Die Sache mit Myspace

Liebe Leser,

heute möchte ich über eine der vielen Plattformen schreiben, bei der ich darüber nachdenke, in Zukunft nur noch wenig oder gar keine Aktivitäten zu starten: Myspace.

Wie bereits in meinem letzten Beitrag beschrieben habe ich festgestellt, dass ich bei über 80 Plattformen einen Account habe. Bei vielen dieser Plattformen stelle ich mir die Frage, ob ich sie noch weiterhin nutzen möchte. Den Prozess dieses „Onlinefrühjahrsputz“ möchte ich gerne online auf diesem Blog mit Euch teilen.

Myspace ist eine der ersten Plattformen mit denen ich gearbeitet habe. Der Grund hierfür war die Tatsache, dass ich zu dieser Zeit sehr viel Musik machte und Myspace eine scheinbar ideale Plattform für Musiker bzw. Künstler zu sein schien. Genauer gesagt war sie ursprünglich genau dafür entwickelt worden. Wie der Name schon sagt bekommt man mit Myspace ein kleines Stückchen Internet zur mehr oder weniger freien Gestaltung. Wie bei den meisten anderen Plattformen auch muss man zuerst einen Account anlegen. Dabei muss auch entschieden werden, ob ich ein privates oder ein Musikprofil haben will. Damit verbunden ist das Entwickeln eines passenden Profilnames. Auf diesem Weg entstand auch mein „Künstlername“ crocksberlin. Eigentlich sollte der der Name bedeuten: Christoph rockt Berlin (C für Christoph; rocks für rockt und berlin für Berlin). Im Ergebnis hat man nun eine kostenlose Myspace- bzw. Internetseite zur Verfügung. Sie ist zu finden unter der URL von Myspace www.myspace.com und dem individuellen Seitennamen. In meinem Fall lautete die URL also www.myspace.com/crocksberlin (die Seite gibt es übrigens immer noch). Diese Seite kann man nun sehr einfach mit weiteren Inhalten füllen. Zum Einen ist es möglich, Fotos, Musik, Videos etc. direkt bei Myspace hochzuladen und sie dann auf der Seite zu präsentieren. Besonders interessant war für mich der Musikplayer. Ich konnte meine Eigenkompositionen online zur Verfügung stellen. Der Player ist einfach zu bedienen. Man muss nur den Track hochladen, wenn gewünscht ein dazugehöriges Foto einfügen, dem Titel einen Namen geben und dann noch entscheiden, ob die Nutzer den Titel nur anhören oder ihn auch runterladen können. Natürlich gibt es dann noch viele weitere Features: einen Blog, einen Veranstaltungskalender für eigene Konzerte usw.

Mein aktuelles Profil

Des weiteren kann man mit wenigen Schritten die eigene Myspaceseite designen und gestalten. Dies geschieht über den Editor der Myspaceseite. Man muss dafür keine Programmierkenntnisse haben. Es gibt dafür u.a. die Seite http://www.pimp-my-profile.com/ Hier erstellt man sein eigenes Design und kopiert es über den Editor in die Myspaceseite. Und natürlich kann man über diesen Weg auch andere Inhalte wie Youtubevideos einbetten. Das System funktioniert also letztlich so wie die meisten erfolgreichen Systeme im Web 2.0. Sie sind einfach zu bedienen, ermöglichen es, Inhalte auch von anderen Plattformen zu integrieren und man kann sie individualisieren.

Auf der anderen Seite ist Myspace eine Community mit nahezu den gleichen Möglichkeiten wie bei Facebook inkl. Statusmeldungen und Co. Hier kann ich also mit allen meinen (Myspace-)Freunden kommunizieren. Myspace gibt einem also die Möglichkeit, sowohl eine individuell gestalltete Website als auch eine interessante Community zu haben.

Nun also hatte man seine eigene Myspaceseite – große Freude, große Party und dann die Erkenntnis: und was kommt jetzt? Liest das jemand? Hört jemand meine Musik? Hallo da draußen in den Weiten des Internets wißt Ihr schon, dass ich eine Myspaceseite habe?

