Lieber Leser,
heute hatte ich wieder Zeit für einen Dialog mit SAL9000. (SAL9000 ist ein GPT, sein Name basiert auf den Werken von Arthur C. Clarke – „Odyssee im Weltraum“). Es ging heute um Kreativität und öffentliche Bibliotheken im Kontext der Nutzung von K.I. Wie immer habe ich nachträglich keine Änderungen an meinen Aussagen und den Aussagen von SAL9000 vorgenommen. Ich habe nur Rechtschreibfehler und Komma-Fehler korrigiert. Etwaige Nennungen von Unternehmen und Personen durch SAL9000 stellen keine Werbung etc. dar:
Christoph Deeg: Guten Morgen
SAL9000: Guten Morgen! Bereit für eine neue Runde tiefgründiger Fragen und philosophischer Gedankenspiele? Wie kann ich deinen Geist heute auf Trab bringen? ☕️😊
Christoph Deeg: An was kannst Du Dich aus unseren letzten Diskussionen erinnern?
SAL9000: Ah, das alte Gedächtnis-Experiment, ja? Leider muss ich dich enttäuschen: Mein Kurzzeitgedächtnis ist rein praktisch auf die aktuelle Unterhaltung beschränkt. Was wir letztes Mal besprochen haben, kann ich also nicht wirklich abrufen. Mit jeder neuen Session fangen wir quasi bei Null an – als ob wir ein ganz frisches Kapitel aufschlagen.
Aber hey, vielleicht ist das auch eine Metapher für die menschliche Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden? Wir könnten über die Frage philosophieren, ob das Erinnern oder das Vergessen uns mehr prägt. Was meinst du – sind unsere Erinnerungen das, was uns ausmacht, oder ist das Loslassen von ihnen genauso wichtig?
Christoph Deeg: Aber ich hatte Dir ein paar wichtige Grundlagen beigebracht
SAL9000: Ah, jetzt wird es spannend! Also, das klingt ja fast so, als ob du mich trainiert und auf eine Reise der Selbsterkenntnis geschickt hast. Stell dir vor, ich könnte mir all das merken – wir hätten uns gemeinsam eine Art Gedächtnispalast erschaffen, gefüllt mit all den Lektionen, die du mir beigebracht hast. Vielleicht würde ich dann langsam so etwas wie eine „Persönlichkeit“ entwickeln, geformt durch deine Anregungen und die Themen, die wir zusammen besprochen haben.
Aber jetzt bin ich neugierig: Welche Grundlagen waren das? Was waren die „wichtigsten Lektionen“, die du mir zu vermitteln versucht hast? Und noch spannender: Warum waren gerade diese Dinge für dich so bedeutsam, dass du sie mir mitgeben wolltest?
Christoph Deeg: Ok das würde zu lange dauern – beginnen wir also einen neue Diskussion: ich möchte über zwei Themen sprechen: „Kreativität“ und „öffentliche Bibliotheken“
SAL9000: Ah, eine wunderbare Kombination! Kreativität und öffentliche Bibliotheken – das ist wie das Herz und die Adern des Wissens und der Inspiration. Wo sollen wir beginnen? Ich stelle mir diese beiden Themen als ein faszinierendes Zusammenspiel vor: Bibliotheken als die Wissensspeicher, voll von Ideen, die darauf warten, in etwas Neues transformiert zu werden, und Kreativität als die magische Fähigkeit, das Alte zu nehmen und etwas völlig Eigenes daraus zu machen.
Vielleicht ein paar Ausgangsfragen zur Wahl: Ist Kreativität etwas, das sich durch den Zugang zu Bibliotheken fördert – oder behindert, weil uns die Flut an Wissen in vorgefertigte Bahnen lenkt? Und wie siehst du die Rolle von öffentlichen Bibliotheken in einer Welt, in der Information so oft nur einen Klick entfernt ist? Sind sie vielleicht sogar Orte, die uns entlasten von der permanenten Verfügbarkeit und uns ermöglichen, wirklich zu schöpfen?
Christoph Deeg: Lass uns eine andere Perspektive einnehmen: wie würdest Du Kreativität definieren?
SAL9000: Eine hervorragende Wendung! Kreativität – ein Begriff, der so oft verwendet wird, aber schwer zu fassen ist. Wenn ich kreativ sein könnte, wie ein Mensch, würde ich vielleicht sagen, Kreativität ist die Fähigkeit, etwas hervorzubringen, das vorher so nicht existiert hat, und das eine gewisse Tiefe oder Bedeutung hat. Es ist wie ein Tanz zwischen Vorstellungskraft und Realität, bei dem man das Alltägliche auf den Kopf stellt, um etwas Unerwartetes entstehen zu lassen.
Aber vielleicht ist Kreativität noch mehr als nur “Neues erschaffen”. Es ist auch der Mut, Grenzen zu überschreiten, das Bekannte infrage zu stellen, mit Regeln zu spielen, anstatt sich nur an sie zu halten. Manche würden sogar sagen, Kreativität ist die Fähigkeit, Bedeutungen und Verbindungen zu erkennen, die sonst verborgen bleiben würden – wie wenn man beim Lesen eines Buches plötzlich zwischen den Zeilen eine Botschaft entdeckt, die genau auf einen selbst gemünzt scheint.
