Liebe Leser,
es ist Sonntagnachmittag. Mein neuer Grill ist endlich geliefert worden – und es regnet. Kein Problem, widme ich mich eben meinem Abschlussbericht zur Re:Publica 2012. In den letzten Tagen habe ich schon über meine Eindrücke vom ersten und vom zweiten Tag berichtet. Insofern bleibt mir nun die Aufgabe über den dritten Tag zu schreiben und ein Resumé zu ziehen. Beginnen wir also mit dem dritten Tag:
Der dritte Tag trägt für mich die Überschrift „Verantwortung und Wandel“. Die erste Session, die ich besuchte war „Revolution on hold – China, Iran, Russia – Where do the revolutionary ideas catch on?“. Isaac Mao, Arash Abadpour, Markus Löning und Mathis Winkler diskutierten mit Kristin Zeier über die Nutzung des Internets als Kommunikationsplattform, Zensur und Gefahren für Aktivisten in China, Iran und Russland. Für mich waren die spannendsten Aussagen die über die Unmöglichkeit, das Internet zu kontrollieren. Trotz aller erschreckenden Versuche, den Zugang zum Internet zu beschränken und diejenigen die im Netz aktiv sind massiv zu bedrohen, lässt sich anscheinend der Wandel nicht aufhalten. Isaac Mao verwies u.a. darauf, dass alleine die schlichte Masse an Informationen, welche im Netz veröffentlicht werden, es unmöglich macht, alle Daten zu kontrollieren. Zudem werden wichtige Informationen nicht direkt vermittelt. Vielmehr werden sie in andere Kontexte „verpackt“. Die jeweiligen Zensur-Organe sind somit nicht mehr in der Lage zu verstehen, ob der jeweilige Text eine politische Bedeutung hat oder nicht. Es gibt aber nicht nur Zensur. Das Gegenstück zur Zensur scheint die „Vermüllung“ des Netztes zu sein. Es werden Massen an Informationen im Netz veröffentlicht. Dadurch soll die Aufmerksamkeit der User auf unwichtige Inhalte gelenkt werden. Alle Beteiligten waren der Meinung, dass die globale Wirtschaft, d.h. die Öffnung der lokalen Märkte letztlich dafür sorgen wird, dass geschlossene Netze nicht dauerhaft existieren und/oder die Regime nicht in der Lage sein werden alles zu kontrollieren. Je länger ich die Diskussion verfolgte desto deutlicher wurde mir klar, wie dankbar man sei sollte, dass wir hier ein freies Netz haben, und dass es eine Vielzahl an Organisationen gibt die dafür kämpfen, dass das auch so bleibt. Es bedeutet aber auch, dass wir wo immer möglich diejenigen unterstützen sollten, die in diesen Ländern leben bzw. die dortigen Gesellschaften reformieren möchten. Markus Löning hatte m.E. recht wenn er zudem forderte, dass sich Unternehmen, die in diesen Staaten aktiv sind, ihrer Verantwortung bewusst werden…
Daran anschließend besuchte ich die Session „Do it yourself – Netzwerke für die DIY-Education“. In dieser Session stellten Anja. C. Wagner, Jonas Liepmann und Michelle Thorne verschiedene Projekte für neue Bildungsformen vor. Es geht dabei weniger um den klassischen und m.E. überholten Frontalunterricht als vielmehr um offene Plattformen, auf denen Menschen zusammenkommen um gemeinsam zu lernen. Die Angebote sind unterschiedlich und beziehen sich sowohl auf die reale als auch auf die digitale Welt. Ich war von den Präsentationen sehr beeindruckt und wurde konnte viel für meine Arbeit an der Universität Hildesheim mitnehmen. Was mich allerdings skeptisch macht ist die Tatsache, dass unsere Schulen und Universitäten m.E. noch Lichtjahre von solchen neuen Konzepten entfernt sind. Ich weiß ich wiederhole mich aber wir dürfen nicht vergessen, dass Deutschland das Land ist, in dem gerade mal 15% der Schüler überhaupt im Unterricht täglich einen Computer nutzen dürfen. Wir leben also in einer Art schulischem Mittelalter. Dabei geht es nicht nur um die Technologie an sich sondern auch und vor allem um die damit verbundenen neuen Denk- und Arbeitsweisen. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob man eine Unterrichtsstunde „Medienkunde“ braucht. Ich halte davon wenig. Viel sinnvoller wäre m.E., dass Social-Media, Internet und Computer zu einer Querschnittsfunktion in allen Schulen werden, d.h. in möglichst jeder Unterrichtseinheit werden diese Werkzeuge aktiv genutzt. So schockierend die aktuelle Situation in den deutschen Schulen auch sein mag – und ja, ich weiß es gibt ein paar tolle Gegenbeispiele – sie zeigt einmal mehr unsere Verantwortung, hier in der Breite Druck zu machen. Wer für den Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident eintritt, sollte auch für einen Wandel in den Schulen demonstrieren.
