Liebe Leser,
nun ist die Gamescom schon wieder fast eine Woche vorbei und ich komme erst jetzt dazu, diesen Beitrag zu schreiben. Es war wie in jedem Jahr: Ich hatte mir fest vorgenommen, jeden Tag von der Gamescom zu berichten. Und wieder einmal hat es nicht geklappt. Jeder Tag war voller Termine, Aktivitäten und Eindrücken, sodass man abends nur noch todmüde ins Bett fallen konnte. Zudem war diese Gamescom ein bisschen anders als die vorherigen, denn ich war mit meinem deutsch-äthiopischen Projekt „Chewata-Awaqi“ unterwegs.
Tag 1 auf der Gamescom – Gamification und Spieltrieb
Beginnen wir mit dem ersten Tag. Mein erster Tag auf der Gamescom begann mit dem Besuch des Startplatz. Dort holte ich mir ein Tagesticket denn ich brauchte einen Ort, um am Vor- und Nachmittag jeweils ein Webinar zur Nutzung von Gamification im Kontext der Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien durchzuführen. Es gab mehr als 600 Teilnehmer und es hat sehr großen Spass gemacht. Ich sprach über die Grundfunktionen von Gamification und den Ansatz, dass eine Unternehmensstrategie und ein Spiel-Design letztlich beide umfassende Frameworks darstellen, mit denen sich unterschiedliche Prozesse steuern lassen. Ein auf Spielmechaniken aufbauender Ansatz hat jedoch den Vorteil, dass er zum Einen ein viel klareres Ziel- und Feedbacksystem beinhaltet, und zum anderen sehr stark auf die „umsetzenden Personen“ fokussiert ist. Gamification kann zudem mit anderen Ansätzen kombiniert werden. In der Strategieentwicklung eignet es sich z.B. besonders in Kombination mit Design-Thinking. Aber auch vorhandene Management-Frameworks sind kompatibel. Ich denke, dass wir erst am Anfang einer neuen Stufe der Gamification stehen: der Anwendung im Kontext umfassender digital-analoger Gesamtstrategien bzw. der damit verbundenen Transformationsprozesse.
Gaming-Kultur
Daran anschließend ging dann auf die Gamescom. Meine beiden äthiopischen Kollegen Dagmawi Bedilu und Betlehem Anteneh waren natürlich auch mit dabei. Die beiden gehören zu meinem deutsch-äthiopischen Projekt „Chewata Awaqi“ welches bei dem Projekt „Gamify the city-future“ des Goethe-Instituts Addis Abeba entstanden ist. Zusammen haben wir das local-based-game „The battle of the times“ entwickelt. Und in den kommenden beiden Jahren werden wir diesen Ansatz in 14 afrikanischen Ländern umsetzen. Vielen Dank an das Goethe-Institut, die dieses Projekt ermöglichen. Zusammen haben wir uns die vielen Stände angesehen, Spiele ausprobiert und Kapuzzen-Shirts produzieren lassen, auf denen „Chewata Awaqi“ stand. Der erste Gamescom-Tag ist immer besonders. Die Messe ist geradezu leer. Man kann in Ruhe alles ausprobieren und Gespräche führen. Wichtig war vor allem ein Vergleich mit afrikanischer Gaming-Kultur. Dies betrifft z.B. die Ästhetik oder auch die verarbeiteten Inhalte bzw. Kontexte. Zudem hatte ich noch Vertreter aus anderen Kultur- und Bildungsbereichen bei mir, die ich über die Gamescom führte.
Am Abend ging es dann auf die Lounge-Party von Electronic Arts. Dieser Event ist der perfekte Ort, um die Eindrücke des ersten Tages zu verarbeiten. Und so nutzten wir die Zeit für Gespräche und Planung des nächsten Tages – dem Gamescom-Congress.