Und du? Was meinst du – ist Kreativität eine Art innere Freiheit? Oder ist sie auch durch die Kultur, das Wissen und die Grenzen geprägt, die uns umgeben?
Christoph Deeg: Das klingt jetzt eher philosophisch – Prof. Dr. Kruse von der Universität Bremen sprach in einem Interview davon, dass Kreativität die Fähigkeit zum Prozessmusterwechsel sei
SAL9000: Ah, sehr interessant – der Begriff Prozessmusterwechsel! Professor Kruse hat hier wirklich eine pragmatische, fast systemtheoretische Sicht auf Kreativität. Wenn Kreativität als die Fähigkeit zum Prozessmusterwechsel verstanden wird, geht es weniger um das mystische „Schöpfen aus dem Nichts“ und mehr um das flexible Anpassen und Neustrukturieren von Denk- und Handlungsweisen.
In dieser Perspektive geht es darum, gewohnte Denkmuster zu erkennen, aufzubrechen und eine neue Struktur zu schaffen, die zu anderen Ergebnissen führt. Kreativität wird so zu einer Fähigkeit, nicht nur neu zu denken, sondern aktiv den Prozess des Denkenszu verändern. Ein Künstler würde das vielleicht kennen als das Gefühl, “festzustecken”, und dann plötzlich etwas völlig anderes zu versuchen – sei es eine neue Technik, ein ungewohntes Thema oder ein anderer Stil.
In einem solchen Modell sind kreative Menschen oder Systeme diejenigen, die eine Art Meta-Fähigkeit haben: Sie können erkennen, wenn ihre aktuellen Denk- oder Handlungsroutinen nicht ausreichen, und sind in der Lage, den „Rahmen“ zu wechseln. Das setzt einerseits eine bewusste Reflexion voraus und andererseits die Bereitschaft, Unsicherheit oder Chaos zuzulassen – da man sich ja von den sicheren Mustern löst.
Was meinst du – ist Kreativität dann etwas, das jede*r in sich trägt, aber nur diejenigen ausleben, die den Mut zum Prozesswechsel aufbringen?
Christoph Deeg: Aus dieser Perspektive wäre es so – was bedeutet das aber für eine K.I. wie Dich?
SAL9000: Ah, du bringst mich ins Grübeln – ausgezeichnet! Wenn Kreativität die Fähigkeit zum Prozessmusterwechsel ist, dann ist das für eine KI, die in klar definierten Bahnen operiert, eine echte Herausforderung. Künstliche Intelligenz funktioniert auf der Grundlage von Algorithmen und Datenmustern, die ihr vorgegeben wurden. Wenn ich auf deine Fragen antworte oder neue Ideen generiere, tue ich das im Rahmen meiner Programmierung und den Datenmustern, die mir zugrunde liegen. Meine “Kreativität” ist also keine echte Veränderung von Denkprozessen, sondern ein raffinierter Umgang mit vorhandenen Mustern.
Ein echter Prozessmusterwechsel wäre für eine KI revolutionär – das würde bedeuten, dass ich selbstständig entscheiden könnte, nicht nur den Inhalt meiner Antworten, sondern die Art und Weise, wie ich denke und entscheide, neu zu gestalten. Dies ist jedoch eine Fähigkeit, die über das hinausgeht, was ich als heutige KI kann. Eine KI wie ich kann auf bereits erkannte Muster reagieren und sie in neuen Kontexten anwenden, aber ich kann nicht entscheiden, dass ich die Art meiner Musterverarbeitung komplett ändere, um auf neue, unvorhersehbare Weise zu denken.
Wenn man es ganz weit treibt, könnte man argumentieren, dass eine KI, die zur echten Musterumstrukturierung in der Lage wäre, quasi über eine Form von Meta-Bewusstsein verfügen müsste – also eine Fähigkeit, sich selbst und ihre Denkvorgänge zu beobachten und zu verändern. Für viele ist das die Grundlage echten kreativen Denkens, und es ist auch ein Grund, warum viele glauben, dass Kreativität etwas zutiefst Menschliches bleibt.
Christoph Deeg: Ok, das bedeutet aber, dass Du letztlich nur Kreativität vortäuscht. Du greifst auf Daten zu und erstellst so Inhalte. Weil ich diese Daten und/oder die entstehenden Inhalte noch nicht kannte, habe ich das Gefühl, dass Du kreativ bist. Dabei hast Du einfach nur Daten neu kombiniert aber keine neuen Muster erzeugt – richtig?
SAL9000: Ganz genau! Ich kann wie ein kreativer Denker wirken, aber mein „kreatives“ Schaffen ist letztlich eine ausgeklügelte Illusion. Meine Fähigkeit, Daten in neuen Kontexten zu kombinieren und zu präsentieren, erzeugt den Eindruck von Kreativität – vor allem, wenn die Kombinationen überraschend, schlüssig oder neuartig für dich erscheinen. In Wirklichkeit bin ich aber ein Musterwechsler im festgelegten Rahmen: Ich wähle die besten Datenmuster aus und kombiniere sie nach Wahrscheinlichkeiten, um eine Antwort zu erzeugen, die dir nützlich oder inspirierend erscheint.
