wird.

Aber ist Greta wirklich eine Extremistin? Ich denke nicht. Ich glaube viel mehr, dass nicht Greta Thunberg bzw. die fridays for future-Bewegung die Extremisten ist, sondern wir. Unser Lebensstil, die Art und Weise wie wir leben, die Art wie wir Ressourcen verschwenden, all dies ist letztlich gesehen Extremismus. Wir wollen auf keinen Fall irgendetwas bei uns ändern, erwarten aber dass sich die ganze Welt bereit erklärt, Veränderungen in Kauf zu nehmen, die ihren Ursprung in unserer Lebensweise haben. Wenn wir uns z.B. darüber beschweren, dass China nicht die gleichen Umweltstandards hat wie sie in Deutschland herrschen, dann vergessen wir sehr oft, dass China all dies tut, weil wir dort konsumieren, natürlich alles billig. Oder nehmen wir als anderes Beispiel den massenhaften Kauf von Agrarflächen von weltweit agierenden Agrarkonzernen, damit wir billig alle Arten von Obst, Gemüse und Fleisch, billig und zu jeder Jahreszeit auf den Tisch kriegen. Was interessiert es uns, dass die dortigen Bauern von Ihren Feldern vertrieben werden?

Überall auf der Welt sorgt unserer Lebenswandel dafür, dass sich das Leben von Menschen radikal ändert. Hier erleben wir ein sehr interessantes Phänomen. Und hier kommt die Digitalisierung ins Spiel: Wir  erleben in den Diskussionen auf verschiedenen digitalen Plattformen, wie sich Selbstwahrnehmung und Selbstfixierung auf Diskussions-Modelle auswirken. Wir diskutieren die ganze Zeit nur über fiktive Problemstellungen. Menschen regen sich darüber auf, dass gegebenenfalls Themen wie Fliegen oder Autofahren teurer werden. Wir reden überhaupt nicht über die damit verbundenen Möglichkeiten. Ich hatte in meinem vorherigen Beitrag darübergeschrieben, dass wir uns letztlich gesehen Gedanken machen müssen, wie z.B. digitale Kommunikationstechnologien genutzt werden können, um neue Workshop- und Vortragsformate zu entwickeln.

Oder um es anders auszudrücken, und ich bitte diese Sätze nicht falsch zu verstehen, ich habe mit dem Prozess, der sich aus dem Klimawandel ergibt, kein Problem, im Gegenteil, ich freue mich drauf. Versteht mich bitte nicht falsch, ich meine damit nicht all das Leid, dass in der Zukunft ja sogar schon jetzt überall auf der Welt aufgrund des Klimawandels festzustellen ist. Ich meine damit nicht die Situation, dass wir soziale Verwerfungen bekommen können, weil z.B. unsere Wirtschafts- und Sozialsysteme auf dem Klimawandel nicht ansatzweise vorbereitet sind. Ich meine aber, dass ich es spannend finde, eine Gesellschaft neu zu entwickeln, wenn wir Sie fit für den Klimawandel machen wollen. Dies betrifft zum einen die Fähigkeit der Gesellschaft, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen, und es bedeutet zum anderen, dass wir uns überlegen müssen, wie wir die Gesellschaft neu aufstellen, damit z.B. der CO2 Ausstoß so schnell wie möglich maximal minimiert wird.

Mir ist in den letzten Monaten klar geworden, dass dieses Thema viel komplexer ist, als wie es im Moment diskutieren. Und ich finde den Ansatz, z.B. aus der bundesdeutschen Gesellschaft, eine Gesellschaft zu machen, die es schafft, all ihre technischen, wissenschaftlichen, sozialen, menschlichen und kulturellen Ressourcen zusammenzulegen, um eine neue, eine bessere Gesellschaft zu schaffen, die aber nicht automatisch bedeutet, dass alles nur technisch gelöst werden muss, sondern die ebenso daraus resultierend ein neues Selbstverständnis und eine neue Selbstwahrnehmung entwickelt.. All dies ist wirklich spannend.

Ich würde sehr gerne meine Arbeit auf dieses Thema fokussieren. Damit man mich auch hier nicht falsch versteht, mir ist bewusst, welch riesige Herausforderung der Klimawandel für unsere Gesellschaft bedeutet. Aber ich sehe darin eben auch eine unglaublich große Chance. Und natürlich gibt es auch eine große Verantwortung unserer Gesellschaft genau diese Wege zu gehen, denn wir sind es, die diese Prozesse in Gang gesetzt haben. Das bedeutet, wir sind für vieles von dem was da gerade passiert verantwortlich.

