Gedanken zu den neuen Facebook-AGB’s und deren Bedeutung für Unternehmen und Institutionen

Liebe Leser,

Facebook hat es wieder getan: es gibt neue AGB’s und schon werden die altbekannten Rituale ausgelebt. Echte und selbsternannte Datenschützer reden über den Untergang des digitalen Abendlandes. Teenager erklären in verschiedenen Medien 1.0, dass Sie nun endgültig mit Facebook gebrochen haben – und löschen bzw. deaktivieren demonstrativ ihren Facebook-Account. Besorgte Eltern und Lehrer aus der Kreidezeit erklären, dass sie diesen digitalen Wahnsinn ja schon immer abgelehnt haben. Politiker sind natürlich voller Verständnis für die Kritiker der digitalen Welt, fordern die Akzeptanz einer strengen Auslegung des Datenschutzes – nach Vorbild der deutschen Rechtssprechung – und fordern gleichzeitig, dass verschlüsselte Kommunikation geächtet bzw. verboten werden sollte, wenn denn nicht die jeweiligen Sicherheitsbehörden mitlesen dürfen. Und Facebook grinst eine Runde und beruft sich auf die Tatsache, das man doch seinen Firmensitz in Irland habe und deshalb auch irische Gesetze für die eigenen Aktivitäten gelten – Offenheit und Kundenorientierung sieht anders aus.

Alles in allem hat sich also nicht viel verändert. Und doch erscheint es sinnvoll, nochmal auf das Thema einzugehen. Ich werde jetzt nicht alle Neuerungen sowie etwaige Gegenmaßnahmen im Detail besprechen. Dies ist schon auf vielen verschiedenen Seiten geschehen. Ich möchte vielmehr ein paar allgemeine Gedanken formulieren und zudem auf die Frage eingehen, was die aktuelle Situation für Unternehmen und Institutionen bedeutet, bzw. welche strategischen Fragestellungen nun berücksichtigt werden sollten.

Beginnen wir also mit ein paar allgemeinen Gedanken zum Thema:

Was wir bei all diesen Diskussionen nicht vergessen sollten ist: Es wurden schon immer Daten gesammelt. Das einzige was Facebook von den seit Jahrhunderten vorhandenen Datensammel-Aktivitäten unterscheidet, ist die Tatsache, dass man vermeintlich weitaus mehr und persönlichere Daten sammeln kann. Daten sind quasi eine neue Währung. Wir leben in einer Welt der Algorithmen. Nicht mehr die Arbeitskraft oder das Kapital sondern Daten und deren Bewertung sind die neuen Götter der ökonomisch-digital-analogen Gesellschaft. Daten sagen nicht mehr nur etwas über unsere Vergangenheit und unsere Gegenwart aus. Sie sollen zudem ermöglichen, unser zukünftiges Verhalten vorhersehen zu können. Ging es in den düsteren Phantasien eines George Orwell noch um die Kontrolle von Menschen und Meinungen in der Gegenwart, haben wir nun den Mythos der Beherrschung der Zukunft gefunden. Wir können vielleicht nicht in die Zukunft reisen – wir können Sie aber bestimmen bzw. voraussagen, wenn wir nur möglichst viele Daten haben. Und wenn wir nicht in das für uns vorhergesagte Muster passen, dann werden wir höfflichst darum gebeten, uns so zu verhalten, wie es der Algorithmus für uns vorsieht.

Dabei erfahren wir nicht, welche Daten warum zu welcher Vorhersage geführt haben. Wenn ich wissen möchte, warum die Schufa meine Kreditwürdigkeit in die eine oder andere Richtung geändert hat, werde ich keine Antwort bekommen. Da es Unternehmen sind, die unsere Daten sammeln und analysieren, ist deren Arbeit ihr Geschäftsgeheimnis. Was Staaten über uns an Daten sammeln, und welche Konsequenzen dies haben kann, werden wir schon gar nicht erfahren. Im Vergleich dazu erscheint das Geschäftsgebaren von Facebook, Google und Co. gerade zu offen und ehrlich.

