Entwicklung digital-analoger Lebensräume

Ort und Kontext im Zeitalter digital-analoger Lebensräume

Die Digitalisierung wird fälschlicherweise als etwas virtuelles wahrgenommen. Schon der Begriff des „Cyber-Space“ führte in diese Richtung, verband er doch den Raum mit der Virtualität. Wir tun uns schwer damit, das Digitale als Element des analogen oder auch realen Raumes wahrzunehmen und zu akzeptieren. Dabei sind es analoge Menschen in analogen Räumen, die sich digital Vernetzung oder auch digital kommunizieren, lernen und spielen. Das bedeutet, es entsteht eine Interaktion zwischen digitaler und analoger Welt.

Wir leben im Zeitalter digital-analoger Lebensrealitäten. Die Menschen versuchen nicht, eine Trennung von digital und analog. Sie suchen und finden viel mehr eine Verbindung von beidem. In all dem folgt die Technologie nur der Kultur des Menschen und nicht umgekehrt. Vor der Digitalisierung war die Digitalität (vgl. „Muster: Theorie der digitalen Gesellschaft“, Armin Nassehi). Vor dem Smarthome war Second Life und vor dem Smartphone war das Tamagotschi.

Durch die Digitalisierung erweitert sich der digital-analoge Optionsraum des Menschen und Architektur muss darauf Antworten finden. Wie geht sie mit diesen neuen Optionen, Rückkopplungseffekten und Vernetzungen um? Wo definiert sie Zugang und wo Interaktion?

In meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Entwicklung multioptionaler Erfahrungsräume, die das Digitale und das Analoge verbinden. Ich bin aber kein Architekt und würde mich auch nicht als einer bezeichnen. Meine Aufgabe ist es vielmehr, zusammen mit Architekten herauszufinden, welche Möglichkeiten und Bedarfe sich aus der Digitalisierung für den jeweiligen digital-analogen Lebensraum ergeben.

Was bedeutet das konkret?

Im Kern geht es darum, die Funktionen und Modelle, die wir im Digitalen entdecken in ein analoges Muster für Räumlichkeit zu übersetzen. Es geht dabei um eine Unterstützung der jeweiligen Architekten, um eine Erweiterung der Perspektive. Es entstehen dabei keine extremen Modelle, sondern vielmehr eine Vielzahl an Raumdetails. Ein Teil dieser Arbeit ist beispielsweise die Beschäftigung mit einer zukunftsgerichteten digitalen Infrastruktur aus Sicht der daraus resultierenden Rückkopplungseffekte in den Raum.

Für diese Arbeit habe ich verschiedene Modelle entwickelt, die jeweils eine andere Perspektive auf den Raum und die in ihm lebenden Menschen ermöglichen. Da ist zum einen das TFK-Modell. Es betrachtet jedes Element eines Raumes aus drei Perspektiven: der Perspektive der Technologie, der Perspektive der Funktion und der Perspektive der Kultur. Die Perspektive der Technologie beschäftigt sich mit Infrastruktur und der Frage wie sie zum einen als maximaler Enabler fungieren kann. Zum anderen soll verhindert werden, dass sie jeglichen rein analogen Lebensraum verhindert. Die Perspektive der Funktion beschäftigt sich mit den Funktionen, die sich jetzt oder in der Zukunft aus der Nutzung der jeweiligen Technologie ergeben. Dabei geht es sowohl um die Nutzung nur einer Technologie als auch um die vernetzte Wirkung in den Raum. Die Perspektive der Kultur beschäftigt sich im Kern mit kulturellen Rahmenbedienungen. Dabei geht es sowohl um die Frage, was die Technologie mit den Menschen macht, als auch um die Frage, welche kulturellen Rahmenbedienungen gegeben sein müssen, damit der digital-analoge Lebensraum funktioniert.

Ein anderes Modell ist das der Motivationsportfolios. In vielen Fällen werden Räume nicht für den Menschen, sondern für die Menschen gemacht. Es werden Ziel- oder Nutzergruppen definiert und diesen Gruppen werden wiederum Verhaltensmuster und Bedarfe zugeordnet. Das Modell der Motivationsportfolios geht einen anderen Weg. Es basiert auf dem Ansatz des Game-Thinking. Ich übertrage die Logik von Spielmechaniken auf analoge Räume. Dabei geht es um die Frage, was Menschen motiviert, sich mit komplexen Systemen und Welten zu beschäftigen. Und genau dies können wir in Spielen beobachten. Spiele triggern unterschiedliche Motivationsmuster des Menschen. Es gibt nicht eine, sondern – je nach Sichtweise – bis zu zwanzig verschiedenen Motivationen. Jeder Mensch entwickelt individuelle Motivationsportfolios, die sich ändern bzw. weiterentwickeln können. Aus diesem Grund wird versucht, alle möglichen Optionen zu triggern, um eine große Zahl an Menschen zu erreichen. Dieses Modell wird dann – zusammen mit den jeweiligen Architekten – auf den jeweiligen Raum bzw. das jeweilige Gebäude übertragen.

In vielen Fällen ist dieser Schritt erst der Anfang einer längeren Zusammenarbeit. Als nächstes erfolgt in manchen Fällen die gemeinsame Entwicklung einer digital-analogen Gesamtstrategie.

Beispielprojekte:

Haus des Spielens, Nürnberg: Im Rahmen der Entwicklung einer umfassenden digital-analogen Gesamtstrategie wird auch der damit verbundene Neubau gestaltet.

Haus des Wissens, Bochum: In einem ersten Schritt war ich Teil eines interdisziplinären und internationalen Expertenteams, welches sich mit den Funktionen es geplanten Haus des Wissens in Bochum beschäftigte. Dieses Haus wird u.a. die Stadtbibliothek, die Volkshochschule und eine Markthalle unter einem Dach vereinen.

Bankgebäude, Baden-Württemberg: Für eine ortsansässige Bank habe ich ein Beratungsprojekt zur Neugestaltung einer Bankfiliale umgesetzt. Der Fokus lag hier auf der Implementierung völlig neuer Funktionen, die so in eine Bank noch vorkommen.

Stadtbibliothek Heidenheim, Stadtbibliothek Ludwigshafen: Im Rahmen der Entwicklung digital-analoger Bibliotheksstrategien war ich auch an der Gestaltung der Bibliotheks-(Neu-)Bauten beteiligt.

Wenn Sie mehr über diesen Ansatz wissen wollen, lesen Sie gerne meinen Blog oder kontaktieren Sie mich unter c.deeg@christoph-deeg.com