Liebe Leser,
es ist soweit. Ich sitze am Flughafen in Nürnberg und in einer Stunde geht es wieder nach Addis Abeba. Dieses Mal arbeite ich aber nicht an einem local-based-game. Wir starten das nächste Level: den ultimativen Mega-Game-Workshop. Zuerst möchte ich noch einmal auf das Projekt Enter Africa als Ganzes eingehen:
Vor etwas mehr als zwei Jahren – genauer im Jahr 2016 – reiste ich das erste Mal für das Goethe Institut nach Addis Abeba. Ich hatte für das Goethe Institut ein kleines Projekt entwickelt, bei dem eine interdisziplinäre Gruppe aus Addis Abeba zusammen mit mir ein local-based-game zur Zukunft der Stadt Addis Abeba entwickelten. Das Spiel hieß „The Battle of the Times“ und es ging dabei darum, dass die drei Kinder des Vaters der Zeit: die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft gegeneinander um die Herrschaft über die Welt und die Menschen kämpften. Dabei spiegelte dieser Kampf den realen Konflikt der äthiopischen Gesellschaft wieder, bei dem drei Gruppen miteinander konkurrieren: diejenigen, die sagen, dass früher alles besser war, diejenigen die die Gegenwart bevorzugen und nichts ändern wollen und diejenigen, die von einer völlig neuen Zukunft träumen und deshalb alles Vorhandene in Frage stellen. Das Projekt war erfolgreich und so kam die Frage auf, wie man diesen Ansatz ausweiten könne. Mein Vorschlag war, dass wir das Konzept erweitern und es zugleich in 15 afrikanischen Staaten – genauer gesagt die afrikanischen (Subsahara) Länder, in denen es Goethe-Institute gibt – parallel umsetzen. Auf Basis dieser Idee entstand das Projekt „Enter Africa“. Das Projekt ist eine deutsch-afrikanische Co-Produktion. Wir haben für die Entwicklung der Spiele ein Team aufgebaut. Zum Team gehören zum einen Bethlehem Anteneh und Dagmawi Bedilu. Beide kommen aus Äthiopien und sie waren Teil der Gruppe, mit denen ich das erste local-based-game „The Battle of the Times“ entwickelt habe. Bethlehem ist gelernte Architektin und Dagmawi ist eigentlich Software-Designer und Projektleiter. Aber beide haben ihre Jobs aufgegeben um sich ganz dem Thema Gaming und Gamification zu widmen. Auf deutscher Seite gibt es Roman Rackwitz und mich und natürlich das gesamte Goethe Institut vor allem Dr. Julia Sattler (Direktorin des Goethe Instituts in Addis Abeba) und Stefanie Kastner vom Goethe Institut in Johannesburg. Zum jetzigen Zeitpunkt sind alle Kick-Off-Workshops in den 15 afrikanischen Ländern durchgeführt worden. In jedem Land sollten die interdisziplinären Teams eine Vision für die Zukunft Ihrer Stadt entwickeln und diese dann in ein Spiel transformieren und damit für andere zugänglich machen. Ich nenne diesen Ansatz „participatory Gaming“. Es geht darum, neue partizipative Veränderungs- und Innovationsprozesse durch Gaming und Gamification zu ermöglichen. Die einzelnen Teams arbeiten nun weiter an ihren local-based-games und werden dabei von Bethlehem Anteneh und Dagmawi Bedilu begleitet. Parallel dazu unterstütze und berate ich die beiden und bilde sie weiter aus. Anfang 2019 finden dann weitere Workshops in allen teilnehmenden Ländern statt, bei denen dann die local-based-games finalisiert und veröffentlicht werden.
Der Mega-Game-Workshop bedeutet einen weiteren Abschnitt des Projektes. Innerhalb von sieben Tagen werde ich ab Montag in Addis Abeba mit einer Gruppe bestehend aus Vertretern aller 15 afrikanischen Staaten ein digital-analoges Spiel entwickeln. Dieses Spiel soll alle 15 Visionen zur Zukunft Afrikas zusammenführen und vor allem überall spielbar sein. Wir werden ein Brettspiel entwickeln, welches um weitere digitale Elemente erweitert wird. Wobei die digitalen Inhalte ebenfalls von den 15 Gruppen in den jeweiligen Ländern entwickelt werden. Dieser Workshop ist etwas besonderes. Zum einen ist es eine große Herausforderung, in sieben Tagen ein Spiel zu entwickeln bzw. zumindest aufzusetzen. Zum anderen bauen wir damit unsere afrikaweite Gaming-Community aus. Zudem ist es inhaltlich eine Herausforderung, denn wir wissen nicht, wie die digitalen Inhalte aus den Ländern aussehen werden. Die Gruppen beginnen erst dann mit der Entwicklung, wenn wir das Spiel soweit fertig haben. Das bedeutet, wir müssen gedankliche Schnittstellen schaffen.
Für mich bedeutet diese Woche auch ein Wiedersehen mit Addis Abeba und zugleich einen Abschied, denn zum jetzigen Stand endet meine Zeit in Afrika in diesem Projekt. Wobei es gerade ein paar spannende Diskussionen über noch größere Ansätze gibt – mal sehen was sich ergibt:-)
Spätestens mit dem Ende dieser Projektphase werde ich damit beginnen, meine eigene inhaltliche Evaluation anzugehen. Der Ansatz, Veränderungsprozesse z.B. in der Stadtentwicklung mittels Spielformaten partizipativ zu gestalten, kann einiges bewegen. Dabei geht es mir vor allem um den Ansatz, die einzelnen Gruppen Spiele über ihre Wünsche und Ziele entwickeln zu lassen. Es ist ein niedrigschwelliger Ansatz, der aber viele Vorteile mit sich bringt. Das Spiel wird quasi zum Sprachrohr der jeweiligen Peer-Group Ich habe solche Projekte in unterschiedlichen Kontexten entwickelt und umgesetzt. Nun gilt es, daraus ein umfassendes Konzept und zugleich Standards zu entwickeln.
Ich freue mich auch sehr auf Bethlehem und Dagmawi und natürlich das tolle Team des Goethe Instituts in Addis Abeba. In bin dem Institut sehr dankbar, dass ich diese Idee entwickeln durfte und umsetzen darf. In den nächsten Tagen werde ich primär über meine Aktivitäten in Addis schreiben. Trotzdem schon ein kleiner Ausblick: Nach Addis wird es auf diesem Blog nochmal um neue Formen von Gamification und Game-Thinking gehen ehe es dann eine Reihe mit Beiträgen zur digitalen Transformation und digitalen Revisionsstrategien geben wird.
Beste Grüße
Christoph Deeg