Bezogen auf Facebook und Co. erscheint selbst die berechtigste Kritik etwas scheinheilig. Unternehmen entwickeln Plattformen, die Millionen von Menschen miteinander vernetzen. Es entstehen neue Formen der Kommunikation, der Wahrnehmung, der Vermittlung und der Erschließung von Inhalten. Unsere Gesellschaft erlebt gerade eine tiefgreifende Veränderung, wobei die digitale Revolution nur ein Spiegelbild bzw. die Eisbergspitze des analog-gesellschaftlichen Wandels darstellt. Und diese Unternehmen sollen dies bitte alles umsonst tun. Und am besten sollen es keine US-amerikanischen Unternehmen sein. Solche Aussagen kommen dann auch gerne mal aus dem deutschen Kultur- und Bildungssektor, der bis heute keine Anstalten macht, den digital-analogen Wandel unserer Gesellschaft aktiv zu gestalten. Statt in klassische Muster zu verfallen, wäre es zielführender zu überlegen, wie man neue Formen der Vernetzung zwischen analoger und digitaler, zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller und zwischen globaler und kommunaler Lebensrealität vernetzen könnte.

Noch scheinheiliger wird es dann, wenn wir auf der anderen Seite Boulevard-„Zeitschriften“ haben, denen Datenschutz und Privatsphäre nicht besonders wichtig zu sein scheinen. Da wird jeder Mensch, jedes Thema in die Öffentlichkeit gezerrt. Und die Masse der Zeitungsleser möchte die eigene Gier am Leben anderer befriedigen. Datenschutz gilt dann halt doch nur individuell. Datenschutz für alle? Nein, Danke – aber Facebook ist wirklich böse, oder?

Aus Sicht von Facebook ist alles richtig gut gelaufen. Denn wenn ich mir ansehe, wie meine Facebook-Lebensrealität aussieht, dann sieht das alles gar nicht mehr so toll aus. Bis jetzt habe ich nicht erlebt, dass ich von Facebook relevante Werbung bekomme. Auch Vorschläge von Facebook-Seiten waren alles andere als relevant. Obwohl Facebook bei mir sehr viele Daten abschöpfen darf, ist das Ergebnis eher mau. Nachdem so viele Informationen über mich gesammelt werden, hätte ich wirklich mehr erwartet. Stand jetzt ist meine Facebook-Werbung nichts anderes als Spam. Das ist eigentlich schade, denn ich bin offen für Hinweise und Hilfestellungen. Nun weiß ich auch, dass das Modell bei anderen Menschen sehr wohl funktioniert. Und ich weiß ebenso, dass sehr viele Unternehmen dem Geschäftsmodell von Facebook vertrauen, denn sonst würden sie ja dort keine Werbung schalten. Man muss verstehen, dass wir User auf Facebook nicht die Kunden sondern das Produkt sind. Und man muss verstehen, dass die Diskussion um den Datenschutz Facebook hilft, und dies aus folgenden Gründen:

  1. Die kontinuierliche Diskussion um die Datensammlung bei Facebook zeigt den Unternehmen, die Werbung auf Facebook schalten sollen, dass Facebook wirklich über die relevanten Daten verfügt. Die aktuelle Diskussion ist quasi die perfekte Werbung für Facebook. Wenn wirklich so sensible Daten auf Facebook gesammelt und bearbeitet werden, ist es dann aus Sicht von Unternehmen nicht das Beste, auf eben dieser Plattform Werbung zu schalten?
  2. Wenn sich nun Menschen bei Facebook abmelden, so entsteht dadurch eine Art Reinigungsprozess, denn es bleiben die Menschen übrig, die offensichtlich offen für die Plattform und ihr Geschäftsmodell sind.

In dem Film „Die Trueman-Show“ sagt der Hauptprotagonist kurz vor Ende des Films einen sehr spannenden Satz:“Ihr hattet nie eine Kamera in meinem Kopf“. Und so verhält es sich auch mit den Nutzern von Facebook, Google und Co. Man mag versuchen, auf Basis von Daten aus der Vergangenheit auf zukünftige Verhaltensmuster zu schließen. Es bleibt auf jeden Fall eine Wette. Für Facebook ist es nicht nur wichtig, dass die Nutzer der Plattform und ihren Inhalten vertrauen – es ist für Facebook ebenso wichtig, dass die Unternehmen Facebook vertrauen, dass Facebook wirklich den Zugang zu Menschen hat. Und was ist schöner als Werbung? Wenn ich Werbung schalte, muss ich mit meinen Kunden nicht wirklich kommunizieren. Es ist nur Werbung – nach altem Muster und nur auf einer anderen Plattform.

