Die Bahn oder wie man Mitarbeitern den Fortschritt verweigert?

Liebe Leser,

heute möchte ich über eine Erfahrung berichten, die Ihr vielleicht so oder so ähnlich auch schonmal gemacht habt. Vor ein paar Wochen war ich in Bonn und habe dort einen zweitägigen Workshop zum Thema Social Media für die Kulturpolitische Gesellschaft (KUPOGE) durchgeführt. Im Anschluss an den Workshop wollte ich mit der Bahn nach Hildesheim fahren um dort am nächsten Tag an der Universität Hildesheim ein Studentenprojekt zum Bundeskongress der KUPOGE zu leiten.

Ich werde jetzt nicht über all das schreiben, was mir an der Bahn nicht gefällt. Alle die, die mir vor allem bei Twitter folgen wissen, dass ich zumindest im letzten Jahr scheinbar alle Verspätungen, Ausfälle uns sonstige Katastrophen mitnehmen musste. Und trotzdem fahre ich gerne Bahn – ich könnte diesen Artikel nämlich nicht schreiben, wenn ich ein Auto steuern müsste. So sitze ich im Zug und kann arbeiten:-) Und es schont die Umwelt…

Was aber ist nun in Bonn passiert? Auch an diesem Tag war mein Zug plötzlich mehr als 45 Minuten verspätet. Ich stand also am Bahnsteig und wusste, dass ich meine Anschlusszüge nicht erreichen würde. Was tut man in diesem Fall? Man geht zum Service-Point und fragt nach Alternativen. Ich bekam eine neue Reiseverbindung ausgedruckt – es war die gleiche Verbindung nur eine Stunde später. Na toll, eine Stunde später in Braunschweig bei meinen Freunden ankommen. Und ich war schon sehr müde. Kurz bevor ich also in die S-Bahn genauer gesagt Strassenbahn stieg, hatte ich die logische Idee, einfach mal die App der Bahn aufzurufen. Das Ergebnis war faszinierend. Es gab eine Verbindung, die ich nutzen konnte und bei der ich nur 10 Minuten später in Braunschweig ankommen würde. D.h. die App der Bahn wusste es besser als die Mitarbeiter der Bahn. Ich habe mich also fleißig bei der App bedankt – leider ohne Reaktion:-)

Wenig später musste ich in Köln umsteigen. Hier wurden aber die Gleise geändert von denen man abfahren sollte. Ich fragte also einen anwesenden Mitarbeiter der sofort in seinem Smartphone nachschaute. Und was nutzte er? Richtig: die App der Bahn.

Warum schreibe ich das alles? Ich denke, dieses Beispiel zeigt, wieviel Potential bei der Nutzung moderner Technologien in Unternehmen und auch Institutionen verschenkt wird. Es macht mir nichts aus dass ich vielleicht manchmal „mehr weiß“ als ein Mitarbeiter der Bahn. Aber kann es sein, dass man es versäumt hat, die Nutzung der Technologien in ein Dienstleistungskonzept einzubetten? Ich wäre schon glücklich, wenn man mir neben der falschen Auskunft bereits am Service-Point empfohlen hätte auch die App zu fragen.

Die Bahn bietet eine App an, die ich sehr gerne und oft nutze. Aber was tut sie, um ihre Mitarbeiter Teil dieser Technologie bzw. dieser Kultur werden zu lassen? Traut die Bahn ihren Mitarbeitern die Nutzung dieser Technologien bzw. das Verständnis der dahinter stehenden Kultur nicht zu?

Ein Beispiel wie man es besser machen kann hat mir vor längerer Zeit ein Freund aus der Schweiz erzählt. Er war in der Schweiz unterwegs und auch sein Zug kam zu spät. Er twitterte die Verspätung und nutzte den hashtag #sbb für die Schweizer Staatsbahn. Wenige Minuten später wurde er via Twitter gefragt, in welchem Zug er denn sitzen würde. Nachdem er diese Information getwittert hatte wurde ihm wieder über Twitter erklärt, was schief gelaufen war und man bat um Entschuldigung. Die SBB scheint also Twitter zu scannen um sofort auf etwaige Probleme reagieren zu können. Auch wenn die Verspätung an sich nicht geändert werden konnte. Die Wahrnehmung beim Kunden war nun eine völlig andere.

Was kann man daraus lernen? Es reicht meiner Meinung nach nicht aus, einfach eine interessante App oder einen neuen Onlineservice anzubieten. Man sollte immer auch überlegen, wie man das neue Produkt in die tägliche Arbeit bzw. die Kultur des Unternehmens oder der Institution integrieren kann. Nehmen wir als Beispiel ein Museum. Wenn ein Museum eine spannende App oder eine interessante Facebookseite hat, sich aber ansonsten nicht weiter entwickelt, wird es wahrscheinlich keinen nachhaltigen Erfolg geben. Das neue Angebot verspricht etwas, was im Alltag nicht eingehalten werden kann. Was nützt mir ein tolle App, wenn ich im Museum mein Handy ausschalten soll und/oder es kein offenes und kostenloses WLAN gibt? Was nützt mir ein Twitteraccount, wenn ich auf Fragen und Nachrichten bei Twitter keine Antworten seitens des Museums bekomme?

Der Erfolg von Onlineaktivitäten hängt nicht nur vom Verständnis einer Technologie und dem Bereitstellen von Ressourcen ab. Es geht vielmehr um die Frage ob ich als Unternehmen oder Institution Teil dieser neuen Kultur werden will.

Euer Christoph

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