Liebe Leser*innen,
gestern bin ich von einer Workshopreise in Brasilien zurückgekommen. Es ist lange her, dass ich beruflich solche Reisen unternommen habe. Mit der Pandemie änderte sich meine Arbeitswelt völlig. Vor der Pandemie war ich viel im In- und Ausland unterwegs. Es gab viele Hotelübernachtungen und ich habe sehr viele Länder besuchen dürfen. Während, aber auch nach der Pandemie hat sich das weitreichend verändert. ca. 90% meiner beruflichen Aktivitäten finden im digitalen Raum statt. Das hat viele Vor- aber auch einige Nachteile.
Ein zentraler Vorteil ist die Flexibilität in meinen Prozessen und Projekten. Die Arbeit fokussiert sich nicht mehr auf umfassende Workshops, man kann kleinteiliger arbeiten, sich öfter – online – treffen und hat mehr Zeit für „individuelle Denkphasen“, da man immer wieder zusammenkommen kann. In einem Beratungsprojekt während der Pandemie konnte ich so die interne Revision einer großen Bank im Bereich Digitale Transformation beraten: anstatt drei bis fünf Tagesworkshops durchzuführen, haben wir uns über Monate 2x in der Woche für 15 Minuten online getroffen und haben offene Fragen und nächste Schritte definiert. Dafür musste ich im Vorfeld den gesamten Prozess sehr kleinteilig denken und mich sehr gut vorbereiten. Es wurden dann immer nur die nächsten Schritte oder auch Fragestellungen besprochen und das Team (insgesamt mehr als 100 Personen) konnte intern weiter diskutieren.
Ein weiterer Vorteil ist mit Sicherheit der Klimaschutz. Es gab Zeiten, da bin ich sehr viel geflogen und ehrlicherweise war dies nicht immer notwendig. Aber alle hatten sich an diesen Ablauf gewöhnt. Es war schlichtweg völlig normal. Heute diskutiere ich mit allen meinen Kunden, ob ein Flug wirklich notwendig ist und wie die Alternativen aussehen würden.
Privat ist so eine Workshopreise immer eine Herausforderung: meine Frau und ich, wir beide arbeiten in Vollzeit. Wir sind aber auch Eltern und möchten sehr viel Zeit mit unserer Tochter verbringen. Wenn ich zu Hause bin, können wir das zumeist gut managen. Ich arbeite dann öfter nachts, wenn die Tochter schläft und unsere ganze Familie (drei Generationen) arbeiten zusammen. Wenn ich aber unterwegs bin, fehlt diese Flexibilität und es ist für alle weitaus schwieriger, alles unter einen Hut zu bringen.
Es gibt aber auch Nachteile: digitale Formate – egal wie lebendig sie gestaltet werden – können ein gemeinsames Erleben im physischen, im realen Raum nicht ersetzen. Auch das Metaverse löst dieses Problem nicht. Zum einen „spüren“ wir die anderen Menschen im Digitalen nicht. Jeder Mensch sitzt in seinem/ihrem Raum. Wir teilen keinen Raum und wir erschaffen auch keinen Raum. Um Informationen weiterzugeben, um effizient Prozesse zu planen, kann der digitale Raum ein sehr wichtiges Werkzeug sein – wenn verstanden wird, wie dieser digitale Optionsraum funktioniert und wie man darin agieren kann. Aber es entsteht eben kein „sozialer Klebstoff“, kein ungeplanter Austausch, kein sich in die Augen sehen, kein sich zufällig treffen etc.
Insofern war es in diesem Fall gut und wichtig, dass ich vor Ort war: es ging um neue Formen der Zusammenarbeit, neue Konzepte und Ansätze für das Goethe-Institut in Südamerika. Ich kenne das Goethe-Institut sehr gut: ich habe sehr viele Projekte mit diesen tollen Menschen umsetzen dürfen und dabei in mehr als 25 Ländern gearbeitet. Dieses Wissen um das Institut (nebenbei bemerkt: das Goethe-Institut ist ein einzigartiges internationales Netzwerk) ist sehr hilfreich. Wir haben aber nicht einfach einen Workshop durchgeführt. Es gab viele Gespräche und ich habe in Teilen einfach nur zugehört, mir Gedanken gemacht und dann ein Feedback gegeben. Immer wieder kamen neue Fragestellungen hinzu und die vielen Perspektiven der Teilnehmenden waren sehr spannend.
Thematisch ging es um verschiedene Perspektiven auf Transformation und den Einsatz der „Transformativen Gamification“, also der Anwendung einzelner Spielmechaniken in komplexen Transformationsprozessen. Es entstanden viele spannende Ideen und ich hoffe sehr, dass wir diesen Weg gemeinsam weitergehen können.
Vielen Dank an das Goethe-Institut in Südamerika für diese sehr intensive und spannende Zusammenarbeit.
Herzliche Grüße
Christoph Deeg