Schließlich sollten wir nicht vergessen, dass diese und die meisten weiteren Plattformen eben nicht aus dem Kulturraum Deutschlands bzw. Europas kommen. Wir sind und bleiben wohl noch auf lange Sicht digital-analoge Entwicklungszone. Die sog. „Digitale Agenda“ der Bundesregierung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als die offizielle Erkenntnis, dass sich das Internet durchsetzen wird. Von der Gestaltung einer digital-analogen Gesellschaft sind wir noch immer Lichtjahre entfernt. Die hat sicherlich auch etwas mit dem internen Kulturkampf zu tun, der unsere Gesellschaft zunehmend in „Bewahrer“ und „Innovatoren“ teilt, wobei die Zugehörigkeit zu jeweiligen Gruppe letztlich abhängig vom Themenkomplex ist.

Was bedeutet die aktuelle Situation nun für Unternehmen und Institutionen?

Unabhängig von rechtlichen Fragen kommen auf Unternehmen und Institutionen eine Vielzahl an Fragen zu. Dabei geht es weniger um rechtliche Fragen zu Datenschutz und Co. und vielmehr um Fragen, die die strategische Umsetzung von Social Media-Aktivitäten betreffen. Im Folgenden möchte ich die wesentlichen Punkte kurz aufgreifen und Empfehlungen aussprechen:

  • Es ist wichtig, dass Unternehmen und Institutionen verstehen, dass es im Social Web im Allgemeinen und auf Facebook im Speziellen nicht um Werbung sondern um „echte“ Kommunikation geht. Social Media ist eben nicht vergleichbar mit klassischen Medien und nein, es geht nicht um Kampagnen und die Geldvermehrung von PR-Agenturen, die nun auch Werbung auf Facebook beherrschen. Es geht vielmehr um einen kontinuierlichen Dialog auf Augenhöhe. Überlegen Sie also, warum Sie eigentlich auf Facebook aktiv sind? Geht es Ihnen wirklich im diesen Dialog?
  • Facebook wird wahrscheinlich nicht immer so relevant sein. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen und Institutionen Exit-Strategien in der Schublade haben. Überlegen Sie also, was Sie machen, wenn Sie Facebook verlassen.
  • Es kann auch sein, dass Sie die Plattform wechseln möchten. Aber welche Plattform ist dann relevant? Und wie funktioniert sie? Es ist wichtig, dass die Analyse und Bewertung von alternativen Plattformen ein normaler Bestandteil der Arbeit möglichst vieler Mitarbeiter ist.
  • Achten Sie darauf, dass keine „Black Boxes“ entstehen. Wenn Sie Ihre Social-Media-Kommunikation durch eine externe Agentur umsetzen lassen, sollten Sie darauf achten, dass es zu einem kontinuierlichen Know-How-Transfer kommt.
  • Achten Sie zudem darauf, dass der Großteil der Social-Media-Aktivitäten in Ihrem Unternehmen bzw. in Ihrer Institution umgesetzt werden. Externe Berater können helfen und Sie sollten auch auf externe Berater zugreifen. Die operative Umsetzung sollte aber in Ihrem Hause verankert sein.
  • Es geht auf Facebook und Co. nicht um Kampagnen sondern um den umfassenden und nachhaltigen Aufbau einer Community.
  • Die Nutzung von Social Media soll das Unternehmen bzw. die Institution nicht cooler sondern besser machen. Deshalb sollten Sie sich kontinuierlich fragen, ob Ihr Unternehmen überhaupt mit der digitalen Kultur kompatibel ist.
  • Aktivieren Sie Ihre Kunden, das Social Web zu nutzen – und helfen Sie Ihren Kunden auf diesem Weg. Die Hilfe kann unterschiedlich aussehen. Ein Ansatz wäre sicherlich, den Kunden zu zeigen, wie Sie ihre Daten schützen können. Das mag nun kontraproduktiv klingen, schließlich wird es damit ja schwerer, Werbe-Kampagnen auf Facebook umzusetzen. Aber wie bereits erwähnt, geht es nicht um Kampagnen sondern um die kontinuierliche Kommunikation mit Ihren Kunden.
  • Verstehen Sie die Arbeit im Social Web nicht als freiwilliges Addon, sondern als eine Kernaufgabe, welche die interne und externe Nutzung von Social Media beinhaltet. Im Ergebnis sollte Social Media eine Querschnittsfunktion des Managements werden.
  • Aktivieren Sie Ihre Mitarbeiter und versuchen Sie unbedingt, so viele Kollegen wie möglich zu einem Teil Ihrer Social-Media-Aktivitäten werden zu lassen.
  • Der wichtigste Punkt: steigen Sie nun auf keinen Fall aus. Sie nehmen sich dabei die Möglichkeit, den digital-analogen Wandel zu gestalten.

Beste Grüße

 

 

Christoph Deeg

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