Digitale Transformationsprozesse sind sehr komplex, brauchen Zeit und verbrauchen sehr viel Energie. Die Komplexität ergibt sich aber nicht aus den Technologien an sich. Im Zeitalter des KISS-Prinzips (KISS = Keep it stupid simple) sollte die Nutzung von Technologien kein komplexer Vorgang mehr sein. Die Komplexität ergibt sich aus den multioptionalen Funktionen der Technologien und ihren Auswirkungen auf die Kultur der Organisation. Das Internet ist menschlich. Digitalität ist ein Kulturmodell. Die digitale Transformation bedeutet also nicht den Austausch von Technologien, sondern die Entwicklung eines erweiterten kulturellen Optionsraums. Der Fokus liegt auf dem Menschen. Er hat die Digitalisierung geschaffen und wird durch sie weiterentwickelt.
Die Herausforderung ist jedoch die, dass ich Kultur nicht „produzieren“ kann. In der Logik der Produktion verbleibend, werden immer wieder Prozesse definiert, die die Mitglieder quasi umprogrammieren sollen. Es handelt sich im Input-Output-Szenarios und diese scheitern in den meisten Fällen. Der Eingriff auf die Kultur und Kreativität des einzelnen Individuums funktioniert nicht. Es müssen vielmehr kulturelle bzw. systemische Rahmenbedienungen geschaffen werden, die es den einzelnen Mitgliedern der Organisation ermöglichen, eigene Entwicklungspfade zu entdecken und zu gehen.
Transformation und Spiel
Ich kann Wandel wollen, ich kann ihn aber nicht planen. Hier ist die Schnittstelle zum Spiel zu finden. Ich kann nicht festlegen, wie es ist, sich zu transformieren. Ich kann nur Rahmenbedienungen schaffen, die es dem Individuum ermöglichen sich weiter zu entwickeln. Ich kann Spielen nicht planen. Ich kann nicht festlegen, wie es ist, ein Spiel zu Spielen. Spielentwicklung bedeutet nichts anderes als das Entwickeln von Rahmenbedienungen, von Optionsräumen, in denen sich die Spieler bewegen können. Sind diese Räume richtig entwickelt, motivieren sie die Spieler, sich darin zu bewegen, sie zu verstehen, zu lernen, sie zu verändern und sich selber weiter zu entwickeln. Somit sind Spiele nicht nur Vorlagen für „Spass in der realen Welt“. Sie sind vielmehr ein Spiegel für reale Prozesse. Aus diesem Grund habe ich das Konzept der „Gamified Transformation“ entwickelt.
Die Idee ist verhältnismäßig einfach. Ein realer Transformationsprozess soll durch Spielmechaniken weiterentwickelt werden. Dies geschieht auf zwei Ebenen. In der ersten Ebene wird der vorhandene Prozess aus der Perspektive des Spiels analysiert. Man nennt diesen Prozess auch „Game Thinking“. Der gesamte Prozess wird in die Logik eines Spiels übertragen. Die Fragestellung lautet: „Wenn dies ein Spiel wäre, würde es funktionieren?“ Auf diesem Weg können beispielsweise Ziel- und Feedbacksysteme, Entwicklungspfade und Optionsräume analysiert werden. Des Weiteren wird überlegt, wie man diesen Prozess abändern bzw. verbessern würde, damit er als Spiel funktioniert. Dadurch können z.B. Motivationsmuster angepasst werden. Die zweite Ebene ist die der Prozessunterstützung. Hierfür werden zuerst der reale Prozess bzw. die gesamte Organisation im Detail analysiert. Daran anschließend werden die Kernfunktionen des Transformationsprozesses definiert. Ist dies geschehen, werden die Mechaniken identifiziert, die die Kernfunktionen am besten unterstützen. Auf Basis dieser Kenntnisse wird dann ein umfassendes Prozessdesign für die Transformation der Organisation entwickelt.
Dieser Ansatz hat viele Vorteile. Durch den Einsatz von Spielmechaniken kann der Prozess „menschlicher“ gestaltet werden. Die Mitglieder der Organisation werden auf ihrem individuellen Weg unterstützt. Die Spielmechaniken definieren keinen neuen Prozess, sondern werden in vorhandene Strukturen und Abläufe integriert. Somit wird verhindert, dass der Gamification-Ansatz zu einem Fremdkörper wird, den man selbst noch erlernen muss. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass bereits laufende Transformationsprozesse durch Gamification erweitert werden. Gleiches gilt für die Möglichkeit weitere Beratungsansätze zu integrieren. Es ist also ein sehr flexibler Ansatz. Dabei sollte erwähnt werden, dass die Mitglieder der Organisation in der Regel gar nicht merken, das sie sich in einem „Spielumfeld“ bewegen. Es geht also nicht darum, einen Prozess bunter zu gestalten oder aber Punkte und Badges einzubauen.
Beispielprojekt – Projektskizze
Im Folgenden möchte ich ein real existierendes Projekt beispielhaft beschreiben. Die Daten wurden in Teilen leicht abgeändert, um die Geschäftsgeheimnisse meiner Kunden zu schützen. Der Prozess an sich wird aber so beschrieben, wie er auch real umgesetzt wird.
Ausgangslage war ein anstehender Transformationsprozess im Kontext der Digitalisierung. Kunde war eine Bank im deutschsprachigen Raum. Es gab bereits einen Beratungsprozess durch eine systemische Beratung. Die Idee der Gamified Transformation sollte den vorhandenen Prozess nicht ablösen, sondern diesen erweitern. Aus diesem Grund wurde ein Team bestehend aus Vertretern der Bank, Vertretern der Beratungsfirma und mir gebildet. In einem ersten Schritt wurden die aktuelle Situation der Organisation und die verschiedenen Transformationsansätze analysiert. Auf Basis dieser Daten konnte dann ein umfassendes Zielmodell für den Transformationsprozess entwickelt werden. Dabei kam u.a. heraus, dass das Thema Digitalisierung nur ein Aspekt der Transformation sein kann. Aus diesem Grund wurde festgelegt, dass der Prozess für Transformationen an sich funktionieren muss. Als nächstes wurden nun über 40 Meta-Kompetenzen definiert, die in der Organisation als ganzes vorhanden sein müssen. Wie sich diese Meta-Kompetenzen auf die Organisation verteilen und welche Effekte dies erzeugt, muss durch den Prozess definiert werden, es kann nicht vorgegeben werden.
Auf Basis dieser Daten habe ich ein erstes Modell entwickelt, welches sich u.a. um die Kernfunktion der „Veränderung der Wahrnehmung“ drehte. Dabei habe ich zuerst eine große Zahl an möglichen Spielmechaniken dahingegen analysiert, ob diese die Entwicklung der Kernfunktion unterstützen. Die Frage war also, welche Spielmechaniken den Prozess der Veränderung der Wahrnehmung aller Mitarbeiter der Organisation am besten unterstützen. Daran anschließend wurden die als passend definierten Mechaniken auf die vorhandenen Prozesse angewandt. Wenn eine Anbindung an die Prozesse möglich war, wurde eine Einbindung vorgenommen. Im Ergebnis entstanden eine Vielzahl an Pattern, die dann mit allen Projektpartnern zu einem Gesamtprozess zusammengefügt wurden. Dieser Prozess beinhaltete auch die Beratung und Begleitung der Führungskräfte sowie ein umfassendes Evaluationsmodell.
Wenn Sie mehr über diesen Ansatz wissen wollen, lesen Sie gerne meinen Blog oder kontaktieren Sie mich unter c.deeg@christoph-deeg.com