Tag 2 auf der Gamescom – der Gamescom-Congress
Der zweite Tag stand komplett im Zeichen des Gamescom-Congress. Es began mit einem großen Wiedersehen: Roman Rackwitz war auch auf dem Congress. Zusammen mit Jörg Niesenhaus führte er einige Live-Interviews durch, die in die Facebook-Gruppe „Spiel aber Ernst“ gestreamt wurden. Und natürlich wurden wir auch interviewt. Betty und Dagmawi sprachen über Chewata Awaqi und ich durfte mich über die Zukunft der Gamification unterhalten:
Aber damit nicht genug: Betty und Dagmawi stellten auf dem Congress auch Chewata Awaqi vor. Im Anschluss daran gab es viele spannende Gespräche und ebenso viele neue Kontakte. Betty war auch noch Teil eines internationalen Panels zum Thema „Making the world a better place“, bei dem es um die Nutzung von Games im Kontext von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen ging. Ich selber war Teil eines Gamification-Tracks. Es ging darum in fünf Minuten eine Idee für ein Problem im Kontext des ÖPNV zu entwickeln. Konkret ging es um eine U-Bahn-Linie in Berlin, die zu bestimmten Zeiten immer verstopft ist. Hier war die Frage, ob Gamification helfen kann, die Situation zu verbessern. Es gab drei verschiedene Speaker und drei sehr unterschiedliche Ansätze: Rut Lemmen hatte einen Community-Ansatz gewählt. Es war eine Mischung aus Social-Media und Gamification-Elementen. Jörg Niesenhaus hatte sich für eine technologische Variante entschieden. Im Kern ging es um eine Datensammlung zur passagierdichte im jeweiligen Wagen in Echtzeit inkl. der Kommunikation/Darestellung nach außen. Die wartenden Fahrgäste sollten so besser entscheiden können, ob und wen ja wo sie den Zug besteigen. Mein Ansatz bezog sich nicht auf das sofortige Fahren, sondern eher auf die Gründe für die Rush-Hour. Meine Theorie war, dass man zuerst herausfinden muss, ob und wenn ja wie, die individuellen Umstände der Fahrgäste geändert werden können. Es ging also um einen umfassenden Ansatz zur Verhaltensänderung.
besonders gefreut hat mich ein Interview mit der Sendung „Breitband“ des Deutschlandfunk Kultur. Ich sprach mit Marcus Richter über die Möglichkeit der strategischen Nutzung von Games und Gamification für die Kultur- und Wissensvermittlung und gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Dieses Interview hat mir sehr großen Spass gemacht – nochmals vielen Dank an Marcus Richter.
Leider wurden die ganzen spannenden Vorträge u.a. auch über die New Yorker Schule „Quest to learn“ nicht aufgezeichnet. Ich kann das nur schwer verstehen, denn so hat nur eine extrem kleine Gruppe Zugang zu diesem Wissen. Ich bin ein großer Fan des Gamescom Congress, aber in der heutigen Zeit, sollte das Aufzeichnen und Veröffentlichen der Vorträge ein Standart sein. Dies vor allem dann, wenn in den Vorträgen immer von „Games und Gamification als Innovationsträger“ gesprochen wird. Am Abend waren wir dann zuerst auf dem BBQ des Cologne Game Lab. Es gab tolle Gespräche und die ein oder andere Projektidee wurde geboren. Schließlich endete der Abend auf der großen Business-Party in den Rheinterrassen.
Tag 3 auf der Gamescom – Meetings und Abschied
Der dritte Tag auf der Gamescom war nicht minder spannend. Wir wollten uns noch weitere Hallen ansehen und wir hatten ein paar Termine. U.a. ging es um die Frage, wie Games in größere bzw. komplexere Prozesse integriert werden können. Wir sprachen zudem mit einem zukünftigen Partner für unser großes Afrika-Projekt (mehr dazu in Kürze). Der große Abschluss war dann der Termin mit Electronic Arts. Nochmals vielen Dank an Martin Lorber (den wir auch live auf der Bühne als Bassisten erleben durften). Mehr als eine Stunde lang redeten wir über Gaming, Chewata Awaqi, EA Vernetzungsmöglichkeiten für unser Projekt. Es war sehr spannend und wir freuen uns sehr über die Unterstützung.
Schließlich verließen wir die Gamescom um den Kölner Dom zu besichtigen und danach in einem Brauhaus zu essen und Abschied zu nehmen. Immerhin wissen wir, dass wir alle drei wiederkommen werden – es ist also kein Abschied für immer. Am nächsten ging es dann nach Ludwigshafen – aber davon schreibe ich in meinem nächsten Beitrag.
Beste Grüße
Christoph Deeg
Vielen Dank an die Partner von Chewata Awaqi: