Liebe Leser,
ich bin gerade in der Universität Hildesheim angekommen. Gleich beginnt der erste Tag meines Seminars zum Thema „Der Wandel kommt früher oder später – wie Social-Media und Gaming die Kulturinstitution der Zukunft definieren“. Das wird sicherlich eine spannende Zeit.
Die Arbeit als Lehrbeauftragter macht mir sehr großen Spass. Gewiss es ist kein Geschäftsmodell, mit dem man seine Miete bezahlen kann. Es ist eher so, dass ich durch meine verschiedenen Projekte genug Geld verdiene, um mir den Luxus eines Lehrauftrages zu leisten. Ich mache dies auch nur an einer einzigen Universität nämlich in Hildesheim. Hier habe ich alle Freiheiten der Welt. Ich kann ausprobieren was immer ich möchte und ich habe an dem Institut an dem ich lehre tolle Professoren und Doktoranten kennengelernt. Besonders wichtig: hier habe ich die besten Studenten der Welt!
Der Spass ist aber nur eine wenn auch wichtige Ebene. Ein Lehrauftrag gibt mir vor allem die Möglichkeit zu lernen. Ich verstehe mich nicht als „gottgleiches Wesen“ welches das Herrschafts-Wissen zu den Studenten bringt. Ich habe keine Deutungshoheit auf die Inhalte – und will sie auch nicht haben. Im Gegenteil, mein Ziel ist ein Dialog auf Augenhöhe. Ich stelle also meine Thesen zur Diskussion und es gab sogar Fälle, wo ich durch meine Studenten lernte, dass ich auf dem Holzweg war.
Im letzten Jahr durfte ich mit einer tollen Studenten-Gruppe den Kongress „Netz.Macht.Kultur“ begleiten. Die Studenten haben während des Kongresses gebloggt, getwittert und vor allem die Teilnehmer der Veranstaltung Twitter ausprobieren lassen. Besonders spannend war aber das, was die Studenten vor dem Kongress veranstaltet haben. In den Monaten vor dem Kongress haben sie einen eigenen Blog gestartet und über Ihre Gedanken zur digitalen Welt und Kultur geschrieben. Für mich ist dies eines der besten Blog-Projekte die ich kenne. Schaut es Euch an – es lohnt sich…
Heute geht es zuerst um Motivation bzw. Bestechung: Es gibt Schokokuchen!!! Ich habe gestern noch fleißig gebacken. Das war gar nicht so leicht – dieses mal habe ich nämlich 44 Anmeldungen was bedeutet, dass ich mindestens zwei Kuchen backen musste. Aber auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass Kaffee und Kuchen die mächtigsten Waffen eines Social-Media-Managers sind – und nicht Klout, Hootsuite und Pinterest – es geht natürlich vor allem um Inhalte:-)
In den letzten Jahren habe ich eine Vielzahl an Unternehmen und Institutionen in die digitale Welt begleitet. Dabei ist mir immer wieder aufgefallen, dass Social-Media sehr oft als reines PR-Instrument, wenn auch mit neuen Kommunikationsformen wahrgenommen wird. An sich ist das nicht falsch, es greift nur zu kurz. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass Social-Media als PR-Funktion die schwächste der Nutzungsmöglichkeiten ist.
Social-Media, die digitale Welt, Web 2.0, Gaming, mobile Internet etc. all das umgibt uns. In den meisten Fällen fokussieren wir uns dabei auf die Technologien. Es geht um Wikis, Blogs, Twitter, Hootsuite, Monitoring, Datenbanken, Widgets, Micro-Sites etc. Natürlich sind alle diese Punkte wichtig aber es wird ein wichtiger Punkt vergessen: Das Internet ist menschlich! Es ist keine Maschine, keine künstliche Intelligenz. Es ist menschliche Kommunikation. Wenn wir uns mit der digitalen Welt befassen, dann sollten wir uns nicht auf die Technologien sondern auf die damit verbundene Kultur konzentrieren. Social-Media steht vor allem für eine neue Art zu Denken und zu Arbeiten. Wenn man also im Web erfolgreich sein möchte muss man überlegen, ob man mit dieser Kultur überhaupt kompatibel bin? Wenn eine Institution oder ein Unternehmen alles andere als kooperativ, interaktiv, transparent (natürlich in Grenzen), kreativ, auf Vertrauen basierend und frei agiert – wie will man dies dann im Netz tun? Wenn die eigenen Strukturen, Ressourcen, Denk- und Arbeitsweisen, Hierarchien etc. nicht menschlich sind, wie will man dann im Netz etwas erreichen? Das Netz ist keine „Aufhübschzone“ in der ich meine Institution oder mein Unternehmen auf eine etwas neue Art und Weise am besten noch durch eine externe Agentur oder mit einer kurzgedachten Kampagne im neuen Glanz erstrahlen lasse.
In meinen Projekten geht es natürlich auch um Facebook, Monitoring, Social-Media-Strategien, Twitter, etc. Im wesentlichen versuche ich aber die Institution oder das Unternehmen als Ganzes mit der digitalen Welt kompatibel zu machen. Die Teilnehmer werden also zu Usern bzw. Internet-Bewohnern und sie verändern sich. Social-Media wirkt also ebenso nach innen in die Organisation hinein. Es geht um einen Wandel der letztlich alle Arbeitsbereiche umfasst.
Auf Basis meiner Erfahrung (und der Tatsache, dass ich mit dieser Herangehensweise erfolgreich war und bin) habe ich damit begonnen, dass Konzept „Social-Media als Querschnittsfunktion des Managements“ zu entwickeln. Auf der Tagung Aufbruch! Museen im Web 2.0 habe ich Teile dieser Vision schon vorgestellt.
Die Grundidee ist letztlich sehr einfach: Alle Aktivitäten, Arbeitsweisen, Strukturen etc. werden aus Sicht von Social-Media und Gaming analysiert und weiter entwickelt. Im Ergebnis werden also nicht nur neue Kommunikationskanäle eröffnet sondern die Organisation als Ganzes einem Wandel unterzogen. So wirken dann die Social-Media-Aktivitäten auch in andere Arbeitsbereiche hinein. Am Ende entsteht eine neue Institution bzw. ein neues Unternehmen.
Und um diesen Wandlungsprozess hin zur Kulturinstitution 2.0 wird es in meinem Seminar gehen. Als ich dieses Seminar geplant habe, gab es noch keine Kulturinfarkt-Diskussion. Ich bin froh, dass beides so gut zusammenpasst. Das ganze Seminar wird natürlich unter konsequenter Nutzung aller möglichen Social-Media-Tools umgesetzt. Basis ist ein geschlossener Wiki, der den Studenten gehört, d.h. am Ende des Seminars können die Studenten den Wiki alleine weiter betreiben. Dieser Schritt ist m.E. sehr wichtig. Bevor man mit der externen Kommunikation im Web beginnt sollte man sie intern nutzen und ausprobieren. Die interne Nutzung ist genauso wichtig wie die externe – leider wird dies sehr oft vergessen.
Ich bin wirklich sehr gespannt auf dieses Seminar. Hoffentlich kann ich mit dem Kurs eine Vision bzw. ein Modell für die Kulturinstitution 2.0 entwerfen. Dann müssen wir noch dafür sorgen, dass Kulturmanager in der Zukunft weniger PR-Assistenten und mehr Gestalter von Kulturinstitutionen sein dürfen und dann sehe ich goldene Zeiten auf uns zukommen…
Aber zuerst gibt es Schokokuchen:-)
Beste Grüße
Christoph Deeg