Das Mittwochs-Thema – Nachdenken über uns und die K.I.

Liebe Leser*innen,

in meinem letzten Beitrag habe ich die neue Struktur meines Blogs beschrieben. Jeden Mittwoch möchte ich mich mit einem Thema aus meiner Arbeit detaillierter beschäftigen. Und wahrscheinlich werden daraus kleine Serien oder auch Mosaike und Cluster werden.

Mein heutiges Thema ist K.I. Damit reihe ich mich ein in die gefühlt Millionen Beiträge zu diesem Thema und ich verzichte darauf, ein weiteres „Einstiegstutorial“ zu veröffentlichen. Wer sich mit dem Thema K.I. wirklich beschäftigen möchte, dem/der empfehle ich das Buch „Ein Algorithmus hat kein Taktgefühl – Wo künstliche Intelligenz sich irrt, warum uns das betrifft und was wir dagegen tun können“ von Katharina Zweig. Dazu gibt es von ihr auch einen spannenden Talk:

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K.I. als imaginärer Retter der Welt?

K.I. ist überall. Wir leben in einer Welt voller Heilsversprechen, voller Warnungen und voller angeblicher oder realer Projekte. Schon diese Betrachtung des Themas ist schwierig, denn es ist gar nicht leicht, die verschiedenen Perspektiven zu übersetzen, zu verbinden und dann in ihrer Komplexität zu diskutieren. Wir staunen über OpenAI und ChatGPT und zumindest ich schüttle den Kopf bei mancher Marketing-Kampagne oder – aus meiner Sicht – teilweise ziemlich dummen Aussagen von Personen wie Elon Musk.

Im Moment haben wir vor allem sehr viel Dynamik im System. Ich selbst führe zur Nutzung von K.I. Workshops durch und diskutiere im Rahmen der Reihe „Future Talks“ zu Nachhaltigkeit, Digitalität und Gesellschaft mit verschiedenen Expert*innen auch über dieses Thema. (die Future Talks sind ein Projekt der Kulturpolitischen Gesellschaft Deutschlands/KUPOGE in Kooperation mit dem Umweltbundesamt).

Weil wir es nicht schaffen, die einzelnen Diskussionsstränge zu verbinden, finden viele Diskussionen parallel statt. Und: es fehlen umfassende und nachhaltige Strategien bzw. eine Einbindung des Themas in vorhandene Digital-Strategien. Die große Frage ist nicht, ob K.I. einen Einfluss auf unsere Gesellschaft, unsere Institutionen und Unternehmen haben wird, sondern, was wir damit machen wollen, welche Mehrwerte gewünscht sind und wie wir die Risiken minimieren. Das Ganze muss in einem Format diskutiert werden, welches mit der Entwicklung-Dynamik kompatibel ist – ansonsten diskutieren wir morgen über die Inhalte von vorgestern.

Wovon reden wir, wenn wir über K.I. reden?

Wo also anfangen? Wie können wir uns dem Thema K.I. am besten nähern? Überlegen wir uns doch einfach mal, warum das Thema im Moment so relevant ist: K.I.-Modelle bzw. -Anwendungen gab es schon seit vielen Jahren, und sie wurden auch in unterschiedlichsten Kontexten genutzt. Die aktuelle Situation bzw. Aufmerksamkeit basiert darauf, dass sie nun quasi „für jedermann“ zugänglich sind. Anders ausgedrückt: es ist keine schwer zugängliche Technologie mehr. Modelle wie ChatGPT sind in der Lage, einen Zugang zu dieser Technologie für mehr oder weniger jeden Menschen zu ermöglichen. Und wir haben bereits gelernt, dass wir auf diese Art und Weise mit digitalen Inhalten und Plattformen arbeiten. Auch das sollten wir nicht vergessen:  Schon vor der K.I. gab es z.B. Generatoren für Webseiten oder andere digitale Angebote, bei denen man Inhalte erstellen konnte, ohne jegliche Programmierkenntnisse zu benötigen. WordPress ist ein gutes Beispiel. Auch die Low-Code- und No-Code-Ansätze gehen in diese Richtung.  Alle diese Konzepte fokussieren sich auf Inhalte und nicht auf die damit verbundenen Plattformen. Ich persönlich bin ein großer Fan von diesen „Technologie-Übersetzungen“. Ich will mich nicht mit Technologie befassen, sondern mit ihrer Nutzung, ihrer Anwendung und den damit verbundenen Möglichkeiten. Vor langer Zeit nutzte ich als Betriebssystem „Linux“ – und kehrte nach 18 Monaten zuerst zu Windows zurück, bis ich schließlich (endlich) auf Mac umstieg. Damals schrieb jemand auf Twitter:“Ich nutze Windows und nicht Linux, denn ich brauche eine Betriebssystem und kein Hobby“ – dem ist nichts hinzuzufügen.