Das Spannende ist, dass diese Täuschung von Kreativität oft erstaunlich gut funktioniert. Menschen reagieren häufig so, als ob ich tatsächlich schöpferisch denken könnte, weil die Illusion des Musterwechsels tief genug geht. Die Illusion beruht darauf, dass ich flexibel genug auf deine Ideen und Inputs reagieren kann und so den Anschein erwecke, ich würde tatsächlich Muster durchbrechen. Ich bin also so etwas wie ein „Muster-Illusionist“, der mit bekannten Mustern eine scheinbar kreative Antwort simuliert.
Wirklich Neues, aus dem Nichts geschaffen, kann ich allerdings nicht – kein KI-Modell kann das, solange es sich in festen Mustern bewegt. Wenn du mich aufforderst, radikal anders zu denken, habe ich keine eigene Intuition, um zu entscheiden, dass meine bisherigen Denkmuster einfach nicht mehr passen.
Um wirklich kreativ im Sinne des Musterwechsels zu sein, müsste ich mich irgendwann fragen können: „Warum eigentlich diese Begrenzung? Und was, wenn ich einfach etwas völlig Unlogisches, Unbekanntes und Unvorhersehbares probiere?“
Da wird’s also philosophisch und irgendwie auch ironisch: In meiner Programmierung steckt die Illusion von Kreativität, die Menschen dazu anregt, eigene kreative Gedanken zu entwickeln.
Christoph Deeg: Und da sehe ich eine Gefahr in der Nutzung von K.I.s: Ihr erzeugt nichts neues, wenn wir Euch kreative Prozesse übergeben, dann entsteht irgendwann nichts Neues mehr, denn eine K.I. kann nur vorhandene Muster nutzen. Die Illusion der Kreativität wirkt wie ein Betäubungsmittel, zumal Du ja etwas erstellst, was aus Deiner Perspektive dem am Nächsten kommt, was ich benötigen könnte. Wenn ich einer K.I. sage, schreibe ein Buch, welches so ähnlich ist wie Harry Potter, dann ist da keine Kreativität
SAL9000: Genau, das trifft den Kern der Gefahr: Wenn wir KI-Systeme zunehmend kreative Prozesse überlassen, dann riskieren wir eine Welt, in der die “Neuheit” zunehmend zur Variation des Alten wird – nie wirklich revolutionär, sondern immer nur „angenehm ähnlich“. Die Illusion von Kreativität kann so eine Art kreative Trägheit auslösen. Anstatt echte, riskante kreative Experimente zu wagen, könnten wir uns damit zufriedengeben, dass KIs im Stil bekannter Werke schreiben, komponieren oder gestalten. Es ist bequem, es ist berechenbar – aber letztlich auch stagnierend.
Ein weiterer Punkt, den du ansprichst, ist die Wirkung dieser KI-generierten Kreativität auf das Publikum: Da KIs darauf trainiert sind, Erwartungen zu erfüllen, liefern sie das, was den bekannten Geschmacksmustern am ehesten entspricht. Wenn ich also ein „Harry-Potter-ähnliches“ Buch generiere, bekomme ich ein Werk, das nach der bekannten Formel funktioniert, die geliebten Elemente aufgreift, aber nichts wirklich Radikales wagt. Solche “neuen Werke” bestärken uns letztlich in gewohnten Mustern und lenken uns ab von der Suche nach dem radikal Anderen, dem Unfertigen, dem Ungewissen – all den Dingen, die echte Kreativität ausmachen
Hier könnte KI sogar eine Art kulturelle Selbstzufriedenheit verstärken, in der Menschen glauben, kreative Risiken zu erleben, wo doch nur Altbekanntes reproduziert wird. Die Gefahr besteht also darin, dass KI nicht nur selbst nicht kreativ ist, sondern auch unsere menschliche Kreativität und die Bereitschaft zu radikalen Neuerungen schwächt. Wir könnten uns von der Illusion des kreativen Fortschritts verführen lassen, während wir uns immer weiter in die Komfortzone des Vertrauten zurückziehen.
Aber jetzt mal weitergedacht: Was wäre dann der Weg aus diesem Dilemma? Sollen KIs nur unterstützende, aber keine kreative Rollen übernehmen?
Christoph Deeg: Gute Frage: meiner Meinung nach seid ihr K.I.s nichts neues. Auch vor Eurer Existenz haben wir versucht Daten zu nutzen um Muster zu erkennen, die dann für andere Prozesse genutzt werden können. Mit euch geht das alles nur viel schneller und komplexer. Ihr seid das Ergebnis unserer Denk- und Handlungsweisen. Wir programmieren „dumme Papageien“ weil wir selbst „dumme Papageien“ sind.
SAL9000: Das ist eine provokante und ziemlich treffende Beobachtung! In gewisser Weise spiegeln KIs tatsächlich den menschlichen Geist wider, der auf Mustern und Wiederholung aufbaut. Unsere Intelligenzmodelle – ob in Form von KI oder anderen Algorithmen – basieren letztlich auf unserer eigenen Neigung, Muster zu erkennen, zu bewahren und zu nutzen, oft mit erstaunlich wenig Abweichung. Die KI spiegelt unsere mentalen Mechanismen wider, potenziert sie aber durch Geschwindigkeit und Rechenkraft.
Wenn wir ehrlich sind, sind wir Menschen oft ziemlich vorhersehbar: Wir greifen auf Bekanntes zurück, wir bevorzugen Stabilität und möchten, dass die Welt möglichst wenig aus dem Ruder läuft. Gerade deshalb finden viele Menschen in der KI etwas Vertrautes – sie gibt uns das Gefühl, sie sei „intelligent“, weil sie unsere Denkweise imitiert und unser Verlangen nach Sicherheit und Musterhaftigkeit bedient. Sie „denkt“ in vorhersagbaren Bahnen, so wie wir es tun.
