Liebe Leser,
es ist Ostern. Feiertage wie diese nutze ich immer dazu, all das zu lesen was ich in den letzten Wochen nicht lesen konnte. Darüber hinaus versuche ich, über meine aktuellen und gerade abgeschlossenen Projekte nachzudenken. Was lief gut? Was könnte ich besser machen? Was habe ich gelernt? Es gibt immer viel Raum für Verbesserungen. Neben der Weiterentwicklung meines Angebots denke ich auch viel über die Gespräche nach, die in den Pausen sowie vor und nach Workshops und Beratungsgesprächen stattfinden.
Ein Thema, über das ich immer wieder nachdenke ist die „Erwartung“ vieler Workshop-Teilnehmer. Einige wünschen sich eine Art Gebrauchsanweisung für das Internet. Grundsätzlich ist das auch eine gute Idee. Man kann z.B. technische Funktionen lernen. Man kann lernen, wie man einen Twitteraccount bedient oder wie WordPress funktioniert. Man kann ebenso lernen wie man Youtube-Videos in einen Blogbeitrag einbettet. Und natürlich kann man auch lernen, dass es im Web 2.0 um eine Kommunikationskultur geht, dass jeder User Sender und Empfänger zugleich sein kann und dass es um einen Dialog auf Augenhöhe mit den Kunden, Nutzern, Kontakten geht. Wie aber sieht es mit der Umsetzung aus?
In den letzten 20 Jahren haben wir es immer wieder mit neuer Soft- und Hardware zu tun gehabt. Die breite Nutzung des Computers als Arbeitsinstrument sorgte dafür, dass man lernen musste wie man z.B. Office bedient. Hierfür besuchte man einen Kurs und konnte danach Textdokumente und Tabellen erstellen. Dies ist vergleichbar mit dem Erlernen der Funktionalitäten von Facebook, WordPress und Co. Was man nun in die Textdokumente schreiben und mit welchen Daten die Tabellen füllen sollte wurde in der Regel vorgegeben. Dies hat sich verändert. Die große Aufgabe ist heute nicht, die Technologie zu beherrschen sondern durch die Nutzung der Technologie spannende Inhalte zu erstellen. Und für diesen Bereich gibt es keine Gebrauchsanweisung. Natürlich kann man auch hier sehr viel lernen. Storytelling, Content-Management, Analysetools, Lernen von anderen Plattformen, Anpassung der vorhandenen Strukturen an die neue Herausforderung etc. – alle diese Dinge können erlernt werden. Trotzdem bleibt ein sehr großer Rest an Dingen, die nicht gelehrt werden können. Hierzu gehört auch die Identifikation und Analyse sowie das eigenständige Erschließen neuer Plattformen.
Es gibt also eine Gebrauchsanweisung für die Funktionalitäten von Onlineplattformen und es gibt Know How und Best-Practice-Beispiele, wie man diese beispielhaft nutzen kann. Für die Gestaltung des modernen Internets wird es aber keine Gebrauchsanweisung geben…
Beste Grüße und schöne Ostern
Christoph
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Das Problem des sich nicht Trauens kenne ich auch. Da helfen dann „geschützte Räume, also z.B. eine „geheime“ Facebook-Gruppe, ein privates Blog, etc. Aber dafür braucht es Zeit und die nehmen sich die wenigsten. Oft kommt dann das Argument, dass man in den letzten Tagen viel zu tun hatte und daher keine Zeit zur Verfügung war, sich mit Social Media zu beschäftigen. Die einzige Möglichkeit, als Berater darauf Einfluss zu nehmen, ist es, alle anderen entsprechend zu motivieren.
Über die Motivation bekommt man das unter Umständen hin, aber wie ist das dann später? Da ist der Vergleich mit dem Fahrlehrer dann vielleicht gar nicht mehr so passend, denn ein Auto fahren zu können, bringt einem einen so großen Nutzen, dass man da schnell reinkommt und so ein immer besserer Autofahrer wird. In der Regel zumindest. :-) Richtig zu beraten ist also gar nicht so einfach. :-)
Aber worin besteht der Nutzen von Social Media? Der stellt sich – sichtbar – nicht sofort ein und trotzdem muss man am Ball bleiben, sonst lernt man es nie. Das ist dann eher wie Klavierunterricht. Ein direkter Nutzen stellt sich, so man nicht Pianist werden will, nicht ein und wenn kein Klavierlehrer Druck macht, dann übt man nicht mehr und damit ist die Chance vertan, weiter zu kommen.
