Interaktive digital-analoge Workshopformate

„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ – Friedrich Schiller, Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795)

Dieses Zitat beschreibt auf klare Art und Weise den Grundgedanken von Playful Experiences. Natürlich bin ich nicht der erste Mensch, der sich mit der Frage beschäftigt hat, wie man Spiel und reale Prozesse miteinander verbinden kann. Seit Jahrhunderten werden diese beiden Ansätze miteinander verbunden. Dieser Umstand beweist, dass es sinnvoll ist, über diesen Weg nachzudenken. In der Diskussion über diese Verbindung fällt auf, dass noch immer eher als exotisch wahrgenommen wird. Dies liegt u.a. daran, dass man mit Spiel immer noch eher Freizeit und Spass verbindet und dem Spiel als solches die Ernsthaftigkeit abspricht. Die Idee der Playful Experiences ist aber nicht exotisch gedacht. Sie soll nicht neue, wilde Wege in der Umsetzung von Workshops und Erfahrungsräumen gehen. Playful Experiences sind vielmehr der Versuch, derartige Prozesse „menschlicher“ zu gestalten.

Playful Experiences sind keine Spiele. Die Teilnehmer werden nicht in bunte Welten mit Punkten und Badges geschickt. Es geht nicht darum, einen Spass-Event durchzuführen. Playful Experiences sind individuell entwickelte und umgesetzte Workshopformate und Erfahrungsräume, bei denen die Teilnehmer reale Prozesse und Modelle verstehen, (weiter-) entwickeln und testen. Es gibt kaum ein Thema, bei dem dieser Ansatz nicht anwendbar wäre. Aber was genau sind Playful Experiences?

Die Idee der Playful Experiences ist einfach. Anstelle eines „klassischen“ Workshops bzw. eines klassischen Vermittlungsprozesses wird ein Modell entworfen, welches auf Spielmechaniken und Modellen aus Spielen basiert. Zuerst werden der reale Prozess bzw. die reale Zielsetzung analysiert. Hierbei geht es vor allem darum, die Kernfunktionen des Prozesses bzw. des Problems zu definieren. Ziel ist es, herauszufinden, an welcher Stelle der Workshop oder der Erfahrungsraum ansetzen muss. In einem nächsten Schritt wird nun überlegt, wie ein Workshop aussehen könnte, der den Teilnehmern die Möglichkeit gibt, die Kontexte und Prozesse nicht nur kennenzulernen, sondern die Inhalte und Rückkopplungseffekte am Beispiel der eigenen Organisation zu erfahren.

Aus diesen Überlegungen entsteht dann das Gerüst für einen Erfahrungsraum, der dann mit der Leitung der Organisation besprochen wird. Ziel dieser Absprachen ist es, dafür zu sorgen, dass die Playful Experience der Lebensrealität der Organisation sehr nahekommt.

Beispielprojekte – Projektskizzen:

Im Folgenden möchte ich zwei Umsetzungen beispielhaft beschreiben. Auch hier habe ich die Inhalte abstrahiert, um die Geschäftsgeheimnisse meiner Kunden zu schützen. Die Umsetzungsbeispiele beschreien nicht die einzelnen Spielmechaniken. Dies würde hier zu weit führen. Bei diesbezüglichen Rückfragen können Sie mich gerne kontaktieren.

Die Zukunftszeitung

Von einer Bank in Berlin wurde ich mit der Entwicklung und Durchführung einer Playful Experience zum Thema „Digitale Transformation“ beauftragt. Nach eingehender Analyse des Ist-Zustands der Bank und den Zielen des Transformationsprozesses entwickelte ich ein erstes Modell. Es beschrieb die notwendigen Funktionen der Experience sowie die damit verbundenen Schnittstellen in das Tagesgeschäft der Bank. Als Funktionen wurden definiert:

  • Die Experience soll keine Schulung zum Thema Digitale Transformation sein.
  • Die Teilnehmer sollen ihren individuellen gedanklichen Optionsraum erweitern. Damit ist eine Veränderung der Wahrnehmung des Themas, der eigenen Position und der Bank möglich.
  • Die Teilnehmer sollen verstehen, dass der Transformationsprozess von ihnen selbst entwickelt, gestaltet und umgesetzt werden muss – es gibt keine Gebrauchsanweisung für die Digitalisierung.
  • Die Teilnehmer, sollen und können sich in den Prozess mit ihren eigenen Fähigkeiten und ihren eigenen Sichtweisen einbringen.
  • Die Aufgabe der Führung ist nicht das Vorgeben von Prozessen, sondern das Definieren von Rahmenbedienungen.

Auf Basis dieser Funktionen entstand das Konzept der Zukunftszeitung. Zu Beginn wurden die Teilnehmer in vier Gruppen eingeteilt, wobei die Führungskräfte eine eigene Gruppe bildeten. Die Kernaufgabe für jede Gruppe war die Entwicklung einer Jubiläums-Wand-Zeitung aus dem Jahr 2035. Diese Zeitung beschreibt, wie die Bank zur erfolgreichsten Bank überhaupt wurde. Die Gruppen sollten zuerst den Zustand der Bank im Jahr 2035 definieren. Auf diesem Weg wurde seitens der Teilnehmer definiert, was überhaupt den Erfolg der Bank im Jahr 2035 definiert. In einem nächsten Schritt wurden nun die verschiedenen Schritte beginnend mit der Gegenwart bis in das Jahr 2035 skizziert. Dabei sollte es immer um reale Prozesse gehen. Es wurde also immer die reale Bank gedanklich transformiert. Über den Rückblick, als die umgekehrte Betrachtung des Transformationsprozesses entwickelten die Teilnehmer ein eigenes Transformationskonzept. Es konnte so auch festgestellt werden, wo die Teilnehmer sich und die Bank als Ganzes im Kontext der Digitalen Transformation verorten.