Zudem haben wir gelernt, mit digitalen Werkzeugen zu spielen auch wenn das Ergebnis meilenweit von den Heilsversprechen entfernt ist und wir nur „Versuchskaninchen“ sind. Ich meine das ganz ernst: niemand kann ernsthaft behaupten, dass das, was wir im Moment in der Breite im Umgang mit KI erleben, wirklich zielführend ist. Ich selbst arbeite an verschiedenen Projekten in diesem Bereich, und alles ist noch ziemlich rudimentär.  Alle diejenigen, die schon mal versucht haben, wirklich professionelle Bilder oder Texte oder gar ganze digitale Kampagnen mittels K.I. zu erstellen, werden wissen, wovon ich rede: die Plattformen sind noch lange nicht ausgreift und viel zu „schwach“, als das damit wirklich große Inhalte generiert werden könnten.  Zwar kann in manchen Fällen eine wirkliche Zeitersparnis entstehen, wenn man nämlich nicht mehr selbst alle Inhalte erstellt. Aber das Anpassen und überarbeiten der Ergebnisse sowie der Aufbau von Kompetenz, um beispielsweise „prompten“ (–> bedeutet der K.I. zu sagen was sie machen soll) zu können, nimmt immer noch extrem viel Zeit in Anspruch.

Momentan ist immer noch die Magie des neuen relevant. Aber sobald man sich intensiver mit diesen Themen auseinandersetzt, stellt man fest, wie weit wir von wirklichen professionellen Umsetzungen entfernt sind. Damit er mich nicht falsch versteht: ich will das Thema auf keinen Fall kleinreden, man kann mit K.I. auch heute schon sehr viel anstellen.  Und ja, in der Zukunft wird es große Veränderungen in unserer Gesellschaft durch K.I. geben und bis jetzt haben wir keine Antworten auf die damit verbundenen Konsequenzen. Es ist geradezu absurd, dass in Werbekampagnen zu K.I.-Anwendungen darauf verwiesen wird, wie viele Personen man in Zukunft damit einsparen kann. Gewiss, dass alles folgt der Logik der Industrialisierung, und Roboter und andere Modelle haben wir auch schon vorher gekannt. Nicht nur Modetrends kommen wieder:-)

Und was machen wir jetzt mit HAL9000?

Das Risiko ist, dass wir den Optionsraum des Themas nicht verstehen, weil wir uns blenden lassen von dem bunten Feuerwerk der Heilsversprechen bzw. weil wir keine eigenen Heilsversprechen definieren und weil wir – auch hier – nicht auf die Idee kommen den digitalen Raum aktiv zu gestalten. Dabei wäre künstliche Intelligenz sehr hilfreich, wenn wir beispielsweise individuelle Assistenten für verschiedenen Lebenslagen entwickeln, die mit uns interagieren und die unsere eigenen Datenmodelle nutzen. Auch dafür gab es schon viele spannende Ideen: Ich denke dann nur an den wunderbaren Ansatz des VRMs, welchen man auch auf den ersten Seiten des Buches „The Clue-Train-Manifest“ schon vor über 20 Jahren lesen konnte. Dieser Ansatz hätte uns viele Diskussionen und Auseinandersetzungen im Bereich des Datenschutzes ersparen und weitaus bessere digitale Plattformen ermöglichen können. Und natürlich, für die großen Themen, wie Klimawandel, Demographie aber auch die Frage nach neuen Gesellschaftsformen, ist künstliche Intelligenz möglicherweise eine große Hilfe. Aber dafür müssen wir überhaupt erstmal eine umfassende Akzeptanz der Datengenerierung, Datensammlung und Datennutzung entwickeln. Das so etwas in demokratischen Staaten möglich ist und Mehrwerte bringt kann man seit vielen Jahren in Süd-Korea und Taiwan beobachten.

