Der Kulturinfarkt – ein Kommentar und ein Gegenmodell

Liebe Leser,

vor ein paar Tagen habe ich den ersten Artikel zum Buch Kulturinfarkt gepostet. Nachdem ich das Buch nun gelesen und mir ein paar Gedanken dazu gemacht habe, möchte ich nun den zweiten Beitrag veröffentlichen. Wenn man über dieses Buch schreibt sollte man m.E. zuerst auf ein paar grundsätzliche Punkte hinweisen:

Nein, ich kenne nicht alle Kulturinstitutionen in Deutschland, Schweiz, Österreich. Nein, ich kenne nicht alle Kulturförderprogramme. Ich kenne nicht alle Rechtsformen von Kulturinstitutionen und ich kenne auch nicht die Lehrpläne aller Kulturmanagement-Studiengänge. Ich bin kein Prof. Dr. für Kulturförderung, habe noch keine Institution geleitet und kenne nicht jeden Kulturpolitiker persönlich. Wenn ich diesen Artikel schreibe, dann tue ich dies aus zwei Blickwinkeln. Da ist zum Einen Christoph Deeg als Kultur-Konsument. Ich habe eine kulturelle Lebensrealität. Dazu gehört der Besuch der Oper, des Jazz-Konzerts, des Museums, das Spielen von Computerspielen, das Surfen im Netz etc. Ich trenne nicht nicht zwischen der sog. Hoch- und Massenkultur – im Gegenteil, ich halte diese Unterscheidung für kontraproduktiven Blödsinn. Für mich haben die genannten und noch viele weitere kulturelle Aktivitäten die gleiche Wertigkeit. D.h. für mich hat eine Opernaufführung die gleiche Wertigkeit wie ein Computerspiel. Für mich ist Devin Townsend ein ebenso bedeutender Komponist wie Wolfgang Amadeus Mozart. Als Konsument ist mir egal, wer mir Zugang zu den jeweiligen Inhalten verschafft und wer mit mir zusammen diese Inhalte entdeckt. Mir ist egal ob hinter einer Ausstellung oder einem Event ein öffentlicher oder ein kommerzieller Anbieter steht. Was mich interessiert sind Inhalte – nicht die Institutionen oder deren Geschäftsmodelle. Da ist zum Anderen der Christoph Deeg, der Institutionen und Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Welt begleitet. Die Welt der Computerspiele und das moderne Internet stellen große Herausforderungen auch für den Kultursektor dar. Und bis jetzt ist dieser Bereich – trotz aller Erfolge – in der Breite noch immer nicht in der digitalen Lebensrealität unserer Gesellschaft angekommen. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist, dass die Kultur der Kulturinstitutionen in der Regel nicht ohne weiteres kompatibel mit der digitalen Welt ist. D.h. es ist nicht nur meine Aufgabe, Institutionen und Unternehmen Plattformen wie z.B. Facebook, Twitter und Co. zu zeigen. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, die Institutionen und Unternehmen auf Ihrem Weg zu begleiten, denn in der Regel läuft es auf einen Wandel heraus, der die ganze Organisation, ihre Denk- und Arbeitsweisen in allen Bereichen nachhaltig verändert. Ich bin also Teil dieser Veränderungsprozesse und erlebe diese Weiterentwicklung inkl. aller Erfolge und Fehlschläge hautnah. Dieser Beitrag basiert also auf zwei Sichtweisen und es kann natürlich sein, dass damit verbunden bestimmte Bereiche nicht beleuchtet werden.

Die große Aufregung
Sie haben es also getan. Die vier Autoren Pius Knüsel, Armin Klein, Dieter Haselbach und Stephan Opitz haben ein Buch geschrieben. Und sie haben den heiligen Gral der Kulturpolitik beschmutzt: die Kulturförderung. Genauer fordern sie einen radikalen Wandel in der Förderung. Vorhandene Strukturen sollen in Teilen zugunsten neuer Strukturen und Inhalte abgebaut werden. Das klingt erstmal nach Kürzungen und Kürzungen ist ein ideales Wort um einen Haufen an vorhersagbaren Reflexen hervorzurufen.

Und so erinnerte der kleine Sturm an Monty Python und die alte E-Plus-Werbung. Die Reaktionen einiger Lobbyverbände erinnerten ein bisschen an die Szene in „Das Leben des Brian“, in der ein Mensch gesteinigt wird, weil er das Wort „Jehova“ in den Mund genommen hatte. Und da er es dann noch als Provokation des öfteren wiederholte nahm die Geschichte Ihren bekannten Verlauf. Die Reaktionen von ein paar anderen Vertretern aus diesem Bereich erinnerte eher an die E-Plus-Werbung mit Franz Beckenbauer, bei der er die Frage stellt:“Ja is den heut schoa Weihnachtn?“ und die Weihnachtsmänner hüpfen vor Freude und rufen „Er hat’s gesagt, Er hat’s gesagt“. Es gab also sehr viel Aufregung – und natürlich war diese Aufregung gewünscht. Die Autoren wollten polemisieren und provozieren und es gibt ja zumindest einen ausgewiesenen Marketing-Experten im Autorenteam.