Nach dieser Session musste ich die Re:Publica kurz verlassen, denn ich nahm an der abschließenden Telefonkonferenz des „Movers&Shakers-Preises“ teil, bei dem ich Mitglied der Jury bin. Nach einer Stunde hatten wir die Sieger gefunden – und ich bin mächtig stolz darauf, dass meine Favoriten gewonnen haben:-)
Danach gab es noch ein kleines Vorgespräch für ein bald startendes Projekt ehe ich die letzte Session meines dritten Tages besuchte. Dieses mal ging es um Social-Gaming. Sina Kamala Kaufman sprach in ihrem Vortrag „In case of reality use magic wand; social games & digital identities“ über die verschiedenen Formen und Erscheinungen digitaler Identitäten. Wie bewegen wir uns auf Facebook, Twitter und Co? Was sind wir auf diesen Plattformen? Besonders gefiel mir die Erkenntnis, dass unsere Identitäten auf diesen Plattformen vielleicht 8-10 Jahre als sind. Wir sind quasi noch Online-Kinder. Man sollte sich m.E. mal ein paar Kinderbücher ausleihen – es gibt sie jetzt auch als animierte Apps – und dann würden wir glaube ich verstehen, warum wir noch immer in den Kinderschuhen stecken, wenn es um die digitale Welt geht. Natürlich sprach sie auch über „mein Thema“: Gaming. Wusstet Ihr, dass nahezu 50% aller Facebook-Nutzer dort auch spielen? Und dass ca. 10% dafür bezahlen? oder das 70% dieser Spieler Frauen sind? Gaming ist – da bin ich mir sicher – der Schlüssel zu einer Vielzahl an Möglichkeiten. Egal ob es um Innovationsmanagement, Wissens- und Kulturvermittlung, Marketing, Medizin oder einfach jede Menge Spass geht. Gaming und die damit verbundenen Modelle können uns helfen, besser zu lernen, zu lehren, zu arbeiten etc. In den nächsten Wochen gibt es mehr dazu:-) Ob Social Gaming wirklich das ganz große Thema werden wird bleibt abzuwarten. Sicher ist aber, das der Erfolg von Facebook ohne Gaming nicht möglich wäre. Durch die Spiele wurde Facebook noch menschlicher noch verbindender. Vergessen wir nicht: bevor Google auf Google+ Firmenseiten zuließ gab es zuerst die Spiele. D.h. erst Die Menschen, dann die Spiele und dann die Institutionen. Dann war sie vorbei die Re:Publica. Ich trank noch das eine oder andere Bier, unterhielt mich noch mmit ein paar Teilnehmern und dann ging es nach hause – um in Ruhe 4 Stunden Battlefield 2 Bad Company im Multiplayer-Modus zu spielen.
Mein Fazit zur Re:Publica:
Es war toll! Tschüss! Ok, ein bisschen was möchte ich schon schreiben. Wie schon gesagt: die Location war sensationell. Einziges Manko waren die beiden gegenüberliegenden Bühnen in der ersten Etage. Es war teilweise sehr schwer etwas zu verstehen. Ich weiß, dass sich einige wieder über das nur selten funktionierende WLAN beschwerten – ich kann allerdings nicht verstehen warum? Wer sich ein iPad leisten kann, kann sich auch die 3G-Version leisten und so ins Netz gehen. Das WLAN sollte m.E. für diejenigen nutzbar sein, die z.B. aus dem Ausland kommen und für die Datenroaming schlichtweg zu teuer wäre. Ansonsten habe ich nur iPads und Smartphones gesehen… Dann besonders wichtig: die Bratwurst! Wow! Danke! Sowieso das Catering – tolle Auswahl zu einem äußerst fairen Preis. Vielen Dank! Die beste Konferenz ist ohne gutes Catering gar nichts – das war großes Kino!!!
