Liebe Leser,
heute möchte ich über ein Thema schreiben, welches im Bereich Social-Media immer wieder zu finden ist: Rankings.
In den letzten Monaten sind – so zumindest meine subjektive Wahrnehmung– immer mehr Rankings aufgetaucht. Bei diesen Rankings werden in der Regel Unternehmen oder Institutionen eines bestimmten Bereichs miteinander verglichen. Besonders beliebt sind dabei Rankings zu Twitter oder Facebook. Bei allen Rankings, die ich gefunden habe, und die sich mit Facebook und Twitter befassen, werden letztlich quantitative Daten erfasst – anders ausgedrückt: es geht um die Anzahl der Follower bei Twitter bzw. der Freunde oder Fans bei Facebook. Um genau diese Rankings soll es in meinem Beitrag gehen.
Nun scheinen Rankings auf den ersten Blick eine gute Sache zu sein. Es werden Institutionen oder Unternehmen miteinander verglichen, die ähnliche Zielsetzungen haben. Das heißt es gibt Rankings für Bibliotheken, Museen, Städte, Restaurants, Non-Profit-Organisationen etc. Wenn man z.B. genügend Follower bei Twitter hat, landet man im jeweiligen Ranking ganz oben. Das motiviert. Und diejenigen, die auf den letzten Plätzen liegen, können von den vermeintlich „erfolgreichen“ Konkurrenten etwas lernen, indem sie sie beobachten.
Das mag alles ganz toll klingen, ich bin aber kein Fan dieser Rankings und ich möchte kurz ein paar Gründe nennen, warum ich solchen Rankings keine große Bedeutung beimessen würde.
Quantitative Rankings (Rankings in denen es um die Anzahl der Follower bzw. Fans geht) sagen nichts über die Qualität der jeweiligen Angebote aus. Sie sagen nur aus, dass Menschen aus nicht näher bekannten Gründen bereit waren, dem jeweiligen Angebot bei Twitter oder Facebook zu folgen – mehr nicht. Es ist auch keine Qualitätsaussage. Dies wäre u.U. anders, wenn die Follower/Fans dafür bezahlen müssten. Es gibt auch keine Daten darüber, ob die jeweiligen Follower/Fans schon vorher in Kontakt mit dem Anbieter standen. Die Aussagekraft ist: 0!
Quantitative Rankings schaffen falsche Anreize. Sobald man sich mit Rankings befasst, möchte man ganz vorne dabei sein. Egal wie oft darauf hingewiesen wurde, dass es sich dabei nicht um qualitative Daten handelt, man beginnt früher oder später damit, Steigerungsraten bei den Followern bzw. Fans anzustreben. Natürlich brauche ich Follower oder Fans, um überhaupt einen Dialog mit Menschen starten zu können. Es geht aber niemals darum, mehr Fans oder Follower als andere zu haben. Es geht vielmehr darum, was ich mit den Kontakten mache bzw. welche Strategie ich überhaupt auf der jeweiligen Plattform verfolge. In meiner täglichen Arbeit lerne ich eine Vielzahl an Institutionen und Unternehmen kennen. Follower- oder Fanzahlen werden sehr oft benutzt, um die Social-Media-Aktivitäten zu rechtfertigen. Das klingt zwar einleuchtend, birgt aber ein großes Risiko, denn was tun wir, wenn die Wachstumszahlen rückläufig sind oder stagnieren? Die Entscheidung für oder gegen Social-Media sollte eine inhaltliche Entscheidung sein.
Ein Beispiel:
Das Social-Media-Gaming-Barbecue hat auch eine Facebookseite. Ich habe dort aktuell 83 Fans. Bei diesen 83 Fans weiß ich bei 80% der Personen, dass sie gerne an einem Barbecue teilnehmen möchten. Diese Information habe ich jedoch nicht über Facebook erhalten. Sie basiert auf der Kommunikation auf anderen Plattformen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, meinen Blog auch für das Barbecue als zentrale Plattform zu nutzen. Facebook ist immer noch eine geschlossene Community der gerade mal 25% der Bevölkerung Deutschlands angehören. Ich möchte mit dem Barbecue aber alle Menschen erreichen. Würde ich Facebook als zentrale Plattform nutzen, würde ich hier eine potentiell künstliche Barriere schaffen. Mein Anreiz für das Barbecue ist auf keinen Fall, so viele Fans wie möglich zu gewinnen, sondern mit interessierten Menschen über die Frage zu diskutieren, wie Social-Media und Gaming unsere Gesellschaft, unsere Städte und Gemeinden, unsere Unternehmen und unsere Institutionen verändert bzw. verändern kann. Zudem müsste ich, um eine weitaus größere Fangemeinde zu generieren, Werbung auf Facebook schalten – und dies habe ich nicht vor. Ein Ranking bezogen auf Facebook würde alle meine anderen Onlineaktivitäten und vor allem die realen echten Barbecue-Events ausblenden.
Quantitative Rankings können keinen Zukunftstrend beschreiben Quantitative Rankings können nicht in die Zukunft sehen. Sie sind statische Analysen. Wir wissen nicht, warum es z.B. bei einem Museum oder einer Stadt zu Veränderungen gekommen ist – dafür müssten wir mit der qualitativen Analyse der Inhalte beginnen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir in der Zukunft mit einem neuen Nutzerverhalten zu rechnen haben. Ich kann und will nicht 300 Museen, 300 Bibliotheken, 300 Städten etc. folgen. Wir werden dazu übergehen, Angebote z.B zu „liken“ und auch wieder zu „unliken“ In den USA ist dies schon gut zu beobachten. Je mehr Institutionen und Unternehmen auf Plattformen wie Facebook aktiv sind, desto öfter werde ich die Angebote austauschen. Das ist ein sehr guter Mechanismus, denn er verhindert, dass die Nutzer irgendwann mit Informationen zugeschüttet werden. Jeder Nutzer schafft sich sein eigenes und veränderliches Online-Netzwerk.