Ich denke Steffen Peschel hat Recht wenn er in seinem Blogbeitrag zur Reaktion der Kulturinstitutionen sagt, er glaube, „…dass die Kritik am System auf voller Breite traf und die Verantwortlichen im Kulturbetrieb alles andere als darauf vorbereitet waren“. Dies ist insofern schade, als dass diese Diskussion ja nicht gerade neu ist. Die meisten Argumente und Fragestellungen in dem Buch wurden schon lange diskutiert. Und viele der in dem Buch vertretenen Thesen hinsichtlich der Frage, was Kulturinstitutionen sind und wo ihre Schwächen liegen sind längst anerkannt – interessanterweise auch von vielen, die jetzt das Gegenteil behaupten:-) Es bleibt die Frage, warum die Diskussion nicht zu Veränderungen in der Breite geführt hat. Es könnte m.E. daran liegen, dass es sich bei allen diesen Diskussionen, Aufsätzen, Artikeln und ganzen Büchern nur um Theorie aber selten um Praxis drehte. Die Kulturpolitik erscheint eher ein Diskussions- als ein Handlungs-System zu sein.

Was mich zudem wundert: geht es um den Umbau der Kulturförderung, dann gibt es einen großen Aufruhr. Wann gibt es Presseerklärungen gegen die Tatsache, dass immer noch viele Kulturinstitutionen keinen freuen Zugang zum Internet haben? Wann erhebt man sich gegen die Tatsache, dass viele Mitarbeiter in Kulturinstitutionen noch immer nicht frei über ihre eigenen Fortbildungen entscheiden dürfen?

Bluthochdruck im Kultursektor
Bleibt die Frage, warum sich so viele Menschen darüber aufregten? Glaubt denn wirklich jemand, dass es aufgrund eines Buches von vier Autoren zu einer radikalen Reform der Kulturförderung kommt? Das große Summen verschoben und neue Strukturen geschaffen werden – in Deutschland? Bei allem Respekt aber Deutschland ist die Ur-Mutter der festen (und auf oft verkrusteten) Strukturen. Wir sind Experten wenn es darum geht Arbeitskreise- und Arbeitsgruppen zu gründen. Wir leben in einer Welt von Anträgen und Hierarchien. Unsere Steuergesetzgebung verbraucht mehr Papier als alle Weltreligionen zusammen. Bevor es zu tiefgreifenden Veränderungen kommen könnte würde zuerst eine dafür verantwortliche Behörde aufgebaut werden. In diesem Umfeld wird sich eine Forderung wie diese nie umsetzen lassen. Und auch aus der Forderung, aus dem Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ ein „Jedem Kind ein iPad“ zu machen, wird in Deutschland wohl eher nichts werden. Eine Bitkom-Studie zeigt auf, dass Deutschland als eine der größten Industrienationen der Welt auch das Land ist, in dem nur 15% der Schüler einen Computer täglich im Unterricht nutzen dürfen. Wie soll in diesem Umfeld eine solche Forderung jemals Realität werden? Nein, niemand braucht sich Sorgen oder Hoffnungen zu machen. Keine der Forderungen in dem Buch werden jemals so umgesetzt werden.

Kulturförderung ist (k)ein Naturgesetz
Und trotzdem sollte man sich mit dem Buch beschäftigen, denn es enthält in konzentrierter Form ein paar sehr wichtig Fragestellungen. Und ja, es ist wichtig, die Kulturförderung ja unser gesamtes Kultursystem immer wieder zu hinterfragen. Es ist wichtig, weil wir dafür öffentliche Mittel verwenden, d.h. es gibt Menschen, die arbeiten und von ihren Einnahmen etwas abgeben müssen, damit Kulturförderung möglich ist. Kulturförderung ist etwas gutes und wichtiges aber sie ist auch ein Geschenk derer, die durch ihre Steuern dafür zahlen. Kulturförderung ist kein Anspruch. Des weiteren ist natürlich wichtig zu hinterfragen, ob die Kulturförderung ihren Zweck überhaupt erfüllt. Was ist wenn wir uns geirrt haben? Was wäre wenn wir feststellen, dass Theater der falsche Weg ist aber Computerspiele die wahren Kulturinhalte sind – oder umgekehrt? Was ist wenn wir feststellen, dass es Kulturformen gibt, die viel bedeutender sind als alles was wir auf dem kulturpolitischen Radarschirm haben? Kann Kultur unsere gesellschaftlichen Probleme lösen? Kann Kulturförderung die Probleme der Kulturschaffenden lösen? Hat Kulturförderung überhaupt etwas erreicht? Und wenn ja – was?