Die Re:Publica ist vor allem eines: harmlos. Und das hat seine Vor- und Nachteile. Die Konferenz lebt von ihrer Entspanntheit. Es wir geredet und gedacht aber nicht genervt. Alles geht ruhig und gesittet zu. Es ist keine Politik-Konferenz. Es ist mehr wie ein riesengroßes Buffet. Man probiert das eine oder das andere und lernt und genießt die Zeit. Diese Stärke ist m.E. zugleich die Schwäche der Re:Publica, denn von ihr geht nichts aus. Sicher, es gibt die Netzgemeinden-Popstars Lobo, Beckedahl, Sixtus etc. Aber das hat wenig mit einer digitalen Gesellschaft zu tun. Urheberrecht, Regierungssprecher-Twitter-Accounts und Crowdfunding sind 1000x wichtiger als die Frage, wie man endlich Schulen und Universitäten und vor allem den gesamten Kultursektor aus dem Mittelalter in die Gegenwart holt. Viele Projekte die ich mir angesehen habe, und die Probleme haben sich durchzusetzen, bewegen sich in einem Umfeld, in dem noch nicht einmal die Basis dafür vorhanden ist. Die kleine Session der Theater-Nerds zeigte das überdeutlich. Besonders problematisch: es wird nur sehr selten über die mit der digitalen Welt verbundenen neuen Denk- und Arbeitsweisen diskutiert. Allenfalls beim Urheberrecht flammt die Diskussion auf, wenn z.B. mal eben das gesamte Urheberrecht als nicht mehr zeitgemäß definiert wird. Das klingt cool und putzig ist aber Blödsinn, denn auch die Menschen, die sich selber für „Internetbewohner“ halten müssen verstehen, dass sie eine Verantwortung haben. Es reicht nicht zu sagen, das eine oder andere Modell wäre mal eben nicht mehr zeitgemäß – dann bitte mit Gegenvorschlägen, die nicht auf den kleinen Erfolgen ausgesuchter Künstler basieren.
Schauen wir uns die digitale Gesellschaft doch einfach mal aus Sicht eines Computerspiels an. Wenn ich ein Spiel beginne, weiß ich nicht, wohin mich die Reise führt. Ich weiß nicht, wie die Steuerung funktioniert und was meine Aufgabe ist und es gibt auch kein Handbuch. Damit man nun nicht nach kurzer Zeit genervt den Stecker zieht – Computerspiele sind nämlich sehr oft sehr kompliziert es sei denn es sind Social-Games – muss man das Spiel erlernen. Das oder die ersten Level sind bereits Teil des Spiels und doch geht es vor allem darum, dass man erstmal lernt wie alles funktioniert. Erst wenn man die ersten Level geschafft hat, kann man sich auf die eigentliche Reise machen. Die digitale Gesellschaft ist m.E. gerade dabei, die ersten Level abzuschließen. WIr befinden uns noch am Anfang. Es geht gerade erst los. Wir müssen verstehen, dass wir noch gar nichts erreicht haben. Der Kultur- und Bildungssektor versteht gerade erst, dass da etwas ist, Unternehmen merken – wenn sie überhaupt schon Teil der digitalen Welt sind – dass PR von Werbeagenturen, die so mal eben auch Social-Media machen nur bedingt weiterhilft. Wir erkennen die Stolpersteine und Herausforderungen und haben nun die Möglichkeit, sowohl die reale als auch die digitale Welt zu gestalten. Gewiss, einen Gang durch die Institutionen wird es nicht geben. In der digitalen Welt werden die meisten Institutionen zumindest in ihrer jetzigen Form gar nicht gebraucht. Diejenigen, die in den letzten Jahren aktiv waren haben also die Basis geschaffen, auf der es nun losgehen kann.
Social-Media-Gaming-Barbecue Rhein/Main
Auch für mich geht’s weiter. Nächste Woche bin ich zuerst in Mainz und werde der Universitätsbibliothek die Welt von Social-Media und Co. näherbringen. Danach geht es mit meiner http://crocksberlin.wordpress.com/mobile-internet-roadshow-fur-bibliotheken/ zur Universitäts- und Landesbibliothek nach Darmstadt. Das besondere ist der Ort an dem ich drei Nächte übernachten darf. Das Gästehaus Hochmann in Stadecken ist ein tolles Hotel – und der Ort Stadecken etwas ganz besonderes. Und deshalb möchte ich gerne am 09. Mai ein Social-Media-Gaming-Barbecue in Stadecken durchführen. Da ich dieses mal mit dem Flugzeug komme habe ich zwar keinen Grill dabei – es gibt aber in Stadecken einen unglaublich guten Italiener mit sensationellen und zugleich sehr preiswerten Weinen! Also ich hoffe, ich sehe ein paar der Menschen aus dem Raum Frankfurt/Main, Mainz, Darmstadt am 09. Mai in Stadecken. Und wenn Ihr am 09. Mai nicht könnt kann man sich auch am 08. und 10. Mai treffen.
Bis dahin viel Spass und spielt schön
Christoph Deeg
danke für die Infos – was für Projekte bzw. Möglichkeiten wurden denn bei der Session “Do it yourself – Netzwerke für die DIY-Education” vorgestellt?
Viele Grüße,
Steffi