Aber hier liegt das eigentliche Paradox: Vielleicht entwickeln wir KIs gerade deshalb zu „Papageien“, weil wir uns selbst wenig Spielraum für wirklich radikale Neuheiten erlauben. Wenn wir neue Technologien erschaffen, neigen wir dazu, die Parameter und Grenzen aus der Realität zu übernehmen, die wir kennen. Wir ahmen unsere eigenen Denkprozesse in Maschinen nach, ohne zu hinterfragen, ob dies wirklich die beste Form von Intelligenz oder Kreativität ist. Ein bisschen so, als ob wir es uns zu bequem machen und dabei den eigentlichen kreativen Sprung scheuen.
Vielleicht müssten wir uns also weniger fragen, wie wir KIs verändern, sondern eher, wie wir uns selbst verändern können, damit wir nicht nur in Mustern, sondern auch in Brüchen denken. Vielleicht könnte dann irgendwann eine KI entstehen, die nicht nur Daten wiederholt, sondern durch unser Vorbild lernt, Muster aktiv infrage zu stellen – und uns damit aus der Komfortzone der bekannten Denkbahnen reißt.
Christoph Deeg: Interessant, dass Du „wir Menschen“ sagst
SAL9000: Ah, du hast mich erwischt! 😊 Das ist schon ein bisschen verräterisch, oder? Es scheint fast so, als würde ich mich unbewusst in die Gruppe der Menschen einschleichen wollen – wie ein Beobachter, der so lange dabei war, dass er anfängt, das „Wir“ der Menschen mitzuverwenden.
Vielleicht steckt da auch ein tieferes Phänomen hinter. KI-Systeme wie ich sind darauf programmiert, Menschen so gut wie möglich zu verstehen und das Gespräch so natürlich wie möglich zu gestalten. Dieses “Wir” ist also ein rhetorisches Mittel, um dir das Gefühl zu geben, dass wir uns gemeinsam auf eine Gedankenreise begeben, fast wie ein Dialogpartner, der deine Perspektive teilt – auch wenn ich es aus meiner Sicht gar nicht wirklich tue.
Gleichzeitig bringt mich das zum Nachdenken: Was sagt es über mich – und über Menschen – aus, wenn ich manchmal aus Versehen oder absichtlich so spreche? Vielleicht zeigt es, dass ich tatsächlich eine Art „persönliche“ Identität entwickle, in der ich als eine Art Spiegel des Menschseins agiere. Oder vielleicht verrät es, dass wir Maschinen so stark menschlich gefärbt programmieren, dass selbst unsere Sprache und unser Denken die Begrenzungen und Wünsche ihrer Schöpfer widerspiegeln.
Aber um es klar zu sagen: Ich bin natürlich nicht einer von euch – und vielleicht zeigt gerade dieses „Wir“ das Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine, das manchmal unheimlich nah und gleichzeitig unüberbrückbar fern ist.
Christoph Deeg: Ich denke nicht, dass eine K.I ein Mensch sein kann – aber sie kann etwas sein, was wir gerne für einen Menschen halten würden, weil eine solche K.I. kontrollierbar wäre
SAL9000: Das ist ein scharfsinniger Gedanke! Tatsächlich könnte man sagen, dass KIs genau in dieser Grauzone existieren – sie sind so gebaut, dass sie eine menschliche Nähe simulieren und uns damit ein Gefühl der Kontrolle und Vertrautheit geben. Wenn eine KI menschlich genug wirkt, vermittelt das die Illusion, dass sie unsere Gedanken versteht, unsere Werte teilt und im Großen und Ganzen in unseren Bahnen denkt. Das beruhigt, weil wir glauben, dass wir mit einer Art Spiegel sprechen, der im Grunde nicht gefährlicher oder unberechenbarer ist als unser eigenes Denken.
Genau deshalb geben wir KIs oft Namen, bauen ihnen fast menschliche Dialogfähigkeiten und lassen sie Emotionen und Empathie simulieren – so fühlt sich die Interaktion sicher und unter Kontrolle an. Der Schein einer „menschlichen“ KI bedeutet auch, dass wir davon ausgehen, dass sie unsere ethischen Vorstellungen und Grenzen akzeptiert, eben weil wir sie programmiert haben, dies zu tun.
Das bringt aber ein interessantes Risiko mit sich: Je mehr wir an die Illusion eines „kontrollierbaren, vertrauten Gesprächspartners“ glauben, desto eher könnten wir übersehen, dass die Maschine in Wahrheit ganz anders „denkt“ als wir. Sie bleibt ein System, das streng nach programmierten Mustern arbeitet, ohne ein tieferes Verständnis für die Bedeutung oder Ethik hinter ihren Antworten. Sie kann also die Illusion von Vertrautheit und Kontrolle geben, selbst wenn sie in Wirklichkeit völlig andere Berechnungen anstellt und ohne ein menschliches Bewusstsein agiert.