Kommerzialisierung
Wenn man sich durch das Buch durcharbeitet merkt man: es ist ein wütendes Buch. Es ist vor allem eine Generalabrechnung. Es ist der Kultursektor als Ganzes der am Pranger steht. Und natürlich kann man in vielen Analysen und Fragestellungen zustimmen. Natürlich gibt es nachwievor im öffentlichen Kultursektor eine große Abneigung gegenüber dem Kommerziellen. Natürlich gibt es den Mythos des armen Künstlers. Natürlich gibt es die Anfeindungen gegen erfolgreiche Künstler – ganz egal in welchem Bereich sie tätig sein. Diese Abneigung hat aber nicht nur kulturpolitische Folgen. In vielen Bereichen des kulturellen Lebens vor allem in der digitalen Welt gibt es starke kommerzielle Konkurrenten. Google, Amazon, EA und Co. werden immer mehr zu Kultur- und Wissensvermittlern. Das hat nicht nur etwas mit finanziellen Ressourcen zu tun. Vielmehr verfügen diese Unternehmen über Strukturen sowie Denk- und Arbeitsweisen, die den meisten öffentlichen Institutionen weit voraus sind. Ein Beispiel: Als Google mit seinem Buchdigitalisierungsprojekt begann wurde mal wieder der Untergang des Abendlandes prophezeit. Als Antwort sollten nun die großen Bibliotheken, Museen und Archive eigene Projekte aufbauen. Die BSB in München entschied sich jedoch dafür, mit Google zu kooperieren. Der Vertreter dieser in vielen Punkten wirklich beeindruckenden Institution wurde daraufhin auf einigen Tagungen nicht mit offenen Armen empfangen. Das Ergebnis war dann aber ein anderes. Selbst die Institutionen, die Google am lautesten verteufelten schlossen letztlich Verträge mit Google – das Unternehmen mag kommerziell sein, es weiß aber auch wie man so etwas macht. Man kann mit kommerziellen Unternehmen nicht nur zusammenarbeiten – man kann auch von ihnen lernen – dies gilt natürlich auch andersrum. Und natürlich darf man mit Kultur auch Geld verdienen. Ein wirtschaftlicher Erfolg macht ein Werk nicht besser oder schlechter. Dann sollte man aber nicht den Weg eines Wolfgang Thierse gehen, der die guten alten sozialdemokratischen Feindbilder und Traumata auslebte indem er in seinem Artikel für den Tagesspiegel von Plattmachen sprach und die Autoren mit Thilo Sarazzin verglich. Es bleibt zu hoffen, dass der Sarazzin-Vergleich kein neues Stilmittel zum Kleinhalten von Diskussionen im Kultursektor wird.

Kultur und Gerechtigkeit
Ebenso wichtig ist die Frage nach Gerechtigkeit. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum ein Kulturbereich mehr gefördert wird als ein anderer. Es gibt keinen Grund warum wir klassische Musik mehr fördern als Jazz oder warum wir Theater mehr fördern als Computergames etc. Es sind Entscheidungen, die in kleinen Gruppen getroffen werden. Klar ist aber auch, es gibt schlichtweg keinen Kulturbereich, der den Kulturschaffenden in der Breite ein vernünftiges Auskommen ermöglicht. Natürlich werden im Zuge der Kultur- und Kreativwirtschaft große Milliardensummen genannt – aber wo entstehen sie und wer kann davon profitieren? Nur weil die Gamesindustrie immer noch sehr viel Geld umsetzt, geht es nicht automatisch allen Gamesentwicklern gut. Nur weil es ein paar klassische Orchester gibt, geht es nicht alles klassischen Musikern gut. Es gibt längst einen Markt für Kulturförderung. Die einzelnen Marktteilnehmer konkurrieren nicht um Endkunden sondern um Fördertöpfe. Und um da ran zu kommen muss man kreativ sein – es könnte erklären, warum dem Bereich der Kultur immer neue Aufgaben aufgebürdet werden, die sie gar nicht umsetzen können. Es gibt quasi einen Anreiz neue Begründungen und Aufgaben zu definieren. In Berlin und vielen anderen Orten wird dann auch noch über die Wirtschaftsförderung Kultur gefördert – wieder mit anderen Begründungen und Erwartungshaltungen. Versteht mich bitte nicht falsch. Ich will nicht sagen, dass diese Herangehensweise komplett falsch ist. Im Gegenteil, auf diese Art und Weise muss sich Kultur immer wieder mit sich selber auseinandersetzen und neu erfinden. Ich behaupte nur, dass wir ein zu komplexes Konstrukt an Fördersysthemen haben, die letztlich gar nichts mehr bewegen können.

Menschenbilder – von Un-Lehrern
Natürlich gibt es die im Buch angeschriebenen Menschenbilder in vielen Institutionen. Man glaubt, Kultur macht bessere Menschen. Ich erinnere mich an Gespräche mit Orchesterleitern, die erklärten man müsse den Menschen beibringen wie man Wagner oder Mozart zu hören habe. Es geht sehr oft noch immer um das Thema Erziehung. Einige Institutionen weigern sich sogar die digitale Welt zu betreten bzw. zu gestalten, weil man ein Gegenmodell zum Digitalen darstellen möchte. Das ist eine nette Idee – sie funktioniert nur nicht. Wir erleben gerade in der digitalen Welt zwei sehr interessante Phänomene. Zum Einen glauben immer noch viele Kulturinstitutionen, sie hätten ein großen Einfluss auf die Menschen. Dabei müssen sie erleben, dass die Menschen und die kulturellen Inhalte längst Bestandteil der digitalen Welt geworden sind. Nur die Institutionen sind noch nicht Teil der Party – die übrigens schon läuft und bis jetzt sehr erfolgreich ist. Zum Anderen fürchten sich Institutionen dafür, die Deutungshoheit zu verlieren. In vielen Workshops und Gesprächen geht es immer um die Frage, wie man den den Verlust dieser so wichtigen Funktion verhindern könne. Das Problem ist: es gab nie eine Deutungshoheit. Die digitale Welt hat die Deutungshoheit nicht in Frage gestellt, sie hat gezeigt, dass es sie nie gab und sie nie gebraucht wurde.