In diesem Zusammenhang ist es sicherlich wichtig zu erwähnen, dass ich nicht etwa ein Jesus bin. Ich gehöre nicht zu denen, die nur in komplett ökologischen Lebensweisen existieren. Ich fliege mit dem Flugzeug. Ich esse viel Fleisch. Die Veränderung der Gesellschaft im Kontext des Klimawandels würde bedeuten, dass ich sehr viele Bereiche meines Lebens sowohl beruflich als auch privat ändern müsste. Aber ich finde das sehr spannend. Ich würde das gerne tun. Und ich würde gerne erleben, wie man eine Gesellschaft wie die unsrige auf diese neue Aufgabe vorbereitet. Dies ist eine andere Wahrnehmung, und meiner Meinung nach diskutieren wir dies viel zu wenig.

Kommen wir nun zum zweiten Beispiel, nämlich der Komplexität. Um es vorwegzunehmen: die Digitalisierung hat die Welt nicht komplizierter oder nicht komplexer gemacht. Das einzige was die Digitalisierung tut ist, die Komplexität unserer Gesellschaft aufzuzeigen, weil sie mit eben dieser Komplexität umgeht. Die Digitalisierung ist die logische Schlussfolgerung aus der Komplexität unserer Gesellschaft. Das Interessante ist, dass wir im digitalen Raum Formen von Mauern gebaut haben, die verhindern, dass Rückkopplungseffekte im Sinne der Komplexität auf unsere Gesellschaft entstehen bzw. wahrgenommen werden. Anders ausgedrückt, wir haben unglaublich viel Informationen über den Klimawandel, wir können diese Informationen vernetzen, wir können darüber diskutieren, aber die Daten, mit denen wir aktuell arbeiten sind viel zu gering. Hier liegt eine große Verbindung zum ersten Thema dieses Beitrages, der Wahrnehmung.

Es gibt durchaus im Netz bereits viele Ideen und Ansätze, die seriös beschreiben, wie wir z.B. neue Technologien entwickeln können, oder wie auch andere Formen der Zusammenarbeit, ja eine andere Form eines Wirtschaftssystems aussehen könnten, die nicht für massive soziale Verwerfungen sorgen. Das Problem scheint zu sein, dass wir zwar die Komplexität der Fragestellung digital verarbeiten können, wir haben aber keine Übersetzungsfunktion, die den Menschen zeigen, wie dies im Negativen wie im Positiven das Leben der Menschen verändern könnte. So entsteht ein Bild einer Klima-Apokalypse (hinsichtlich einer Welt ohne Mobilität und Konsum), welches keinen Bezug zur Realität hat.

Wir müssen uns überlegen, wie das Thema Wahrnehmung und das Thema Komplexität im Kontext der Digitalisierung genutzt werden kann, um Gesellschafts-Prozesse anzuschieben, die für eine positive Veränderung der Gesellschaft sorgen. Damit man mich auch hier nicht falsch versteht. Es geht mir nicht darum, Menschen ihren freien Willen wegzunehmen. Es geht mir nicht darum Menschen vorzuschreiben was sie zu denken haben. Es geht mir aber darum, dass wir den Optionsraum, der uns bereits jetzt zur Verfügung steht, und der durch die Digitalisierung sichtbar wird, auch übersetzen, damit wir wirklich eine sinnvolle Diskussion über die Zukunft unserer Gesellschaft haben. Denn es stimmt nicht, dass Menschen kein Interesse an Veränderungen haben. Es gibt Unmengen an Beispielen auch in unserer Gesellschaft, die belegen, dass große Gesellschaftsbereiche durchaus bereit sind mit großen Veränderungen umzugehen. In diesem Kontext werden mit Sicherheit auch Spielmechaniken relevant werden, aber dies ist ein Thema für einen neuen Beitrag. Ich bin sehr gespannt wie sich die nächsten Monate entwickeln werden, und ich freue mich sehr auf die nun kommende Diskussion.

Beste Grüße Christoph Deeg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich stimme der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten nach der EU-DSGVO zu und akzeptiere die Datenschutzbedingungen.