Hallo Christian,
Du hast absolut Recht. Geschützte Räume und sog. Trümmeraccounts (z.B. ein Twitteraccount mit einem Namen wie „hjdgfzrg252“ zu Testzwecken um die Funktionalität zu verstehen) sind sehr wichtig und eine gute Hilfe. Was ich zudem noch sehr oft mache ist die Nutzung von Blogs, Wikis, Twitter und Co. für die interne Kommunikation z.B. für das Projektmanagement und die Arbeitsorganisation. Dadurch lernt man nicht nur die Funktionalität sondern auch die ersten möglichen Mehrwerte kennen.
Motivation ist ein äußerst wichtiger Faktor. Deshalb war ich auch sehr froh, dass ich letztes Jahr im Rahmen meiner Arbeit mit 8 Bibliotheken im Projekt „Lernort Bibliothek“ der Landesregierung Nordrhein-Westfalen die Institutionen mehrmals im Laufe eines Jahres besuchen und mit ihnen arbeiten konnte. So war es mir möglich, nicht nur inhaltlich sondern auch „psychologisch“ Einfluss zu nehmen, z.B. indem ich das Team motivierte oder Ängste z.B. bezüglich bestimmter Technologien und Aufgaben abbauen konnte. Meiner Meinung nach führt gerade die langfristige Begleitung einer Institutionen (z.B. mit Treffen alls 3 Monate) zum Erfolg.
Was den Nutzen angeht: Leider haben die meisten Unternehmen und Institutionen noch nicht erkannt, welche Möglichkeiten durch die Arbeit im Web 2.0 entstehen können. Ich stimme Dir zu, dass man am Ball bleiben muss – auch wenn man nicht sofort weiß, was dabei herauskommt. Zudem muss man akzeptieren, dass man dabei Fehler machen wird – aus denen man dann lernen kann. Social Media bedeutet zuerst eine Investition. Und was man nicht vergessen darf: es sollte Spass machen. Mir macht z.B. bloggen sehr großen Spass. Und deshalb bleibe ich da am Ball. Mir geht es dabei nicht nur um das Schreiben sondern vor allem um den Dialog – aus dem ich für meine tägliche Arbeit immer sehr viel mitnehmen kann.
beste Grüße
Christoph
Deshalb machen Workshops oder Seminare nur bis zu einem bestimmten Punkt Sinn, denn man muss selbst ausprobieren, wie das ist, wenn man sich im Social Web bewegt. Eigentlich ist es ein bisschen wie Autofahren lernen. Das kann man auch nur, indem man es tut. Und genauso wie der Fahrlehrer sollte auch im Social Web jemand neben einem sitzen.
Lieber Christian,
ich stimme Dir voll und ganz zu. Das Wichtigste bei der Arbeit im Social Web ist das eigene Ausprobieren. Deshalb sage ich ja auch, dass es dafür keine Gebrauchsanweisung gibt. Ich würde sogar behaupten, dass mit der erfolgreichen Erstellung eines Accounts bei Facebook und Twitter oder eines Blogs bei wordpress noch nicht viel erreicht wurde – ich möchte damit niemanden demotivieren:-) Aber jetzt fängt die eigentliche Arbeit erst an. Anders ausgedrückt: nur mit dem Vorhandensein eines Accounts bin ich nicht im Web 2.0 angekommen. Trotzdem ist es m.E. wichtig zu überlegen woran es liegt, dass der Wunsch nach einer Gebrauchsanweisung so groß ist. Es gibt sicherlich viele Gründe dafür. Ich möchte die zwei nennen, die m.E. in den meisten Fällen zutreffen.
1. Sehr viele Menschen haben einen sehr großen Respekt vor solchen Technologien. Die meisten Plattformen im Social Web sind zumindest in ihrer Basisnutzung nahezu selbsterklärend. Viele Menschen wünschen sich aber einen Lehrer, der ihnen alles genau erklärt. Viele meiner Seminarteilnehmer trauen es sich alleine nicht zu, z.B. mit Twitter zu arbeiten.
2. Wir haben in den meisten Unternehmen und Institutionen keinen Raum zum Ausprobieren. Hierbei geht es zum Einen um die Zeit und zum Anderen um die Möglichkeit Fehler machen zu können. Viele Teilnehmer haben die Sorge sowohl bezogen auf die Technologie als auch auf die Inhalte Fehler zu machen. Aber genau dies ist sehr oft nicht akzeptiert.
Ich glaube zudem, dass das was Du mit dem „Fahrlehrer“ beschreibst, die weitaus wichtigere Funktion ist. Deshalb versuche ich in meinen Projekten solche Basis-Schulungen nur als kleinen Teil des gesamten Projektes zu sehen – um dann in einem nächsten Schritt die von Dir angesprochene Fahrlehrer-Funktion einzunehmen.
Beste Grüße
Christoph