Ein weiterer wichtiger Punkt war das Identifizieren aller realen Punkte, die gegen den Erfolg des Transformationsprozesses sprechen. Allerdings sollten nicht nur die Problemstellungen, sondern auch die Lösungen bis ins Jahr 2035 beschrieben werden. Auf diesem Weg konnten auch kritische Töne aufgenommen und bearbeitet werden. Somit wurde verhindert, dass Bedenken und Kritik übergangen wurden. Ziel war also eine ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Organisation und ein Erkennen, dass man selbst in der Lage ist, diesen Weg der Transformation zu gehen. Die Arbeits- und Diskussionsphasen wurden unterbrochen durch fachliche Inputs durch meine Person. Somit wurden immer neue Perspektiven und Kontexte in den Prozess eingebracht.

Der Ansatz war ein voller Erfolg und wurde in dieser Bank schon öfter wiederholt und von mir weiterentwickelt. Abgewandelte Versionen wurden in weiteren Banken, Unternehmen und Kulturinstitutionen durchgeführt.

Der Marktplatz der Ideen

Für verschiedene Kultur- und Bildungsinstitutionen habe ich das Konzept des „Marktplatz der Ideen“ entwickelt. Ziel dieser Experiences ist es, gemeinsam Ideen für neue Angebote zu entwickeln. Das Problem war, dass die Teilnehmer nur geringe Kenntnisse über die vorhandenen Optionen vorweisen konnten. Aus diesem Grund mussten inhaltliche Inputs in verschiedenen Formaten eingeplant werden. Zudem mussten die Teilnehmer in die Lage versetzt werden, gemeinsam über die Umsetzung nachzudenken. Die Herausforderung war also zum einen, dass die Teilnehmer zwar externe Inputs benötigten, es dabei aber zu keiner „Abhängigkeit“ zu externen Experten kommen durfte. Zum anderen musste ein Weg gefunden werden, dass interne Probleme besprochen und behoben werden können.

Die Experience teilte sich in drei Abschnitte auf. Im ersten Abschnitt wurden alle Ideen und Ansätze der Teilnehmer in einem gemeinsamen Ideenpool gesammelt. Danach wurde das jeweilige Team in drei Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe wählte nun drei Ideen aus dem Pool und versuchte diese weiterzuentwickeln. Flankiert wurde dies mit kurzen Interventionen von mir. Jede Intervention beinhaltete Ideen und Gedankengänge. Definiert wurden die Interventionen als Ressourcen. Jede Gruppe musste überlegen, ob und wenn wie sie die jeweiligen Ressourcen in ihre Konzepte einbaut, wobei sie nur 20% der Ressourcen ablehnen durfte.

Der zweite Abschnitt war die Markt-Präsentation. Die Gruppen präsentierten den anderen Gruppen ihre Ideen mit dem Ziel, dass sie die anderen Gruppen überzeugen, diese Ideen ebenfalls zu übernehmen. Nach der Präsentation wurden die Ideen diskutiert. Dabei hatte jede Gruppe eine feste Rolle, die sich aber in jedem Durchgang änderte. Jede Gruppe war je einmal Verkäufer, Skeptiker und Optimist. Die Verkäufer präsentierten ihre Ideen. Die Skeptiker mussten sofort danach erklären, warum dies seitens der Institution nicht umsetzbar ist und die Optimisten mussten ebenfalls direkt im Anschluss daran erklären, wie die von den Skeptikern benannten Probleme gelöst werden konnten. Auf diesem Weg wurden keine Gruppe und keine Einzelperson in eine positive oder negative Rolle gedrängt. Jede/jeder Teilnehmer*in war irgendwann Verkäufer, Skeptiker oder Optimist.

Der dritte Abschnitt war der Handel der Ideen. Jedes Team musste zwei Ideen abgeben und zwei neue bekommen. Dabei musste die Gruppe, die eine Idee haben wollte, erklären, warum ausgerechnet sie diese Idee haben will. Die abgebende Gruppe wiederum hatte dann das Recht, sich bei der Gruppe, mit der der Handel zustande kam, sich eine Idee auszusuchen.

Nach diesem dritten Abschnitt wurde der gesamte Zyklus wiederholt. In einem besonderen Fall wurde ein vierter Abschnitt hinzugefügt, bei dem aus den finalen Ideen dann Gesamtkonzepte für die Institution entwickelt werden mussten.

Auch dieser Ansatz hat sich bewährt und kann immer wieder neu angepasst und erweitert werden.

Die hier beschriebenen Projekte sind nur zwei Beispiele möglicher Umsetzungen. Jede Playful Experience ist einzigartig und wird neu entwickelt. Dieser Ansatz wird immer wieder mit dem Konzept der Gamified Transformation sowie digitalen Transformationsprozessen kombiniert.

Wenn Sie mehr über diesen Ansatz wissen wollen, lesen Sie gerne meinen Blog oder kontaktieren Sie mich unter c.deeg@christoph-deeg.com