Spiel als Element der Partizipation

Ich spiele, also bin ich

Der Mensch ist ein spielendes Wesen. Spielen ist die wahrscheinlich älteste Kulturtechnik überhaupt. Spiel ermöglicht es, komplexe Systeme, Prozesse und Räume erfahrbar zu machen. Spiel bedeutet aber auch Fiktion und Transformation.

Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie wir Spiele, Spielmodelle oder auch Spielmechaniken für andere Kontexte nutzen können. Ein Konzept ist die Idee der „Playful Participation“, welches ich in den letzten Jahren entwickelt und in verschiedenen Projekten umgesetzt habe.

Die Idee ist einfach: Mittels Spiel sollen Menschen in die Lage versetzt werden, aktiv Veränderungsprozesse gestalten zu können. Anders ausgedrückt: es geht um eine andere Form der Partizipation.

Partizipation ist immer wieder ein großes Thema. In vielen verschiedenen Kontexten sollen Menschen an der Entwicklung ihres Lebensraumes mitarbeiten können. Partizipation bedeutet aber nicht nur, Menschen einzuladen bzw. ihnen die Mitarbeit „zu erlauben“. Sie müssen auch und vor allem befähigt werden, mitzugestalten. Es geht also um die Frage, auf welchem Weg Partizipation möglich und motivierend wird.

Ich bin nicht der erste Mensch, der versucht, Partizipation mittels Spiel zu ermöglichen. Als Beispiel für vergleichbare Ansätze seien hier die Projekte „World without oil“ und „Block by Block“ genannt. Im Konzept der Playful Participation gibt es aber eine Besonderheit: Die Teilnehmer entwickeln im Rahmen des Prozesses ihr eigenes Spiel. Dieses Spiel ist die Übersetzung der Wünsche, Ideen und Visionen der Teilnehmer.

Im Folgenden möchte ich drei von mir entwickelte und umgesetzte Projekte beispielhaft beschreiben:

  • gameON2025: Im Rahmen der Bewerbung der Stadt Nürnberg als Kulturhauptstadt Europas habe ich das Projekt gameON2025 entwickelt und mit verschiedenen Partnern in der Metropolregion Nürnberg umgesetzt. An insgesamt neun Orten in den Städten Nürnberg, Schwabach, Bamberg, Bayreuth, Fürth, Erlangen und Roth entwickelten Jugendliche local-based-games zu ihren Kulturorten. Local-based-games lassen sich am besten mit „digitale Schnitzeljagt“ beschreiben. Die Spieler werden durch eine App. wie bei einem Navigationssytem zu verschiedenen realen Orten geführt. Dort müssen Rätsel gelöst und andere Aufgaben umgesetzt werden. Im Rahmen des Projektes hatten die Teilnehmer zuerst die Aufgabe, ihre Kulturorte in ihrer Stadt zu definieren. Sie durften selber entscheiden, was zu ihrer kulturellen Wirklichkeit bzw. ihrem Spiel gehören soll. Daran anschließend wurden diese Orte in ein Spiel transformiert. Auch hier waren die Teilnehmer frei. Das bedeutet, sie durften selber entscheiden, welche Funktion und welchen Kontext diese Orte in ihrem Spiel haben. Daran anschließend wurde daraus mit professioneller Hilfe ein local-based-game entwickelt, welches dann für alle Interessierten kostenlos zur Verfügung steht. Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.gameon2025.de/
  • Enter Africa: Das Projekt Enter Africa verfolgt einen ähnlichen Ansatz. Auch hier wurden local-based-games entwickelt. In 15 afrikanischen Staaten haben Teams in 15 Städten eine Vision für die Zukunft ihrer Stadt entwickelt und diese dann in ein eigenes Spiel übertragen. Dieses Projekt, welches ich zusammen mit dem Goethe Institut Addis Abeba entwickelt und umgesetzt habe, beinhaltete auch die gemeinsame Entwicklung eines analogen Brettspiels durch alle teilnehmenden Gruppen, bei dem die Ideen und Visionen aus allen 15 afrikanischen Staaten verarbeitet wurden. Das Projekt hat sich massiv weiterentwickelt. Das Goethe Institut Addis Abeba unterstützte die Teilnehmer bei der Entwickelung einer eigenes Game-Designer-Community. Heute ist Enter Africa vor allem ein afrikaweites Netzwerk, welches unterschiedliche Aspekte der Games-Entwicklung bearbeitet und eigen Projekte umsetzt. Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.goethe.de/prj/eaf/de/index.html
  • Pavillon Prison Break: Einen etwas anderen Hintergrund hat das Projekt Pavillon Prison Break des Kulturzentrums Pavillon in Hannover. Das Kulturzentrum steht an einem historisch wichtigen Ort. Denn dort stand das Gerichtsgefängis der Stadt Hannover, welches u.a. in der Weimarer Republik und zur Nazizeit eine wichtige Rolle spielte. Im Rahmen dieses Projektes wurde zusammen weiteren Projektpartnern ein local-based-game entwickelt, bei dem die verschiedenen historischen Epochen und Begebenheiten in einen fiktiven Spielkontext übertragen wurden. Hierfür mussten die Teilnehmer die einzelnen Epochen und Personen verstehen, neue Kontexte und neue Personen erstellen und daraus ein Spiel entwickeln. Das Projekt wurde u.a. für den Deutschen Spielentwicklerpreis 2019 nominiert. Weitere Informationen finden Sie unter: https://pavillon-hannover.de/projekte/pavillon-prison-break-das-gaming-projekt/

Der Ansatz von Playful Participation hat viele Vorteile. Das Thema Spiel bzw. Gaming ist für viele Menschen interessant. Die Teilnehmer erlangen zudem grundsätzliches Know How im Bereich Spieldesign. Um Orte, Ideen, Visionen etc. in ein Spiel zu transformieren, muss ich die jeweiligen Inhalte, Daten und Kontexte verstehen. Die Nutzung des Formats local-based-game wiederum ermöglicht sowohl bei Entwicklung der Spiele als auch beim eigentlichen Spielen eine beschäftigung mit realen Orten.

Der Ansatz der Playful Participation ist für nahezu jeden Kontext und nahezu jede Zielgruppe umsetzbar. So kann dieser Ansatz auch für die Organisationsentwicklung, die Stadtentwicklung oder die Entwicklung von Kulturstrategien genutzt werden.

Wenn Sie mehr über diesen Ansatz wissen wollen, lesen Sie gerne meinen Blog oder kontaktieren Sie mich unter c.deeg@christoph-deeg.com