Die Legende vom Konkurrenzkampf zwischen dem Realen und dem Virtuellen

Liebe Leser,

am letzten Wochenende war ich als Referent zum 56. Kulturpolitischen Kolloquium an der Evangelischen Akademie in Loccum eingeladen. In meinem Vortrag ging es um die Zukunft der kulturellen Infrastruktur im Zeichen der Digitalisierung.

Die drei Tage waren sehr spannend. Ich habe mit vielen Menschen über den Einfluss des Web 2.0 und der Computerspiele auf die Kulturpolitik und die Kulturinstitutionen diskutieren können. Ich werde meine Eindrücke und Rückschlüsse in die nächsten Beiträge einfließen lassen. Heute möchte ich über ein Missverständnis bzw. eine Legende sprechen, die auch in Loccum immer wieder thematisiert wurde.

Anscheinend gehen sehr viele Menschen davon aus, dass es eine Art Konkurrenzkampf zwischen dem Realen und dem Virtuellen geben würde. Das Virtuelle würde versuchen das Reale abzulösen. Ich sehe diese Trennung nicht und möchte kurz zwei Punkte ansprechen, die dies meiner Meinung nach bestätigen:

1. Die Wahrnehmung der Menschen
Für mich persönlich gehört sowohl die reale als auch die virtuelle Welt zu meiner kulturellen Identität bzw. gelebten Realität. Ich trenne nicht zwischen einer Opernaufführung und einem Computerspiel. Beides hat für mich die gleiche Wertigkeit. Beides genieße ich. Beides ist mir wichtig und ich würde weder auf die virtuelle noch auf die reale Kultur verzichten wollen. Und wenn ich ein virtuelles Computerspiel spiele, und es gewinne, freue ich mich in der realen Welt.

2. Menschen wissen um die Defizite bestimmter Onlineanwendungen
Nehmen wir das Beispiel Chatten. Viele Menschen chatten miteinander. Chatten ist textbasierte Kommunikation. Ihr fehlen bestimmte Bereiche der face-to-face-Kommunikation. Die Körpersprache, die Mimik etc. dies alles fehlt. Die Menschen sind sich meiner Meinung nach darüber bewusst. Wie sonst ließe sich erklären, dass sie so etwas wie die Smileys erfunden haben ;-) um einen Weg zu finden, zumindest in abgeschwächter Form Emotionen zu übertragen.

Sehr oft höre ich das Argument, die Kulturinstitutionen und/oder Unternehmen sollten die Menschen vor der digitalen Welt beschützen. So als könnten/sollten sie eine Alternative zum Digitalen entwickeln. Ich denke jedoch, dass Kulturinstitutionen und Unternehmen versuchen sollten, Teil unserer Lebensrealität zu sein und diese besteht bei immer mehr Menschen aus dem Realen und dem Virtuellen.

Einen Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden Welten sehe ich allerdings nicht. Geht es auch so?

Beste Grüße

Christoph Deeg

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