Liebe Leser,
ich werde sehr oft als Speaker auf Konferenzen und Tagungen gebucht. Dabei geht es zumeist um die Bedeutung der Digitalen Welt auf die Arbeit von Unternehmen und Institutionen. Die Zuhörer möchten wissen, was Gamifciation, Social Media und Co. für ihre Arbeit bedeuten, wie man eine digital-analoge Gesamtstrategie entwickelt und wo die Chancen und Risiken liegen.
Zumeist gibt es Vorgespräche und ein Wunsch ist immer, ich möge doch bitte Best-Practice-Beispiele zeigen. Ich kann diesen Gedankengang zwar nachvollziehen, jedoch glaube ich, dass Best-Practice-Beispiele nur wenig helfen. Natürlich ist es interessant zu wissen, wie ähnliche Unternehmen oder Institutionen mit der digitalen Herausforderung umgehen. Und natürlich kann man sowohl von deren Erfolgen als auch von deren Fehlern lernen. Trotzdem bin ich kein Fan dieser Idee.
Eigentlich gibt es nicht wirklich Best-Practice-Beispiele. Man kann sich von der einen oder anderen Idee inspirieren lassen, aber man muss sehr gut aufpassen, nicht zu einer Kopie eines solchen Beispiels zu werden. Gerade in Bereichen, in denen vergleichbare Organisationen im Social Web aktiv sind, ist dies eine große Gefahr. So gibt es z.B. viele Bibliotheken und Museen, deren Social-Media-Auftritte austauschbar sind. Man findet wenig neue Ideen und noch seltener einen individuellen Ansatz. Dabei muss man das Rad nicht neu erfinden. In den allermeisten Fällen reicht einfach ein Blick über den Tellerrand. Man muss dann „nur“ die Inhalte bzw. Ansätze an die eigenen Inhalte anpassen und schon kann ein individueller Ansatz entstehen.
Deshalb rate ich Unternehmen und Institutionen immer, zuerst in völlig anderen Bereichen nach interessanten Social-Media-Aktivitäten zu suchen. zwei Beispiele:
- In der Welt der Computergames findet man viele sehr gute Beispiele und Ansätze für Community-Management und Storytelling. Ich würde sogar behaupten, dass es in diesem Bereich für jedes Unternehmen und jede Institution einiges zu lernen gibt.
- Eine andere Welt ist die der Mode-Blogs. Hier gibt es ebenfalls viel zu lernen. Ein für mich besonders spannendes Beispiel ist: http://www.dailyrewind.de/ von Hindi Kiflai. In diesem Blog geht es um die Auseinandersetzung mit der Massenproduktion von Kleidung. Das Besondere: Hindi Kiflai schreibt vor allem über einen sehr spannenden Selbstversuch. Sie trägt ein Jahr lang nur Second-Hand-Kleidung. Der Blog ist eine gelungene Mischung aus Storytelling, Diskussion und Visualisierung.
Wir gesagt, man kann diese Konzepte nicht 1 zu 1 übernehmen. Aber bei genauerem Hinsehen kann man sehr viel lernen.
Meine Empfehlung: Verzichten Sie für drei Monate auf das Beobachten von Social Media-Aktivitäten aus ihrem inhaltlichen Unternehmens- bzw. Institutionskontext. Schauen Sie sich vielmehr Blogs, Twitteraccounts und Facebookseiten von Themen an, die Sie sich sonst nie ansehen würden.
Ein großer Vorteil dieser Herangehensweise ist der, dass man selber zum Kunden/Entdecker wird. Man kennt die Inhalte nicht und kann so reflektieren, ob die Vermittlung der Inhalte, die Emotionalisierung und vor allem der Dialog funktionieren oder nicht.
Beste Grüße
Christoph Deeg
Interessanter Ansatz mit den „fremden Branchen“. Die eigene Betriebsblindheit wird dadurch wirklich nach und nach abgebaut und man konzentriert sich wieder auf andere Dinge! Allerdings musste ich feststellen, dass man relativ schnell wieder in seine alten Denkmuster verfällt
Die Frage wäre ja, wie man dieses „Umfallen in alte Denkmuster“ verhindern kann. Hier könnte z.B. helfen, einen Erfahrungsrahmen zu entwickeln, in dem das Neu-Gelernte kontinuierlich angewendet werden kann und so die so wichtigen Kontexte entstehen….