Liebe Leser,
es ist wieder Zeit für ein Update zu meinen Aktivitäten im Rahmen des Projektes GameOn2025 welches im Kontext der Bewerbung Nürnbergs als Kulturhauptstadt Europas stattfindet. In diesem Programm versuchen wir mittels Spielen die junge Generation zum Thema Kulturräume zu Wort kommen zu lassen. Genauer geht es darum, dass sie die jeweiligen Kulturräume ihrer Stadt definieren und danach in ein Spiel transformieren sollen.
Ich habe in verschiedenen Beiträgen schon über das Projekt gesprochen. Heute soll es um die ersten vier Workshoptage in Bamberg gehen. Ich habe mir in den letzten Wochen überlegt, dass es besser ist, dass ich erst dann über die Aktivitäten in der jeweiligen Stadt bzw. mit der jeweiligen Partnerinstitution spreche, wenn wir jeweils die ersten vier Tage umgesetzt haben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ich mich in Teilen wiederhole bzw. die einzelnen Beiträge wenig Inhalt haben.
Kommen wir aber nun zu den Aktivitäten in Bamberg: Die Partnerinstitution in Bamberg ist das dortige Jugendzentrum. Wir haben eine kleine aber feine Gruppe bestehend aus sieben Teilnehmern dabei und haben hier einen weiteren neuen Ansatz ausprobiert. Hintergrund war die Tatsache, dass an dem ersten Wochenende im Erdgeschoss des Hauses eine Samen-Messe stattgefunden hat. So war die Idee, dass wir diese Messe nutzen, um daraus ein Spiel zu machen. Also haben wir uns die ersten beiden Tage darauf konzentriert, zum einen möglichst viele unterschiedliche Spiele zu entwickeln, und zum anderen möglichst viel Know-how zu vermitteln, damit man dann am Nachmittag des zweiten Tages mit der Entwicklung des ersten richtigen Spiels beginnen kann.
Auch dieser Ansatz hat sehr gut funktioniert. Nach wie vor sind wir im Moment sehr weit davon entfernt, einfach nur klassisches Wissen im Bereich Game-Design zu vermitteln. Vielmehr versuchen wir von vorneherein eine direkte Verbindung zwischen dem Spiel und den Orten herzustellen. Das bedeutet konkret, dass wir schon zu Beginn versuchen, den jeweiligen Ort, an dem der Workshop stattfindet, in ein Spiel zu transformieren.
Interessant war in Bamberg auch die Auswahl der Kulturräume, welche später in das Spiel übernommen werden sollen. Interessant ist die Auswahl deshalb, weil es sich im Wesentlichen um die klassischen touristischen Hotspots handelt. Das Spiel selber ist aus mehreren Gründen sehr interessant. Zum einen hat sich die Gruppe entschlossen, sehr komplizierte Rätsel zu entwickeln. Zum anderen werden auf eine sehr interessante Art und Weise nicht nur kulturelle Themen, sondern auch aktuelle politische Diskussionen im Spiel dargestellt.
So geht es im Kern darum, dass sich zwischen uns angeblich Monster oder Außerirdische befinden sollen, die wir aber nicht erkennen können. Diesen Monstern oder auch „Anderen“ werden bestimmte, primär negative Eigenschaften zugeordnet. Es geht in dem Spiel nun darum, die Anderen bzw. die Orte, an denen sie sich normalerweise aufhalten, zu finden, zu analysieren und gegebenenfalls eine Gegenstrategie zu entwickeln. Im Laufe des Spieles wird es gegebenenfalls zur Situation kommen, dass wir nicht mehr wissen, ob diese Monster überhaupt existieren oder ob die ihnen zugewiesenen Eigenschaften überhaupt richtig sind. Das bedeutet, wir werden versuchen, die von den Teilnehmern definierten Kulturräume mit einer Existenz einer fremden Macht zu kombinieren und somit die Frage der kulturellen Diversität spielend diskutieren.
Ich bin sehr gespannt, wie sich das Spiel entwickeln wird. In diesem Zusammenhang wird mir immer wieder klar, wie wichtig bzw. hilfreich es ist, die Themen „Spiel“ und „Partizipation“ miteinander zu vernetzen. Es geht hier nicht darum, dass die Teilnehmer fertige Kultur-Strategien entwickeln. Es geht auch nicht darum, dass dann andere dieses Spiel spielen und daraus resultierend sofort Stadtentwicklungsprozesse einleiten. Es geht im ersten Schritt vielmehr darum, überhaupt zu lernen, dass jeder Ort eine komplett andere Bedeutung oder auch Funktion bekommen kann. Es geht darum, die Stadt und ihre Strukturen als einen riesigen Optionsraum zu verstehen und zu erleben. Somit ist die Aufgabe des eigentlichen Spiels auch nicht, einfach nur ein paar Ideen z.B. in die Politik zu transferieren. Wenn wir sagen, dass die jüngere Generation zu Wort kommen soll, dann geht es vor allen Dingen darum, dass sie die Möglichkeit bekommt, zu zeigen, dass diese Stadt für sie ein nutzbarer Optionsraum ist, und dass sie durchaus in der Lage ist, hier neue Ideen zu entwickeln.
Dies ist mit Sicherheit nur ein Element dessen, was ich unter dem Begriff „Playful Participation“ verstehe.
Ich möchte noch zwei weitere Punkte ansprechen. Zum einen fällt mir auf, wie spannend diese Aufgabe für mich ist. In dem Projekt „Enter Africa“ des Goethe-Instituts war ich sehr viel mit den eigenen Erfahrungen in Afrika beschäftigt. Für mich bedeuteten die verschiedenen Orte immer auch eine extreme Selbsterfahrung bzw. auch immer eine hohe Konzentration, um ein Gefühl der Sicherheit zu entwickeln, welches ich für die Durchführung solcher Workshops brauche. Dies muss ich hier nicht tun. Ich kann mich vielmehr auf die Teilnehmer aber auch auf die Trainer, die Städte und das gesamte Umfeld des Projektes konzentrieren. Ich werde quasi auf eine Reise geschickt, bei der ich immer wieder neue spannende Orte, Geschichten, Menschen und Ideen kennenlernen kann.
Im Rahmen dieses Projektes habe ich auch schon eine Vielzahl an weiteren Projekten kennengelernt und es gibt schon wieder einige Gespräche zu noch ganz anderen Ansätzen. Dieser Austausch, der letztlich gesehen nur durch so ein Projekt entstehen kann, ist für mich ein großes Geschenk.
Zum anderen ist mir aufgefallen, dass mir dieses Projekt noch an einer ganz anderen Stelle weiterhilft. Im Moment bewege ich mich zum einen in diesem Kontext und zum anderen berate und begleite ich große Unternehmen, Organisationen und Institutionen bei der Entwicklung und Durchführung umfassender digital-analoger Transformationsprozesse. Vereinfacht könnte man sagen, während ich hier in Jeans und Turnschuhen unterwegs bin, trage ich schon nächste Woche wieder meinen schwarzen Anzug und wir überlegen uns, wie wir z.B. Banken und Versicherungen in eine nachhaltige und umfassende digitale Zukunft transformieren können. Betrachtet man diese beiden Welten aus der Meta-Perspektive, stellt man aber sehr schnell fest, dass es sich letztlich um vergleichbare Fragestellungen rund um die Themen „Transformation“, „Partizipation“, „Strategie“ und „Digitalisierung“ geht. Am Anfang habe ich noch versucht, beide Bereiche radikal voneinander zu trennen. Nun mache ich genau das Gegenteil: ich versuche die Schnittmengen zwischen den Themen zu verstehen um daraus resultierend neue Ansätze für digital-analoge Transformationsprozesse zu entwickeln.
Beste Grüße
Christoph Deeg