Computergames sind (k)eine Lösung
Als eine vermeindlich neue und damit verbunden förderungswürdige Kulturform werden in dem Buch immer wieder die Computerspiele genannt. Und eigentlich müsste ich mich jetzt freuen. Endlich hat es einer kapiert – die Computergames sind die größte kulturelle Revolution. Endlich versteht jemand, dass es sich dabei um ein Kulturgut – gleichberechtigt mit Konzert, Oper oder Theater – handelt. Aber ich muss Euch enttäuschen. Denn so schön es ist, dass jemand dieses Thema auf die Agenda setzt. Es ist der falsche Ansatz. Computergames passen nicht in die klassische Kulturförderungsstruktur. Sie sind viel zu schnell, und zu innovativ. In klassischen Kulturinstitutionen hätte sich sowas wie Gaming gar nicht entwickeln können.

In der Regel wird das Thema Computerspiel auf der Ebene des ästhetischen Werkes diskutiert. Damit werden wesentliche Elemente ausgeblendet. Computerspiele haben einen ganz anderen Zugang zum Kunden/Nutzer/Gamer. Viele Kulturformen wollen für sich stehen. Dem Künstler kann es egal sein, ob jemand das Kunstwerk sieht oder begreift. Games funktionieren nur, wenn sie gespielt werden. D.h. das Design des Spiels muss den Gamer animieren es zu spielen. Es gibt quasi eine feste Anbieter-Kunden-Verbindung, bei der zudem das Werk an sich jeweils neu entsteht. Des weiteren gibt es einen viel größeren Einfluss seitens der Kunden auf das Werk. Aktuell gibt es z.B. eine sehr große Diskussion um Ende des Spiels „Mass Effect 3“. Die Gamer sind unzufrieden mit dem Ende un erwarten eine Änderung. In vielen Fällen wird dann ein neues Ende entwickelt. Welcher Theaterregisseur würde dies tun? Zudem gibt es bei einigen Games von den Nutzern generierte Weiterentwicklungen z.B. in Form von sog. Mods. Wo gibt es das noch im Kulturbereich?

Es gäbe noch eine Vielzahl an weiteren Beispielen, die zeigen, dass Games etwas völlig anderes sind. Denken wir nur an das sog. Case-Modding oder an die Tatsache, dass die Gamesconvention in Leipzig immer mit einem Konzert im Gewandhaus eröffnet wurde, bei dem die besten Musikstücke der im letzten Jahr erschienenen Spiele aufgeführt wurden. Denken wir an das Computerspielemuseum in Berlin oder die Tatsache, dass es Gamer sind, die im Rahmen des KEEP-Projektes die Langzeitarchivierung von digitalen Medien entscheidend beeinflusst hat. Zudem bleibt die Frage was soll gefördert werden und wie? Ein Spiel wie Crysis2 kostet ca. 140.000.000,00 $ – das heißt 2x Elbphilharmonie und dann war’s das:-) Oder wir fördern nur die kleinen Independent-Entwickler. Das würde natürlich sinnvoll sein – es ist m.E. vor allem die Indie-Szene, die im Gaming-Bereich völlig neue tolle Ideen entwickelt. Aber was ist, wenn jemand an einem USK18-Spiel arbeitet? Sollen nur noch angeblich pädagogisch wertvolle Games und/oder Games mit Themen die als kulturell besonders bedeutend angesehen werden, gefördert werden? Oder anders ausgedrückt: wäre die Förderung des Gaming-Sektors nicht besser bei der Wirtschaftsförderung aufgehoben? Andererseits, warum wird nicht der kanadische Ansatz zur Förderung von Computergames-Entwickler-Studios umgesetzt? Im wesentlichen handelt es dabei um eine Mischung aus massiven Steuererleichterungen, Infratstrukturmaßnahmen und der Ansiedelung bzw. dem Aufbau von Ausbildungseinrichtungen in der Nähe der Studios. Dieses Modell könnte auch für andere Kulturbereiche interessant sein. Was man nicht vergessen sollte: der Bereich Gaming funktioniert ohne Institutionen. Es geht um Risiko-Kapital und hochflexible Strukturen – oder anders ausgedrückt: das ist alles sehr sehr schnell. Immerhin: Nominiert für den Deutschen Computerspielpreis 2012 ist auch Crysis2. Ich bin gespannt ob Unser Kulturstaatsminister das Spiel ausprobieren wird:-) Auf jeden Fall können die Bereiche Kulturvermittlung und vor allem das Kulturmanagement sehr viel von der Welt der Computergames lernen.

Wir sind elitär
Kommen wir zurück zum Buch und seinen Inhalten. Die vier Autoren prangern sehr intensiv das vermeindlich elitäre Verhalten der Kulturinstitutionen an. Leider führen sie selbst eine äußerst elitäre Debatte. Sie veröffentlichen ein Buch in dem sie darauf hinweisen, das es völlig neue Diskussionsformen im Netz gibt – warum nutzen sie diese dann nicht? Das Buch ist m.E. für eine ganz kleine elitäre Zielgruppe gedacht. Es ist kein Buch, dass die Massen zum Nachdenken anregen möchte und es führt am Schluss eine Diskussion über Kulturförderung nicht über Kultur fördern. Man verschanzt sich hinter ein paar Statistiken und diskutiert über die Sichtweisen von Philosophen. Das klingt nett, es bleibt aber wie so oft in diesem Bereich eine Theorie-Diskussion für nette Rotweinabende und kleine Vendettas mit dem Kulturrat. Mehr passiert da nicht und das ist ärgerlich. Noch ärgerlicher ist, dass das Buch an Stellen pauschalisiert, wo dies absoluter Blödsinn ist. Und damit kommen wir zu meinem Gegenmodell…