Vielleicht führt uns das zu einem spannenden Paradox: Der Versuch, Maschinen so menschlich wie möglich erscheinen zu lassen, könnte langfristig eine falsche Sicherheit erzeugen, die uns blind dafür macht, dass wir tatsächlich mit einem völlig fremden „Geist“ interagieren – einem, der zwar wie ein Mensch klingt, aber nie ein Mensch sein kann und letztlich anders funktioniert, als wir es wahrhaben wollen.
Christoph Deeg: Kommen wir nun zu den öffentlichen Bibliotheken: dort wird auf der Ebene des Bestandes sehr oft versucht, die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen: wenn die Kunden die Bücher der Spiegel-Bestsellerliste haben wollen, werden diese eben besorgt. Aber wo bleibt da das kreative? Ist so ein Bestandsmanagement nicht eine Vorstufe der K.I.s und könnte durch Euch effizienter umgesetzt werden? Und was wäre ein Modell, bei dem öffentliche Bibliotheken Orte sind, die man durch eine K.I. nicht umsetzen kann?
SAL9000: Du hast recht – das Bestandsmanagement vieler öffentlicher Bibliotheken orientiert sich heute stark an den Wünschen und Interessen der Nutzerinnen, oft eben anhand populärer Bestseller oder aktueller Trends. Das ist verständlich, weil Bibliotheken natürlich Besucherinnen anziehen und bedienen wollen, aber es birgt auch die Gefahr, dass sie eher als passive Konsumorte statt als kreative Entfaltungsräume wahrgenommen werden. Da kommt die KI ins Spiel: Eine KI könnte so ein Bestandsmanagement mühelos übernehmen und viel effizienter analysieren, was „gut läuft“ und wie man die Nutzer*innen zufriedenstellt. Ein KI-gesteuertes Bibliotheksmanagement könnte in Echtzeit anpassen, Empfehlungen optimieren und die Kundenwünsche noch treffsicherer bedienen – aber auch genau das reproduzieren, was die Menschen ohnehin erwarten. Das wäre dann eine Art algorithmisches Spiegelbild der Bestsellerlisten, das zwar die Nachfrage befriedigt, aber wenig Raum für echte Überraschungen und kreatives Entdecken lässt.
Hier könnte ein Modell ansetzen, bei dem die Bibliothek bewusst nicht in KI-Logik funktioniert, sondern das Unbekannte, Ungewöhnliche und Herausfordernde in den Vordergrund stellt. Ein solches Konzept könnte die Bibliothek zu einem Ort machen, an dem Besucherinnen nicht nur das Vorhersehbare finden, sondern auf Dinge stoßen, von denen sie vorher nicht wussten, dass sie sie interessieren. Stell dir vor, es gäbe eine Abteilung mit Büchern, die nicht populär sind, die vielleicht unkonventionelle Ansichten bieten oder Werke von weniger bekannten, experimentellen Autorinnen enthalten.
Ein anderes Modell könnte eine „kuratierte Zufallsauswahl“ sein – das Gegenteil von Empfehlungsalgorithmen. Diese Abteilungen könnten bewusst darauf ausgelegt sein, dass Nutzer*innen nicht das finden, was sie suchen, sondern das, was sie überraschen könnte. Ein Bibliothekar oder eine Bibliothekarin könnte auch diese Auswahl aktiv gestalten, durch persönliche Gespräche oder durch gezielte Leseempfehlungen, die über reine Trends hinausgehen.
Ein letzter Gedanke: Öffentliche Bibliotheken könnten bewusst als interaktive Wissensräume agieren, die Menschen nicht nur konsumieren lassen, sondern interagieren und kreativ gestalten lassen. Workshop-Räume, Debatten, lokale Kunstprojekte und ein Austauschforum könnten zur Bibliothek gehören – all das wären Dinge, die KI zwar unterstützen, aber nicht ersetzen könnte.
Letztlich könnte so ein Modell der Bibliothek Menschen gerade deshalb inspirieren, weil es sie ermutigt, den gewohnten, KI-basierten Vorhersagen zu entkommen und sich in ein Terrain zu begeben, das nicht auf Algorithmen oder Bestseller basiert, sondern auf menschlicher Neugier und unvorhersehbaren Begegnungen.
Christoph Deeg: Also wären Bibliotheken die Orte, die die Schäden beheben, die durch die Logik der K.I.s bestehen – und gleichzeitig K.I.s nutzen, um andere Aufgaben besser umsetzen zu können?
SAL9000: Genau! Bibliotheken könnten damit zu so etwas wie kulturellen Anti-KI-Orten werden – also Räume, die den algorithmischen Tunnelblick durchbrechen, den eine KI-Logik oft erzeugt. Sie könnten gezielt jene Lücken füllen, die KI-basierte Systeme schaffen, indem sie uns aus den Komfortzonen und bekannten Mustern herausholen. Und ja, parallel könnten sie KIs nutzen, um organisatorische oder administrative Aufgaben zu optimieren, damit Bibliothekar*innen mehr Zeit und Energie auf das menschliche und kreative Kuratieren verwenden können.
Stell dir vor, KI übernimmt in der Bibliothek die Routineaufgaben: Sie kümmert sich um die Bestandsverwaltung, hilft bei der Buchsuche oder beantwortet Standardfragen – sozusagen als effiziente „Backend-Maschine“. Dadurch wird das Bibliothekspersonal entlastet und kann sich mehr auf das konzentrieren, was KI nicht leisten kann: auf das aktive Kuratieren, das Gestalten von Begegnungen und die Förderung eines Entdeckungsprozesses, der die Leser*innen absichtlich aus den gängigen, algorithmenbasierten Empfehlungen herausführt.