Es folgte also der nächste logische Schritt: Traffic erzeugen! Bei Myspace geht das eigentlich ganz einfach. Man kann wie bei vielen anderen Communitys auch Freunde adden. Und so tat ich das, was wahrscheinlich viele in diesem Moment tun – man added alles und jeden. Hauptsache viel Traffic und viele Freunde. Mit dem Begriff „Freunde“ ist in Online-Communitys natürlich etwas anderes gemeint als wenn wir untereinander Freunde sagen – ich weiß, dass dies vielen bekannt ist, jedoch gibt es in meinen Workshops immer wieder die Frage, warum man denn unbedingt „Freunde“ sagen muss und nicht z.B. „Kontakte“. Nun hatte ich also ein bißchen Freizeit und opferte sie dafür, wildfremde Menschen anzuklicken und sie einzuladen mein Freund oder meine Freundin zu sein. Das klappte erstmal richtig gut. Schnell waren einige hundert Freunde aus verschiedenen Ländern zusammen. Jedoch gab es nun ein weiteres Problem: was macht man nun mit diesen Freunden? In Communitys wie Myspace ist es völlig normal Freund von wildfremden Personen zu werden. Zumal viele Myspacenutzer sich sehr gerne nach außen darstellen:-) Dieser Kontakt ist aber äußerst schwach – und man kann nicht erwarten, dass daraus eine langjährige Onlineverbindung entsteht. Dafür muss man einiges tun. Anders ausgedrückt: auch hier wie in allen anderen Communitys geht es letztlich um Qualität der Beziehungen und nicht um Quantität. Es bringt für Künstler mehr, ein paar Freunde zu haben, die sich mit der eigenen Musik beschäftigen oder gar zu Konzerten kommen als eine Vielzahl an nett visualisierten Unbekannten.

Zwei Angebote, die ich auf Myspace gefunden habe, finde ich aber immer noch spannend. Zum einen gibt es das Projekt Livingatheist, die es sich zur Aufgabe machten, Musik auf Myspaceprofilen zu analysieren und zu kritisieren. Es gibt auch eine wöchentliche und eine monatliche Hitparade. Wollte man nun, dass der eigene Track von dieser Gruppe gecheckt wurde musste man ihr Freund werden. Die Gruppe hatte nämlich eine eigene Myspaceseite auf der dann auch die Kritiken veröffentlicht wurden. Auf diesem Weg wurde eine „Freundschaft“ auf Myspace plötzlich sehr sinnvoll. Es gab einen inhaltlichen Grund eine Freundschaftsanfrage zu verschicken bzw. positiv zu beantworten. Zudem besuchte man diese Seite wieder, um die Kritik über das eigene Werk zu lesen – und wenn diese Kritik gut war, dann versendete man den Link zu dieser Seite an Freunde und Bekannte. Heute verschickt man die Tracks via Mail an Living Atheist – die sich übrigens selber „interstellar music magnet“ nennen. Living Atheist haben einen Mehrwert geschaffen – sowohl für die Anbieter als auch die Konsumenten von Musik. Die Anbieter erfreuen sich nicht nur daran, die eigene Musik verbreiten zu können, Sie erhalten auch eine faire Kritik und in der Regel ein paar Tips – mir hat das damals bei dem von mir angemeldeten Track sehr geholfen. Dieser Mehrwert hat seit 2007 dafür gesorgt, dass diese Seite erfolgreich ist – und man im Laufe der Zeit ein eigens Label geründet hat. Das Projekt bekommt nämlich auf dieses Art und Weise Zugang zu einer Vielzahl an Musikstücken. Der Erfolg, so schreiben es zumindest die Mitglieder von Living Atheist auf ihrer Website, basiert darauf, dass man seit 2007 bewiesen habe, dass man Ahnung von Musik habe. Inwieweit Livingatheist heute noch aktiv sind kann ich nicht abschätzen. Zwar gibt es ihre Myspaceseite noch aber es scheint als würde im Moment nichts mehr passieren…

Ein anderes Angebot waren die Myspaceseiten von bereits gestorbenen Künstlern. So gab es Myspaceseiten von Mozart, Beethoven, Shakespeare etc. Diese Personen können natürlich keine eigenen Myspaceseiten haben – wobei ich glaube dass Mozart und Co. auf jeden Fall bei Myspace aktiv wären. Diese Seiten werden vielmehr von Interessierten Personen oder genauer Fans betrieben. Diese Herangehensweise finde ich klasse und sie ist sicherlich eine Möglichkeit, kulturelle Inhalte bei Myspace zu vermitteln – und damit ein Produkt anzubieten, welches auf Seiten der User einen Mehrwert schafft bzw. u.U. neue Kundengruppen erschließen könnte. In meinen Workshops bitte ich die Teilnehmer immer, sich bei verschiedenen Plattformen zu überlegen, was man als Institution oder Unternehmen damit machen könnte. Interessanterweise kommen alle Teilnehmer zu dem Ergebnis eine Myspaceseite für Ihre Institutionen bzw. ihr Unternehmen zu entwickeln aber nicht für einen anderen Inhalt. Dabei könnte man gerade auf diese Art und Weise sehr viele spannende Themen bearbeiten und sie zudem mit Aktivitäten aus der sog. realen Welt vernetzen:

