Von Gamification lernen – Regeln und Verbote

Liebe Leser,

die Arbeit im Bereich Gamification bedeutet nicht nur das Entwickeln und Umsetzen von Projekten oder aber die Durchführung von Beratungsworkshops. Es bedeutet auch die Veränderung vorhandener Prozesse, Strukturen und Abläufe durch Gamification. Ich ziehe quasi die „Gaming-Brille“ auf und betrachte damit Unternehmen, Institutionen und Organisationen und kann dann Tipps für Veränderungen geben. Diese Form der Analyse ist etwas, was ich auch in jedem Projekt mit Roman Rackwitz anwende. Wir beide diskutieren im Vorfeld von Projekten und Workshops den Ist-Zustand und nutzen dafür ein von uns entwickeltes Analyse-Werkzeug, welches wir den „Gamification-Spiegel“ nennen. Dieses Werkzeug ist nichts anderes als eine große Zahl an Fragestellungen und Festlegungen, mit der wir die jeweilige Situation spiegeln. Dieses Modell funktioniert sehr gut und man findet nicht nur kleine Verbesserungsmöglichkeiten, sondern zumeist gleich den Kern des Problems.

Ein „Klassiker“ ist das Verhältnis von Regeln und Verboten. In sehr vielen Fällen stelle ich fest, dass diese beiden Begriffe gleichgesetzt werden. Dabei haben beide völlig unterschiedliche Bedeutungen und vor allem Wirkungen. Regeln bilden den Wirkungsrahmen bzw. das kontextbezogene Activation-Framework. In Spielen sind Sie der wichtigste Aspekt. Der Grund ist einfach: ich kann Spielerfahrung nicht planen. Ich kann nicht festlegen wie es ist, das jeweilige Spiel zu spielen. Ich kann nur einen Rahmen schaffen, der – hoffentlich – gut genug gestaltet wurde, dass er die Menschen aktiviert, das Spiel zu spielen. Regeln sind also eine Definition eines Optionsraumes und haben eine enge Bindung zur Information Transparency. Regeln sind ebenso ein Motivationsfaktor. Sie bedeuten zwar auch eine Form der Ordnung – ohne Regeln kann ich nicht spielen. Aber diese Ordnung darf das Spiel nicht erdrücken. Im Gegenteil: zu Spielen bedeutet, dass ich die Regeln überhaupt erst akzeptiere.

Verbote wiederum sind, wenn überhaupt nur ein Teilelement der Regeln. Sie zeigen auf, was nicht erlaubt ist. Und sie haben unterschiedliche Wirkungen. Vor allem, wenn sie alleine existieren, ohne einen Regelrahmen, der ihren Kontext beschreibt. In der Realität erleben wir oft, dass nur die Verbote sichtbar sind. Die Regeln werden nicht kommuniziert. Ich erlebe also nur „Du sollst nicht…“ aber seltener „Hier kannst Du“. Das ist problematisch, denn Menschen reagieren nur auf einen Regelrahmen aber nicht alleine auf Verbote. Das Umgehen der Verbote ist dann kein Verstoß gegen die Regeln – denn die Regeln sind ja gar nicht bekannt. Sehr positive Optionsrahmen wird dann sehr oft als gegeben angenommen. Schließlich sei doch jedem klar was hier geht und was nicht. Aber auch das ist sehr oft nicht der Fall. In vielen Unternehmen gibt es zwar Einführungen in die Aufgabenbereiche des neuen Mitarbeiters inkl. eines Gangs zur Kantine aber der Optionsraum Unternehmen inkl. der Bereiche, die (jetzt noch) nicht für den jeweiligen Mitarbeiter relevant sind, wird nicht aufgezeigt. Gleiches gilt für viele Kulturinstitutionen. In vielen Fällen ist potentiellen Kunden nicht klar, was hier möglich ist und was nicht. Betritt man die Bibliothek oder das Museum, sieht man maximal Hinweisschilder, dass Rauchen, Getränke und Smartphones verboten sind – was mich dann immer dazu animiert, mit Roman Rackwitz ein Käse-Fondue in die Bibliothek oder das Theater mitbringen zu wollen.

Was vielleicht so lustig klingt, hat einen traurigen Hintergrund. In vielen Unternehmen finden wir Mitarbeiter, die nicht das Maximum Ihrer Möglichkeiten erreichen und/oder sogar sehr gefrustet agieren. Und sehr viele Institutionen erreichen viele potentielle Kunden nicht, obwohl sie eigentlich ein passendes Angebot hätten. Es mag viele Gründe für diese Probleme geben aber ein Punkt ist sicherlich, dass man weder die Bedeutung von Regeln noch ihre Erstellung und Kommunikation verstanden hat.

Ein gutes Beispiel sind hier die vielen Social-Media-Guidelines. In vielen Fällen sollen sie eigentlich das Unternehmen absichern und nicht die Mitarbeiter. Ich habe schon Guidelines gesehen, die mit Hinweisen auf das Arbeitsrecht und die Verfolgung von „falschen Handlungen“ begangen. Dies waren Ausnahmen, aber ich habe so gut wie nie Guidelines sehen dürfen, die auf Regeln als Optionsräume basierten. Aber genau das sollten sie sein.

Beste Grüße

 

Christoph Deeg

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