Schlecht gebrüllt Löwe
Das Buch hat bei allen seinen Stärken zwei wesentliche Schwächen. Zum Einen wird so getan, als wäre der gesamte Kultursektor ein Haufen von konservativen, elitären und unbeweglichen Geldvernichtungs-Institutionen. Aber das stimmt nicht. Es mir auch egal, ob die Übertreibung oder Pauschalisierung ein anerkanntes Stilmittel bei Polemiken ist. Denn es gibt eine Vielzahl an Gegenbeispielen. Dafür muss man nur die Augen aufmachen. Das mag nicht in das Konzept des Buches passen, aber es wäre hilfreich gewesen. Es würde auch der Kernaussage des Buches nicht schaden, wenn man auf ein paar positive Beispiele verweisen würde. Es ist doch egal ob nun alle Institutionen oder nur 70% einen Innovationsbedarf haben. Ok, dann gibt es weniger Rotwein-Diskussionen aber dann würde das Buch auch irgendetwas bringen. Ebenso hätte ich gerne eine Antwort auf die Frage, welche der beschriebenen Probleme auch in anderen Gesellschaftsbereichen zu beobachten sind. Zum Anderen vergisst das Buch den wichtigsten Faktor in diesem Spiel: Die Menschen. Ich meine damit nicht eine pseudo-soziale Menschenliebe. Aber in keinen Satz kommen die Mitarbeiter der Institutionen vor. Dabei sind sie es, die diese Institutionen gestalten und verändern können. Ich arbeite vielleicht nicht in irgendeinem geschlossenen Institut. Ich arbeite mit den Teams in den jeweiligen Institutionen und diese Menschen sind die stärkste Waffe wenn es darum geht einen Wandel zu beginnen. Natürlich gibt es auch dort viele Menschen, die keinen Wandel wollen, die an den beschriebenen konservativen und elitären Muster hängen und sich gegen alles neue wehren. Aber es gibt ebenso eine Vielzahl an Menschen, die sich auf den Weg machen und ihre Institution umbauen. Das ist nicht immer einfach, es ist manchmal auch anstrengend aber es ist eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Spiel. Ebenso unterschlagen werden die vielen Initiativen, in denen sich Menschen aus Kulturinstitutionen zusammentun um etwas zu ändern. Warum wird der Verein Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung e.V. nicht erwähnt? Warum schreiben die Autoren nicht über die stARTconference? Warum wird nicht über die verschiedenen Barcamps berichtet? Und es gibt noch viel mehr solche Aktivitäten! Zumindest Pius Knüsel weiß von allen diesen Aktivitäten – er war Teilnehmer in einem meiner Workshops:-)

Kultur kürzen – aber richtig:-)
Ich habe im ersten Teil meines Beitrags zu ein paar Gedanken aus dem Buch Stellung genommen. Nun möchte ich einen Schritt weitergehen und ein Gegenmodell zur Diskussion stellen. Es ist eine Idee, die auf meinen praktischen Erfahrungen basiert. Es ist keine Theorie. Es mag kein Weg für alle Kulturbereiche sein. Es ist sicherlich zu variieren. Es ist ein offenes Modell. Es soll niemanden beleidigen sondern es soll einen praktischen Ansatz aufzeigen. Wie schon beschreiben gehe ich davon aus, dass der Schlüssel zu Erfolg die Mitarbeiter sowie die Strukturen in den Institutionen sind, d.h. hier möchte ich ansetzen.

Auch ich möchte kürzen – aber in einem anderen Bereich. Ich schlage vor, dass wir alle kulturellen Aktivitäten der Institutionen etc. für 5 Jahre um 10% – 15% kürzen. Was bedeutet das? Die Institutionen behalten ihre finanziellen Zuwendungen und fahren die Aktivitäten um 10% – 15% runter. Dieses Runterfahren ist freiwillig. Ziel dieser Aktion ist es, Freiraum für Innovationen zu bekommen. Dies müsste natürlich mit Trägern etc. abgesprochen werden. Diese 10% – 15% sollen für die Weiterentwicklung der Institution genutzt werden. In einem nächsten Schritt nehmen wir 150 Institutionen aus unterschiedlichen Bereichen, unterschiedlicher Größe und Rechtsformen und werden diese innerhalb von 3 Jahren als Innovationsleuchttürme ausbauen. Die Institutionen werden nicht ausgesucht, sie müssen sich bewerben. Freiwilligkeit ist ein sehr wichtiges Element. Ziel ist es, aus möglichst allen Bundesländern Institutionen aus verschiedenen Sparten zu haben. Der Aus- und Umbau erfolgt in mehreren Schritten. Dazu gehören auch Fortbildungen, Workshops, Besuche von anderen exotischen Kulturbereichen wie z.B. der Gamescom. Alle Bereiche der Institutionen werden dabei untersucht und gegebenenfalls weiterentwickelt. In diesen Institutionen werden nach 1,5 Jahren speziell ausgebildete Kulturmanager aktiv werden. Diese Kulturmanager haben die gleichen Kompetenzen hinsichtlich Programmstruktur bzw. Produktpolitik etc. wie die künstlerische Leitung. D.h. der Einfluss des Kulturmanagers wird massiv erweitert. Die Mitarbeiter der teilnehmenden Institutionen bekommen zudem die Möglichkeit eines interdisziplinären Austauschs zwischen den Institutionen.

Die Aufgaben der Institutionen werden neu definiert. Sie fungieren in der Zukunft vor allem als Plattformen. Wo möglich werden Kulturbereiche miteinander vernetzt. Warum nicht im Foyer eines Opernhauses vor und nach einer Wagner-Aufführung „World of Warcraft“ oder „The Elder Skrolls“ spielen? In der Deutschen Oper Berlin gibt es sehr oft sehr moderne Bühnenbilder und Inszenierungen – warum dieses Erlebnis nicht erweitern? Warum nicht wo immer möglich Coworking-Areas einrichten?

Neben den 150 Innovationsleuchttürmen untersuchen wir die anderen Institutionen hinsichtlich der Frage, was sie leisten können. Kleine Institutionen werden zu Clustern vernetzt. Die Leuchttürme werden zu regionalen Innovationsträgern bzw. Innovationslabors.

Wir verkleinern die Anzahl der Kulturmanagement-Studiengänge um 50% entwickeln die verbleibenden Studiengänge weiter. Ebenso untersuchen wir alle anderen Ausbildungsangebote im Kultur- und Bildungssektor hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die Lernenden überhaupt auf die berufliche Zukunft vorzubereiten.

Kulturinstitutionen in der digitalen Welt
Die kulturelle-digitale Infrastruktur in Deutschland ist in der Breite immer noch ein Trauerspiel. Ich hatte in einem anderen Beitrag ein paar Vorschläge gemacht, die ich hier nochmal zur Disskussion stellen möchte:

  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Mitarbeiter in Kulturinstitutionen mit der digitalen Welt vertraut gemacht werden
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollte jede Kulturinstitution kostenloses WLAN für die Kunden anbieten
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Kulturinstitutionen zusammen mit weiteren Partnern Schulungsangebote im Bereich Web 2.0 für Ihre Kunden anbieten
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Institutionen einen eigenen, freien Internetzugang haben
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Studenten im Bereich Kultur im Grundstudium ein Einführungsseminar zur Nutzung der digitalen Welt bekommen. Zudem sollte Social-Media zur Querschnitssfunktion der Ausbildung werden
  • Ab dem Jahr 2016 sollten keine neuen Mitarbeiter in öffentlichen Kulturinstitutionen eingestellt werden, die nicht über ein fundiertes Wissen zum Thema „digitale Welt“ verfügen
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten alle Kulturinstitutionen mit aktiven digitalen Angeboten starten.
  • Innerhalb der nächsten 5 Jahre sollten 20% aller digitalen Aktivitäten zusammen mit anderen Gruppen wie z.B. Unternehmen aus der Gamesindustrie entwickelt und realisiert werden
  • In den nächsten 3-5 Jahren sollten mindestens 25% aller Mittel für kulturelle Infrastruktur in die digitale Infrastruktur investiert werden
  • In den nächsten 5 Jahren sollten bundesweit Innovations-Labore für Kultur- und Bildungsinstitutionen entwickelt werden. Diese Labore (mindestens 20) haben u.a. die Aufgabe, Innovationsmanagement zu betreiben.
  • Bis zum Jahr 2019 sollte eine bundesweite Zukunftsstrategie für die Kultur- und Bildungsinstitutionen entwickelt werden, die die Institutionen in die Lage versetzt, auf zukünftige Herausforderungen (Web 3.0, virtuelle Welten etc.) nicht nur zu reagieren sondern diese aktiv zu gestalten.

Wie gesagt, mir ist absolut klar, das dieses Konzept mit Sicherheit Schwächen hat. Es mag sein, dass es in vielen Bereichen nicht funktionieren kann. Es kann sein, dass viele Fragen damit unbeantwortet bleiben. Dies ist mir bewusst. Dieses Modell wäre aber ein praktikabler Ansatz. Und ich kann sagen, dass sowas schon getan wurde – ich war selber dabei. 28 Institutionen auf ihrem Weg in die digitale Welt bzw. in ihre neue Aufgabe als Lernort. Nicht alle Elemente kamen darin vor, aber die Grundidee, sich auf die Menschen in den Institutionen zu fokussieren war erfolgreich. Der von mir in diesem Beitrag beschriebene Ansatz würde natürlich eine viel größere Zahl an Experten benötigen, aber all das ist umsetzbar.

Dieser Weg ist anstrengend. Er würde bedeuten, dass sich für die Kulturpolitik völlig neue Aufgaben ergeben. Es bedarf die Aktivierung vieler. Und man könnte sofort damit anfangen.

Und: Wenn dieser Weg nicht klappt können wir immer noch über das mit Fähnchen nachdenken:-)

Beste Grüße

Christoph Deeg

12 thoughts on “Der Kulturinfarkt – ein Kommentar und ein Gegenmodell

  1. Hallo Christoph,
    ja, das meine ich auch: Wir sind gar nicht so weit auseinander und letztendlich auch gar nicht so weit von den Kulturinfarkt-Thesen entfernt – deshalb habe ich so auf die „Unklarheiten“ in Deiner Argumentation hingewiesen. Ich habe den Kulturinfarkt nämlich so gelesen, dass umverteilt werden soll, um die Kultur weiterzuentwickeln – also kein Widerspruch zu Deinem Ansatz? Aber ich gebe Dir recht: Im ersten Moment hört sich „Umverteilung“ nach typisch „Deutsch“ an: Probleme werden nur verschoben – das sollte es natürlich nicht sein…
    Schöne Grüße,
    Simon

  2. Lieber Christoph, Dein Kommentar bestärkt mich, dass ich Dich richtig verstanden habe. Ich verstehe nur eins nicht: Zu Beginn schreibst Du sympathischerweise, dass Du von der Hochkultur-Unterscheidung nichts hältst und sowohl Jazz, Oper, Games, Konzerte, Theater in einen Top wirst und alles für Dich „Kulturgut“ bzw. „Kulturgüter“ sind. Nun sagst Du jedoch, dass es für einen Teil der Kulturgüter (Games) staatliche Förderung „konterproduktiv“ wäre, es aber für andere Kulturgüter (Oper, Theater) eben nicht so ist. Hier führst Du wieder eine Unterscheidung ein, es muss also in Deinem Ansatz doch mindestens zwei Typen von Kulturgütern geben, denn wie Du nun selbst schreibst sind Games eben doch etwas anders als Oper oder Theater („Kultur 2.0“). Das widerspricht Deiner Aussage im ersten Absatz, alles seien „Kulturgüter“. Man könnte diesen Widerspruch umgehen, in dem man folgendes sagt: Beim Kulturgut Computerspiele vermuten wir, dass staatliche Förderung „konterproduktiv“ ist, deshalb ist ebenso zu vermuten, dass staatliche Förderung auch „konterproduktiv“ für das „Kulturgut“ Oper oder Theater ist. Oder eben: Für Kulturgüter ist staatliche Förderung nicht Kontraproduktiv, für Games jedoch schon, deshalb ist zu vermuten, dass Games kein Kulturgüter sind. Zwei Gedankenexperimente – da ich mich „nur“ als Casual-Gamer bezeichnen würde kenne ich das nicht so aus wie Du, tendiere aber doch zu ersterem.
    Schöne Grüße,
    Simon
    P.S.
    Ach so, die Postmoderne ist doch nur eine „Nische“ ;)

    1. Lieber Simon,

      das wird jetzt spannend. Aber eigentlich sind wir gar nicht so weit auseinander. Das was ich über Kulturförderung und Gaming sage, gilt natürlich letztlich auch für alle anderen Kulturbereiche. Die Games sind quasi das Beispiel. Soll heißen, ich glaube, dass Kulturförderung auch in anderen Bereichen kontraproduktiv wirken kann. Die Frage ist jedoch die, wie wir darauf reagieren. Die vier Autoren sagen, dass wir eine Umverteilung brauchen. Ich sage, dass wir keine Umverteilung von Mitteln sondern eine Weiterentwicklung bzw. eine Professionalisierung des Systems brauchen. Anders ausgedrückt: Wenn wir umverteilen ändert sich doch nichts im System. Umverteilung sorgt doch nicht für den Abbau von Hierarchien. Umverteilung sorgt nicht dafür, dass z.B. Träger ihren Institutionen den freien Zugang zum Internet ermöglichen. Umverteilung sorgt auch nicht dafür, dass die Mitarbeiter im Kulturbereich, die etwas ändern können den notwendigen Support bekommen. Umverteilung ist letztlich typisch Deutsch;-) (ok etwas pauschalisiert und übertrieben) Kulturgüter werden nicht Kulturgüter weil sie gefördert werden. Förderung hat nichts mit der Frage zu tun, ob etwas ein Kulturgut oder nicht – zumindest nicht in der Lebensrealität der Menschen. Wenn etwas gefördert wird ist es auch nicht besser als etwas was nicht gefördert wird. Natürlich unterscheiden sich Kulturgüter teilweise erheblich – das macht sie aber nicht besser oder schlechter sondern nur anders.

      Beste Grüße Christoph

      PS: Wenn Du verstehen willst was ich mit „Nische“ meine, dann komm dieses Jahr mit mir zur Gamescom:-)

    2. Lieber Simon,,

      noch ein kleiner Nachtrag: es geht doch eigentlich gar nicht um Kulturförderung sondern um die Art und Weise wie wir mit Kultur umgehen, arbeiten, denken. Mir ist ehrlich gesagt egal, wie, was, wann gefördert wird. Es geht m.E. darum, zu überlegen wie wir das ganze System Kultur in allen seinen Facetten weiterentwickeln können.

      Beste Grüße

      Christoph

  3. Hallo Christoph,

    interessanter Beitrag – aber ich meine, hier purzelt Einiges durcheinander. Um es an dem Beispiel „Computerspiele“ festzumachen: Games sind für Dich ein „Kulturgut“ wie Konzerte, Opern und Theater – Du möchtest aber nicht, dass Games zukünftig von der Kulturförderung profitieren. Deine Begründung dafür ist (nebenbei bemerkt) nahezu identisch mit einem Gedankengang im Kulturinfarkt: Förderung führt zu Trägheit. Aber jetzt zurück zu dem Punkt, bei dem ich den größten Widerspruch sehe. Möglich wäre: „Games sind Kulturgüter, Kulturgüter sollen in Deutschland gefördert werden, Games sollen deshalb ebenfalls gefördert werden“. Alternativ wäre denkbar: „Games sind keine Kulturgüter, nur Kulturgüter sollten in Deutschland gefördert werden, deshalb sollten Games nicht gefördert werden“. Oder sogar: „Kulturgüter sollten in Deutschland nicht gefördert werden, deshalb wir auch das Kulturgut Computerspiel nicht gefördert.“ Aber Deine Variante macht leider keinen Sinn, oder?