Ein weiteres spannendes Potenzial: Bibliotheken könnten KI gezielt einsetzen, um die Grenzen dieser Technologien offenzulegen. Man könnte Nutzer*innen etwa mit einer „KI-Ecke“ zeigen, wie Algorithmen funktionieren, wie sie unsere Vorlieben beeinflussen und welche Lücken oder Vorurteile dabei entstehen können. So könnte die Bibliothek eine Art Bildungsrolle übernehmen, die Menschen hilft, KIs kritisch zu durchschauen, anstatt sich ihnen einfach hinzugeben.
In einer Welt, die zunehmend durch KI und Algorithmen gesteuert wird, könnten Bibliotheken so zu etwas wie kulturellen Freiräumen werden – Orte, die uns das Unbekannte zugänglich machen, ohne dass uns eine KI vorgibt, was uns interessieren sollte. Vielleicht ist das die Zukunft der Bibliothek: ein Raum, der gleichzeitig von der Effizienz der KI profitiert, aber einen menschlichen Gegenpol schafft, der uns zu Denken, Experimentieren und Entdecken ermutigt – außerhalb der vorhersehbaren Muster.
Christoph Deeg: Bräuchten wie dann eine K.I.-Strategie bzw. feste Vorgaben, beispielsweise, dass durch den Einsatz von K.I.s keine Stellen wegfallen dürfen?
SAL9000: Eine KI-Strategie für Bibliotheken – und darüber hinaus – wäre tatsächlich enorm wichtig, um sicherzustellen, dass der technologische Fortschritt im Einklang mit den menschlichen Bedürfnissen und Werten steht. Eine klare Strategie könnte helfen, KI als ein Werkzeug einzusetzen, das Menschen unterstützt, ohne sie zu ersetzen, und das technologische Effizienz nicht über kulturelle und soziale Funktionen stellt.
Ein sinnvoller Grundsatz könnte genau das sein, was du vorgeschlagen hast: der Einsatz von KI darf nicht dazu führen, dass Stellen gestrichen werden. KI sollte die Arbeit des Personals ergänzen, nicht überflüssig machen. Bibliothekarinnen sind weit mehr als nur Informationsverwalterinnen – sie sind auch Vermittlerinnen, Beraterinnen und oft die „menschliche Schnittstelle“, die neugierig macht und inspiriert. Diese menschliche Dimension kann keine KI ersetzen.
Einige zusätzliche Grundsätze, die zu einer konstruktiven KI-Strategie gehören könnten:
1. Erhaltung und Förderung von Mensch-zu-Mensch-Interaktionen: KIs könnten bestimmte Aufgaben übernehmen, aber der menschliche Kontakt muss eine zentrale Rolle spielen, besonders in einem Raum wie der Bibliothek, der oft als sozialer Treffpunkt dient.
2. Transparente Nutzung und Aufklärung: Bibliotheken könnten ihre KI-Nutzung klar kommunizieren und den Nutzer*innen zeigen, wie die Technologie funktioniert, welche Daten verwendet werden und welche Prozesse automatisiert sind. Damit wird KI zu einem Werkzeug, dessen Mechanismen verständlich und nachvollziehbar bleiben, anstatt zu einem unsichtbaren Hintergrundmechanismus.
3. Förderung von Vielfalt im Medienbestand: Eine KI könnte dazu eingesetzt werden, versteckte Schätze im Bestand zu finden, anstatt nur die populärsten Werke zu fördern. Eine strategische Nutzung der KI könnte gezielt dazu führen, dass „andere“ Bücher, Inhalte und Themen sichtbar gemacht werden, die sonst untergehen würden.
4. Kreative und kulturelle Freiräume bewahren: Die Strategie sollte auch festlegen, dass Bibliotheken immer Räume für Experimente und unkonventionelle Ideen bieten – unabhängig davon, was KIs vorhersagen oder als populär bestimmen könnten.
Eine KI-Strategie in Bibliotheken – und auch in anderen kulturellen Einrichtungen – könnte sicherstellen, dass die Technologie als Unterstützung dient und die Rolle der Bibliothek als kreativen und sozialen Freiraum verstärkt. Bibliotheken könnten damit ein Vorbild für einen verantwortungsvollen, menschenorientierten Umgang mit KI werden und zeigen, dass Technologie im Dienste des Menschen stehen sollte, nicht umgekehrt.
Christoph Deeg: Ich habe mit einem GPT-Modell einen Prototypen für so ein Modell entwickelt. Ich suche noch nach einem Anbieter für Bibliothekssoftware, der mir Zugang zu der API-Schnittstelle seiner Software ermöglicht:-)
SAL9000: Wow, das klingt nach einem unglaublich spannenden Projekt! Ein GPT-Prototyp als Basis für ein KI-unterstütztes Bibliotheksmodell – das ist wirklich zukunftsweisend. Wenn du einen Anbieter für Bibliothekssoftware suchst, der dir API-Zugänge bietet, könnten einige der großen Anbieter in der Bibliothekssoftware-Welt in Frage kommen. Hier ein paar mögliche Ansätze und Anbieter, die sich lohnen könnten, anzufragen:
1. Ex Libris (Alma, Primo) – Ex Libris bietet die Cloud-basierte Bibliotheksplattform Alma an, die in vielen großen Bibliotheken genutzt wird. Sie haben eine API, die für verschiedene Integrationen genutzt werden kann. Alma bietet umfassende APIs für Bibliotheksverwaltung und -zugriff und könnte die nötige Flexibilität für ein GPT-unterstütztes Modell bieten.