Myspaceseite von Mozart

Myspaceseite von Johannes Brahms

Blog von Johannes Brahms

Bleibt die Frage, was habe ich nun gelernt?
Zum Einen ist es m.E. sehr wichtig, sich eine Zeit des Ausprobierens zu genehmigen. Ich denke, bevor man Zielgruppen definiert und Strategien entwickelt sollte man die jeweilige Plattform erstmal ausprobieren. Dabei sollte es aber nicht alleine um das Erlangen des technischen Verständnisses gehen. Vielmehr sollte überlegt werden, was man auf dieser Plattform machen kann, welche Menschen sich auf dieser Plattform tummeln und was diese Menschen hier wollen und tun. Hierfür muss es nicht gleich der offizielle Account sein. Vielmehr kann man für diese Periode einen sog. Trümmeraccount einrichten also einen Account den man nur zum Ausprobieren nutzt – ich habe sehr viele solcher Accounts und ich nutze sie immer wieder, wenn ich incognito neue Dinge lernen will oder das Onlineverhalten von Unternehmen und Institutionen testen will. Auf Basis dieser Erkenntnisse können dann Konzepte und Strategien entwickelt werden. Dabei sollte natürlich imer überlegt werden, ob man mit der Plattform überhaupt die eigenen Ziele erreichen kann oder nicht.

Zum Anderen muss man sich immer wieder vergegenwärtigen, dass es um Inhalte geht und nicht um Pseudonetzwerke. 100 Millionen Milliarden Freunde auf der einen oder anderen Plattform bedeuten schlichtweg nichts. Das Web 2.0 bedeutet Kommunikation und Dialog auf Augenhöhe. Ich bin im Internet nicht erfolgreich, wenn ich tausende von Freunden habe, sondern wenn ich mit den vorhandenen Kontakten kommuniziere und wir am besten gemeinsam etwas entwickeln können – ganz egal ob es sich dabei um eine Grillparty oder aber um das ENtwickeln eines neuen Geschäftsmodells oder aber um den Austausch wissenschaftlicher Inhalte geht.

Was mache ich nun mit Myspace?
Myspace ist eine Art CMS mit angedockter Community – zumindest würde ich es so beschreiben. Seit jeher gab es einen Wettkampf zwischen Myspace und Facebook. Als Musiker landete man eher bei Myspace – und natürlich war ich ein Jahr später auch bei Facebook. Es stellt sich für mich nun die Frage, ob ich mich von meinen Myspace-Accounts trenne. Zum Einen ist die Myspace-Community nicht so interessant wie bei Facebook. Bei Facebook habe ich mich auch mit viele realen Freunden vernetzt. Die Myspaceseite an sich erscheint mir auch nicht besonders wichtig. Den Bands mit denen ich im Bereich Social media arbeite rate ich ich immer öfter einen Blog zu starten. Es gibt aber auch keine Inhalte mehr, für deren Verbreitung ich Myspace gebrauchen könnte. Zwar mache ich noch Musik, jedoch werde ich dieses Tracks anders verteilen.
Myspace hat den Wettlauf mit Facebook verloren – das heißt keinesfalls das Facebook in Zukunft der einzige interessante Ort im Internet sein wird. Ich glaube vielmehr, dass Facebook in nicht allzu ferner Zukunft an Bedeutung verlieren wird. Jedoch muss auch ich mich zwischen Myspace und Facebook entscheiden und deshalb heißt es: Bye Bye Myspace…

Sollte Myspace als Plattform für kulturelle Inhalte wieder interessant sein, komme ich gerne wieder. Dabei geht es mir weniger um die Gesamtanzahl der User als vielmehr umd die Nutzungsmöglichkeiten. Nun aber möchte ich Euch fragen: Was denkt Ihr über Myspace? Habt Ihr es genutzt? Nutzt Ihr es noch? Was spricht Eurer Meinung nach dafür und was dagegen?

Beste Grüße

Christoph Deeg

2 thoughts on “Die Sache mit Myspace

  1. Kann diesem Artikel weitestgehend zustimmen! Besonders unangenehm empfand ich die zwangsweise Durchsetzung des neuen Myspace-Layouts, denn dadurch war die von mir mit viel Zeitaufwand erstellte Profilseite plötzlich völlig entstellt. Auch einge andere Features der neuen Version gefallen mir nicht, und damit stehe ich offenbar nicht allein. Nach langer Überlegung erfolgte dann die Anmeldung beim Gesichtsbuch, wo ich eigentlich gar nicht hin wollte…

    1. Lieber Wolfram,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich kann Deine Verärgerung über die damals erzwungene Designänderung sehr gut nachvollziehen. Zwar habe ich neulich gelesen, dass das neue Design bzw. die neuen Profile sehr beliebt sein sollen, jedoch war es vor allem für diejenigen unangenehm, die nicht jeden Tag bei Myspace sind. Ich gebe zu, ich freue mich, dass Du bei Facebook gelandet bist. Wobei mir auch klar ist, dass Myspace letztlich vergleichbare Community-Funktionalitäten bietet. Der Hauptgrund für mich bei Facebook zu sein ist der, das schlichtweg alle anderen Kontakte von mir ebenfalls da sind.

      Spannend finde ich auch XING und vor allem Plattform wie Mixxt, auf denen man sich seine eigene Community bauen kann. Hier habe ich sehr gute Erfahrungen machen können.

      Beste Grüße

      Christoph

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