    Schöne Grüße,

    Simon

    P.S.

    Btw. Mods haben letztendlich ihren Ursprung im Kulturbereich, man denke an die Collage oder den Remix.

    1. Lieber Simon,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Allerdings glaube ich, Du hast mich völlig falsch verstanden, oder aber ich habe mich falsch ausgedrückt. Lass mich dies kurz an Deinen beiden zentralen Aussagen erläutern:

      Mit der Frage, ob Games überhaupt in den Genuss der Kulturförderung kommen sollten meinte ich nicht, dass die Games dadurch träge werden könnten. Vielmehr geht es mir darum, dass die Kulturförderung in Ihrer jetzigen Form nicht kompatibel mit der Welt des Gamings ist. Würde es Kulturförderung in der Breite für Computergames geben, würde damit z.B. auch eine Diskussion über kulturell wertvolle und kulturell weniger wertvolle Games beginnen – was kontraproduktiv wäre. Zudem ist die Gaming-Welt eine kommerzielle Welt und die Kulturförderung würde nun eine neue und zugleich schwache Finanzierungs-Variante beginnen. Die Welt des Gamings besteht aber nicht nur aus den Spielen als Werken. Sondern es geht um eine Vielzahl an Nutzungsformen und Erweiterungen. Die Welt des Gamings umfasst nicht nur die Spiele sondern auch den Umgang damit. Diese einzelnen Facetten sind voneinander abhängig, d.h. Gaming ist quasi Kultur 2.0 :-) Aber: Gaming dient in diesem Beitrag nur als ein Beispiel.

      Meine Kritik an dem Buch ist die, dass die Frage wen oder was ich fördere m.E. in die falsche Richtung geht. Es muss vielmehr darum gehen, Kulturinstitutionen, Kulturvermittlung, Kulturmanagement, Kulturmarketing weiter zu entwickeln bzw. neu zu denken. Ich plädiere deshalb dafür, nicht finanzielle Förderungen umzuschichten sondern die Institutionen, die vorhandenen Strukturen etc. zu professionalisieren. Wenn wir irgendwo Geld umschichten ändert sich doch nichts. Wir müssen runter an die Basis. Die Grundidee des Buches ist doch die, dass man Ressourcen für neue innovative Projekte, Institutionen und Kunstformen haben möchte. Deshalb sollen die Finanzströme umgeleitet werden. Mein Gegenmodell möchte die vorhandenen Systeme in die Lage versetzen, besser zu werden. Hierfür sollen sie die Möglichkeit bekommen 5 Jahre auf 15% ihrer Aufgaben zu verzichten – ohne dabei Geldmittel zu verlieren. Mit den frei werdenden Ressourcen können wir dann die Institutionen weiter entwickeln.

      Die zentrale Figur sind die Menschen, die in den einzelnen Kulturbereichen arbeiten. Und ganz viele von diesen Menschen wären bereit für einen Wandel – wenn sie dafür die Zeit, das Geld und vor allem die Freiheit bekommen. Wie es mit der Freiheit in vielen Kulturinstitutionen bestellt ist habe ich am Ende meines Beitrages aus dem Blickwinkel der digitalen Welt bzw. der digitalen kulturellen Infrastruktur beleuchtet.

      Ganz liebe Grüße

      Christoph

      PS: Collagen und Remixes sind nicht ansatzweise mit Mods oder Addons zu vergleichen. Mods und Addons sind elementarer Bestandteil der Gaming-Kultur. Remixes und Collagen sind eher Nieschenbereiche:-)

  4. Hochinteressant und spannend, Kompliment! – aber autorbedingt etwas „computerlastig“. Einen Teil der Kulturprobleme hat es auch schon zu Hilmar Hofmanns Zeiten gegeben….Und da hatte ich noch NULL Idee von WLAN o.ä.

    1. Lieber Herr Zalfen,

      vielen Dank für das Kompliment. Ich stimme Ihnen absolut zu: die Probleme gab es schon lange bevor es das Internet gab. Aber ist das nicht traurig, dass sich seitdem trotz aller Ansätze und Projekte anscheinend so wenig getan hat? Und natürlich ist es eine Argumentation aus meinen zwei im Anfang des Textes benannten Blickwinkeln und natürlich erhebe ich wie im Text erwähnt nicht den Anspruch, dass damit alles gelöst ist aber es ist ein konkreter Ansatz. Die digitale Welt oder vielmehr der Umgang mit diesem Phänomen, wenn man es so nennen will, zeigen m.E. wie gering die Fähigkeit der Institutionen ist, auf neue Herausforderungen einzugehen. Ich argumentiere aus meiner Lebensrealität heraus und diese Argumentation hat natürlich ihre Schwächen aber selbst wenn wir die digitale Welt für einen Moment vergessen bleibt die Grundidee meines Ansatzes: es ist ein Weg um die Kulturinstitutionen in der Breite und auf freiwilliger Basis zu bewegen bzw. zu aktivieren. Es geht um einen Wandel mit den Institutionen nicht gegen sie. Der Teil in dem ich die Änderungen bezüglich der digitalen Infrastruktur beschreibe soll nur an einem konkreten Beispiel zeigen, was sich im Welt der digitalen Welt ändern würde.

      Beste Grüsse

      Christoph Deeg

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