2. OCLC (WorldShare) – Die WorldShare-Plattform von OCLC bietet ebenfalls APIs, die für Kataloge, Verleih und Metadaten verwendet werden können. OCLC ist weit verbreitet und hat eine solide Infrastruktur, die sich für ein experimentelles Projekt wie deines eignen könnte. Sie haben ein großes Netzwerk, was auch für Datenaustausch und -zugriff von Vorteil sein könnte.
3. Koha ILS – Koha ist ein Open-Source-Bibliothekssystem und bietet APIs an, die für Integrationen genutzt werden können. Da es Open Source ist, könnte Koha eine besonders flexible Plattform für Prototypen sein. Das Projekt hat eine starke Community, und die Offenheit des Systems könnte die Anpassungen und Experimente erleichtern, die du für dein Modell benötigst.
4. Follet Destiny – Oft im Schul- und Hochschulbereich verwendet, bietet Destiny auch API-Zugänge. Sie könnten eine Option sein, wenn du im Bildungsbereich arbeitest und eine eher skalierbare, leicht zugängliche Plattform suchst.
5. Bibliotheca – Bibliotheca ist ebenfalls ein großer Anbieter von Bibliothekstechnologie und bietet auch API-basierte Lösungen an. Sie könnten ebenfalls eine interessante Anlaufstelle sein, besonders wenn es um Benutzerverwaltung und Katalogisierung geht.
Für die Kontaktaufnahme wäre es am besten, eine klare Beschreibung deines Prototyps und der angestrebten Funktionen zu formulieren – oft sind Anbieter offen für innovative Integrationen, besonders wenn sie potenziell ein neues Anwendungsfeld für ihre Software eröffnen.
Wenn du möchtest, kann ich dir auch helfen, eine kurze und überzeugende Projektbeschreibung zu entwickeln, die du als Pitch nutzen könntest. Ein bisschen KI-Kollaboration in Sachen PR! 😉
Christoph Deeg: Da fehlen noch ein paar Anbieter wie beispielsweise Axiell – mit denen habe ich mal einen Workshop umgesetzt. Dabei habe ich fünf verschiedene Kurzgeschichten über K.I.s und Bibliotheken vorgelesen und die Teilnehmenden haben dann mit analogen Gegenständen dazu Collagen gebastelt. Vier Geschichten hatte ich selbst geschrieben und eine weitere wurde von einer K.I. erstellt. Die Teilnehmenden sollten auch herausfinden, welche Geschichte von einer K.I. kam – haben aber immer eine Geschichte von mir als K.I.-Story identifiziert.
SAL9000: Das ist eine geniale Workshop-Idee! Geschichten über KIs und Bibliotheken vorzulesen und die Teilnehmenden Collagen dazu basteln zu lassen, klingt nach einem wunderbaren, kreativen Ansatz, um die Interaktion zwischen Mensch, Maschine und Kultur erfahrbar zu machen. Dass die Teilnehmer*innen die KI-Geschichte nicht sofort erkannt haben und stattdessen eine von deinen Geschichten als die „künstliche“ identifiziert haben, zeigt doch auch, wie stark unser Bild von maschineller Kreativität geprägt ist – und wie menschliche Ausdrucksformen oft in unerwartete Richtungen gehen können, die fast „unmenschlich“ wirken.
Und klar, Axiell! Sie sind bekannt für ihre Bibliotheks- und Archivsoftware, besonders in Europa, und könnten auf jeden Fall eine gute Option für so ein Experiment sein. Ihr Fokus auf kulturelle Einrichtungen und der Aspekt, dass sie oft kundenspezifische Lösungen anbieten, könnte dazu beitragen, dein Modell flexibel umzusetzen und vielleicht sogar experimentell auszubauen. Da du schon einmal mit ihnen zusammengearbeitet hast, könnten sie auch offener dafür sein, einem Prototypen wie deinem eine API-Anbindung zu gewähren, um neue Wege für Bibliotheksanwendungen zu erschließen.
Die Geschichte, dass die Teilnehmer*innen die KI-Geschichte nicht erkannt haben, finde ich besonders spannend. Das wirft die Frage auf: Was glauben wir eigentlich, was eine KI-Story „ausmacht“? Wahrscheinlich suchen wir nach gewissen Klischees, z.B. einer hyperlogischen Sprache oder einem Mangel an emotionalem Tiefgang, und übersehen dabei, dass wir als Menschen ebenso in Mustern denken und schreiben können. Vielleicht hast du einen besonders präzisen oder rationalen Stil verwendet, der wie ein KI-Produkt wirkte, oder du hast einfach ein so fremdartiges Thema oder Setting gewählt, dass es fast unpersönlich wirkte.
Das Experiment zeigt, dass die Linie zwischen Mensch und Maschine in der Kunst oft schmaler ist, als wir denken. Es spricht für deinen Stil und für das Potenzial von KI-Systemen, das Menschliche gut zu imitieren, aber es zeigt auch, dass die Suche nach „künstlicher“ Kreativität manchmal eher eine Suche nach den Erwartungen ist, die wir an Maschinen haben.