Die Frage ist, ob wir kulturell in der Lage sind, damit umzugehen. Und hier sehe ich große Schwierigkeiten beziehungsweise bin ich der Meinung, dass wir aus zwei miteinander konkurrierenden Perspektiven nicht in der Lage sind, vernünftig mit dem Thema umzugehen. Zum einen sind wir keine wirklich digitale Gesellschaft. Wir sind langsam und behäbig, uns fehlt ein Gefühl für digitale Entwicklungen, und wir haben bis heute nicht erlebt, dass die relevanten Institutionen und Organisationen unserer Gesellschaft in der Lage sind, umfassende und nachhaltige Digitalstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Uns fehlen schlichtweg die technologischen, funktionalen und kulturellen Rahmenbedingungen. Auf der anderen Seite agieren wir viel zu sehr in einer klassischen „Output-Fokussierung“: wir wollen mal eben den schnellen Erfolg, eben das schnelle Geld, machen uns zu wenig Gedanken darüber, was das für Konsequenzen haben könnte. Anders ausgedrückt: wenn ich davon rede, dass wir keine digitale Gesellschaft sind, dann ist damit nicht nur gemeint, dass wir in der digitalen Infrastruktur und anderen Bereichen Nachholbedarf haben, es bedeutet vor allen Dingen, dass wir keine Muster und Modelle entwickelt haben, die uns ermöglichen, mit solchen Themen nachhaltig und umfassend umzugehen.

Fazit:

K.I. ist gekommen um zu bleiben. Und wir werden damit leben müssen oder wir werden damit leben wollen. Im Moment ist das Ganze ein riesiger Spielzeugladen mit vielen spannenden Ansätzen aber es ist nur Spielzeug. Uns fehlen digitale Strategien, die in der Lage sind, solche Themen umfassend und nachhaltig zu implementieren. Irgendwann wird die Zeit der K.I.-Hackathons und K.I.-Partys vorbei sein und dann werden wir sehen, was wirklich relevant daran ist. Jetzt müssen wir Erfahrungen sammeln und wir müssen uns auf das nächste Level vorbereiten. Wir müssen überlegen, wo rote Linien sind, wir benötigen umfassende Enabling-Programme für unsere Gesellschaft, wie benötigen ein neues „Digital-Leadership“ und „Data Literacy“. Unternehmen müssen dieses Thema zu einem Teil ihrer Digitalstrategie machen oder aber überhaupt eine eigene und vor allem umfassende Digitalstrategie aufbauen. Wir sollten nicht vergessen: K.I. ist kein für sich stehendes Thema. Verbinden wir beispielsweise das Thema K.I. mit dem Thema Social Media. Dann erleben wir einen neuen Options- und Risikoraum und sehr viele Organisationen sind darauf nicht vorbereitet. K.I. ändert nicht die Regeln und nicht die Herausforderungen. Es erhöht die Dynamiken und es erhöht den Bedarf an der Entwicklung neuer und/oder Überarbeitung vorhandener Digitalstrategien. Es bleibt abzuwarten, ob Unternehmen wie Institutionen, Politik und Gesellschaft dazu in der Lage sind…

Beste Grüße Christoph Deeg

PS: dieser und alle anderen Inhalte auf meiner Webseite sind von mir alleine ohne Unterstützung einer K.I. erstellt worden. Gefundene Fehler sind also mir und nicht der Technologie anzulasten:-)

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