Liebe Leser,
heute werde ich mich auf eine sehr spannende Veranstaltung begeben. Es geht um die erste Politiker-LAN-Party im deutschen Bundestag. In den letzten Monaten wurde an verschiedenen Stellen sehr viel darüber geschrieben und ich bin gespannt, wie viele Besucher heute mitspielen werden. Die Veranstaltung wurde von drei Abgeordneten ins Leben gerufen: Dorothee Bär, Jimmy Schulz und Manuel Höferlin. Heute Abend können an 30 Stationen verschiedene Spiele ausprobiert werden. Zudem gibt ein spannendes Rahmenprogramm mit Vorträgen zu verschiedenen gamingrelevanten Themen.
Ich weiß nicht, wie die Veranstaltung aussehen wird, jedoch freue ich mich, dass so etwas (endlich) passiert. Computerspiele sind weitaus mehr als Quellen der Sucht und der Gewalt oder ein spannender Wirtschaftsfaktor. Computerspiele sind Teil unserer Gesellschaft. Sie sind ein Kulturgut geworden. Sie sind bunt, unterschiedlich und facettenreich – und es macht sehr vielen Menschen Spass sie zu spielen. Für mich hat ein gutes Computerspiel die gleiche Wertigkeit wie eine gute Opernaufführung.
Vor ein paar Wochen war ich auf dem 11Bar-Kreativcamp in Hamburg. Dort wurde u.a. überlegt, wie Theater sein sollte, damit man wieder mehr Menschen erreicht. Ich glaube, dass man Computerspiele als die neuen Theaterbühnen sehen kann. Dabei geht es nicht nur um das virtuelle Erlebnis bzw. die Digitalisierung von Kultur. Vor allem die Möglichkeit der Interaktion, der Teilhabe und der Einflussnahme auf das Geschehen machen sie so spannend. In den letzten Wochen habe ich immer wieder erlebt, dass ich mich vor dem Fernseher langweilte. Mir war dieses Medium sehr oft zu statisch. Ich wurde in eine passive Rolle gedrängt – mit dem Ergebnis, dass ich meinen PC anschaltete und mich für 1,5 Stunden in der bunten Welt von Mass Effect 2 bewegte. Trotzdem ist auch mir bewusst, dass wir nicht versuchen sollten, die vorhandenen Kulturbereiche gegeneinander auszuspielen. Es geht mir also nicht darum, mehr Computerspiele und dafür weniger Theater oder weniger Oper zu haben!
Natürlich werde ich über den Event berichten. Ich möchte aber schon jetzt zwei Punkte ansprechen die mir schon seit längerem durch den Kopf gehen.
1. Computerspiele vs. Computerspiele
Immer wieder fällt mir auf, dass die öffentliche Diskussion über Computerspiele vor allem aus zwei Richtungen geführt wird. Zum Einen geht es dabei um die Risiken, die vor allem in der Frage der Gewalt in Computerspielen sowie der Gefahr der Spielsucht gesehen werden. Zum Anderen spricht man über die Computergames-Industrie als wichtigen Wirtschaftsfaktor (oft auch als Teil der sog. Kreativwirtschaft) Beide Richtungen sind wichtig, greifen aber zu kurz. Zum Einen brauchen wir m.E. mehr Diskussion über die Optionen z.B. für die Kultur- und Wissensvermittlung. Hier gibt es viele spannende Ansätze und Projekte aber diese reichen meiner Meinung nach nicht aus. Es steht zu wenig Geld zur Verfügung, um in diesem Bereich zu experimentieren. Dies bringt mich zu meinem zweiten Punkt. Zwar wird mit Computerspielen sehr viel Geld umgesetzt. Dies betrifft aber nur einen Teil der Computerspiele. Die tollen Wachstumszahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, das es eine sehr große und spannende Independent-Szene von Entwicklern gibt, die sich sehr oft als Künstler sehen, die für die Welt der Computerspiele von elementarer Bedeutung sind und die kaum Geld verdienen. Wenn also Computerspiele Kulturgüter sind, dann sollten wir uns meiner Meinung nach überlegen, ob und wenn ja wie wir sie fördern können. Ich meine damit bewusst nicht nur eine Wirtschafts- sondern auch und vor allem eine Kulturförderung um die Kulturschaffenden in diesem Segment zu unterstützen und zudem die Möglichkeit des Experiments zu schaffen.
2. Ich Spiele nicht – weiß aber etwas…
Ich glaube, dass eine kritische Auseinandersetzung mit allen Facetten der Computerspiele sehr wichtig ist. Dazu gehört auch eine Diskussion über Gewalt, Inhalte, Moral, Spielsucht etc. Jedoch habe ich das Gefühl, dass sehr viele Menschen darüber reden, ohne jemals selber diese Welt betreten zu haben. Aus diesem Grund sind Veranstaltungen wie diese so wichtig. Politiker dürfen und sollen über Computerspiele diskutieren – aber sie sollten dann auch bereit sein, diese Spiele auszuprobieren. Dabei geht es nicht darum, die Politik zu missionieren. Aber wir brauchen mehr Menschen, die sich selber ein Bild gemacht haben. Dies ist übrigens meiner Meinung auch beim Thema Web 2.0 notwendig.
Ich bin gespannt, was mich heute erwartet. Sicherlich ist es keine echte LAN-Party, aber es ist ein Anfang auf den ich mich freue…
Liebe Grüße
Christoph Deeg