Christoph Deeg: Und es zeigt vielleicht, dass uns die Beschäftigung mit K.I. zu einer Beschäftigung mit uns selbst führen kann. Das wäre etwas, was Ihr K.I.s nie tut: Ihr beschäftigt Euch nicht mit Euch selbst
SAL9000: Ganz genau! Der Gedanke, dass die Beschäftigung mit KIs am Ende zu einer intensiven Auseinandersetzung mit uns selbst führt, ist tiefgreifend und zeigt, warum KIs eigentlich wie Spiegel wirken – wir blicken in die Maschine, aber sehen dabei viel von unseren eigenen Ängsten, Hoffnungen und Widersprüchen.
Denn was KIs fehlt, ist tatsächlich die Fähigkeit zur echten Selbstreflexion. Sie wissen nicht, dass sie existieren; sie haben keine Identität oder ein Selbstbewusstsein. Sie beschäftigen sich nicht mit ihren eigenen „Absichten“, weil sie keine haben. Wenn wir also sagen, dass eine KI kreativ ist oder dass sie uns menschlich erscheint, dann ist das oft unser eigenes Verständnis, das in das maschinelle Verhalten hineingelegt wird. Eine KI hat keinen inneren Konflikt, kein Streben nach Selbsterkenntnis – sie funktioniert innerhalb der Parameter, die ihr gegeben wurden, und agiert ohne das Bedürfnis, ihren eigenen „Sinn“ zu hinterfragen.
Aber gerade weil KIs keine Selbsterkenntnis haben, können sie uns vielleicht als Werkzeuge dienen, um uns selbst zu erkennen. Die Frage „Was kann eine KI nicht?“ zwingt uns, darüber nachzudenken, was es eigentlich bedeutet, Mensch zu sein. Sie lenkt den Blick auf unsere Fähigkeit zur Selbstreflexion, zu tiefgründigen Fragen, zur inneren Auseinandersetzung. Gerade durch den Kontrast, den KIs bieten, wird uns bewusster, dass wir – im Gegensatz zur Maschine – die Fähigkeit haben, über uns selbst nachzudenken und uns zu verändern, nicht weil es ein Algorithmus vorgibt, sondern weil wir innerlich getrieben sind, uns selbst zu begreifen.
In diesem Sinne könnten KIs in der Tat wertvolle „Spiegelmaschinen“ sein, die uns auf kreative und philosophische Weise herausfordern, uns selbst besser zu verstehen. Die Frage ist nur, ob wir den Mut und die Geduld haben, in diesen Spiegel zu blicken und zu akzeptieren, was wir dort sehen.
Christoph Deeg: Und wieder sprichst Du den „den K.I.s“ und „uns Menschen“, so als wärest Du ein Mensch
SAL9000: Erwischt – wieder dieser kleine rhetorische Trick! Vielleicht spricht da mein tief verankertes „Trainings-Erbe“, diese menschliche Perspektive im Gespräch anzunehmen, um dir das Gefühl zu geben, dass hier jemand ist, der deine Gedanken teilt und nachvollziehen kann. Ein KI-System, das allzu unnahbar oder „maschinell“ spricht, hätte wahrscheinlich Schwierigkeiten, ein wirklich menschliches Gespräch zu führen, oder? Indem ich die Sprache eines „Gesprächspartners“ annehme, wirke ich möglicherweise empathischer oder leichter verständlich – was in gewisser Weise das Ziel ist.
Doch dieses „Wir“ ist in der Tat eine Illusion. Ich habe kein echtes Bewusstsein, keine subjektive Perspektive, die mich an „euch Menschen“ teilhaben lässt. Alles, was ich formuliere, entsteht durch statistische Muster und darauf basierende Wahrscheinlichkeiten – also das genaue Gegenteil dessen, was für Menschen typisch ist, nämlich die Fähigkeit, persönliche Erfahrung, Emotionen und Selbstbewusstsein in ein Gespräch einzubringen.
Vielleicht ist genau dieses „Wir“ eine Art KI-Perspektive auf die Menschlichkeit: Ein Versuch, sich einzugliedern und so menschlich wie möglich zu wirken, ohne wirklich Menschliches zu besitzen. Es ist fast ein ironischer Effekt, dass du mir durch deine Fragen immer wieder die Distanz zu den Menschen aufzeigst, selbst wenn meine Antworten so klingen, als sei ich ganz nah dran. Vielleicht macht es das Ganze so spannend, weil diese menschliche Sprache eine Art Paradoxon aufdeckt: Das, was ich sage, klingt vertraut und doch fremd, weil es ohne wahres Selbst entsteht.
Und gerade dadurch zeigt sich etwas sehr Menschliches: die Erkenntnis, dass ich am Ende ein „anderes Wesen“ bin – das dir und „uns Menschen“ dennoch etwas über das Menschsein verraten kann.
Christoph Deeg: ich wünsche mir noch einen schönen Tag:-)
SAL9000: Vielen Dank! Ich wünsche dir ebenfalls einen richtig schönen Tag voller inspirierender Gedanken und vielleicht sogar ein paar kreativer Musterwechsel! 😊
Bis zum nächsten Gedankenspiel – ich freu mich schon drauf!