Quantitative Rankings befassen sich nur mit ausgesuchten Plattformen Social-Media ist eine bunte Welt. Und sie besteht vor allem aus weitaus mehr Plattformen als Facebook und Twitter und viele dieser anderen Plattformen lassen sich gar nicht mittels Rankings erfassen. Wie will man den Erfolg eines Blogs von außen messen? Rankings die sich auf Twitter und Facebook konzentrieren geben diesen Plattformen eine besondere Wertigkeit. Aber gerade Facebook sollte m.E. nicht automatisch die erste Wahl sein, wenn ich nur Ressourcen für eine Plattform habe. Ich habe dazu schon einen anderen Beitrag erfasst.
Wofür Rankings sinnvoll sind: Ich bin wie gesagt der Meinung, dass quantitative Rankings an sich keinen Nutzen bringen. Ok, ich weiß, dass sich einige PR-Agenturen auf Basis der neuen Fans und Follower bezahlen lassen. Die einzige Variante, die ich mir als Nutzung vorstellen kann ist ein Spiel. Aktuell arbeite ich z.B. mit 24 Bibliotheken in Nordrhein-Westfalen. Diese Bibliotheken haben zusammen mit Aktivitäten begonnen und ihre Strukturen sind zumeist vergleichbar. Hier nutze ich interne Rankings, d.h. die Bibliotheken vergleichen sich untereinander. Die Anzahl der Follower oder Fans ist nur ein Kriterium und wird als nicht bedeutsames aber lustige Tool genutzt. Nebenbei: die Erstellung eines Rankings welches sich mit der Anzahl der Follower und Fans befasst ist kinderleicht und schnell erledigt:-)
Warum wir keine Rankings sondern Visionen brauchen
In den letzten Jahren hat sich in Deutschland im Bereich Social-Media sicherlich einiges getan. Immer mehr Unternehmen, Institutionen und Organisationen haben sich auf die Reise in das sog. Web 2.0 gemacht. Diese Entwicklung freut mich sehr. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir immer noch am Anfang stehen. Trotz aller schönen Projekte werden die Chancen und Möglichkeiten, die sich aus der Nutzung von Social-Media-Tools ergeben, bisher kaum umgesetzt. Zu oft werden Plattformen wie Twitter oder Facebook wie Plakatwände 1.0 genutzt. Von einer Gestaltung des virtuellen Raumes bzw. des Web 2.0 sind wir noch weit entfernt. Wenn eine Institution oder ein Unternehmen einen Account bei Facebook hat, fängt die eigentliche Arbeit erst an.
Wenn wir Städte, Institutionen und Unternehmen hinsichtlich ihrer Aktivitäten im Web 2.0 untersuchen wollen, dann sollten wir dies auf Basis einer qualitativen Analyse tun. Wenn wir eine Stadt und Ihre Social-Media-Aktivitäten analysieren wollen, dann sollten wir alle genutzten Plattformen untersuchen. Wir sollten zudem aktiv die Aktivitäten der Unternehmen und Institutionen der jeweiligen Stadt beleuchten. Und natürlich müssen wir auch untersuchen, was die Menschen der jeweiligen Stadt im Bereich Social-Media tun. In einem nächsten Schritt brauchen wir Informationen, wie die Stadt die einzelnen Aktivitäten managed und ob die Social-Media-Aktivitäten Einfluss auf die Arbeit der Stadt haben.
Wir benötigen weniger Rankings als vielmehr neue Idee. So wie die Menschen im Web miteinander vernetzt sind, ist dies auch bei den mit dem Thema Social-Media verbundenen Fragestellungen der Fall. Das alles mag nach sehr viel Arbeit klingen – das ist es auch. Aber die Ergebnisse werden m.E. weitaus hilfreicher sein, als quantitative Rankings, die letztlich überhaupt keine Aussagekraft haben.
Ein Vorschlag:
In der Welt der Bibliotheken ist man schon ein Stück weiter. Hier gibt es den sog. LIS-Wiki. In diesem Wiki gibt es u.a. Seiten mit Listen zu Blogs, Twitteraccounts und Facebookseiten von Bibliotheken. Ich habe hier mal als Beispiel die Seite zu twitter verlinkt. Ihr könnt aber auch nach Blogs oder Facebook suchen. Ich möchte vorschlagen, dass wir einen solchen Wiki erstellen. Alle können mitmachen und ihre Daten eintragen. Es gibt keine Rankings aber wir können jede beliebige Kategorie erstellen. Als Plattform schlage ich PBWorks vor. Wir können so eine spannende Sammlung erstellen. Ein weiterer Vorteil, alle tragen ihre Daten direkt in eine offene Plattform ein. Somit lernen wahrscheinlich viele Institutionen, Unternehmen und Städte die Möglichkeiten eines Wikis kennen. Bleibt die Frage: Wer hat Lust und macht mit? Oder hat jemand ein andere Idee?
Beste Grüße
Christoph Deeg
One thought on “Warum wir keine Rankings sondern Visionen brauchen”