Das Local-Based-Gaming-Mexiko-Projekt – Teil 5.

Liebe Leser,

heute komme ich zum fünften Teil meiner kleinen Serie zu meinem Local-Based-Gaming-Projekt in Mexiko. Mit dem fünften Workshoptag ist die erste Runde zu Ende. Weitere Workshoprunden werden im Februar, im März und im April folgen. Ich bin also noch ein paar mal hier:-) Am fünften Tag haben wir uns mit der App von Espoto beschäftigt. Die App ist die Basis unseres Spiels und ich bin immer wieder begeistert, welche Möglichkeiten sich mit der App ergeben. Ich kenne das System schon länger und so langsam habe ich eine Idee, wie wir alle Optionen ausreizen können. Aber hier ging es nicht um alle Funktionen und Möglichkeiten, sondern um ein erstes Kennenlernen und Ausprobieren. In vergleichbaren Projekten habe ich gelernt, dass man die Technologie nicht zu früh zeigen sollte. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich die Teilnehmer nur auf die Funktionen der App konzentrieren und damit massiv limitiert werden. Deshalb haben wir auch an den ersten vier Tagen einfach Ideen gesammelt, gelernt und Orte besucht. Zudem kann man durch das Konzept der Outgame Experiences bzw. Out-App-Experiences nahezu unendliche Aufgaben-Sequenzen erstellen. Aber dazu später mehr.

Wie gesagt habe ich zuerst einen rudimentären Einblick in die App. gegeben. Selbst ein rudimentärer Einblick kann ganz schön komplex werden. Die App. ermöglicht ja nicht nur das Besuchen von Orten, das Lösen von Aufgaben etc. Sie ermöglicht auch das Spielen in Teams, Chats zwischen den Spielern und/oder zwischen einem Moderator, unsichtbare Orte, die, wenn man Ihnen zu nahe kommt, zu einem Verlust der Punkte führen, iBeacons, Indoorkarten etc. Würde ich alle Funktionen auf einmal zeigen wollen, würden wir einen ganzen Tag brauchen – und am Ende hätten die Teilnehmer die Hälfte wieder vergessen. Deshalb werden wir in jeder Workshopwoche in den nächsten Monaten einen weiteren Teil der App. kennen lernen.

Mit Kennenlernen meine ich nicht nur das Beherrschen der Technologie, sondern vor allem das Verständnis, der damit verbundenen Möglichkeiten. Bezüglich der Möglichkeiten gilt es wiederum verschiedene Ebenen zu unterscheiden. Zuerst gibt es die technologischen Möglichkeiten, die sich aus der normalen Nutzung der App. ergeben. Hierbei handelt es sich um alle Funktionen, die das Spiel bietet. Dazu gehören z.B. die Möglichkeit Textfragen zu beantworten, Multiple-Choice-Fragen zu beantworten, Fotos und Videos hochzuladen etc. Die zweite Ebene ist die Nutzung der Funktionen entgegen der klassischen Ansätze. Nehmen wir das Beispiel der Open-Multiple-Choice-Fragen. Bei diesen Fragen sind alle Antworten richtig. Ich kann dies aber nutzen um z.B. moralische Entscheidungen zu erstellen. So kann ich z.B. den Spieler entscheiden lassen, welches Mitglied der (fiktiven) Familie bzw. Gruppe zurückgelassen bzw. geopfert wird. Oder ich verzichte auf bestimmte Ressourcen. Oder aber ich stelle auf diesem Weg verschiedene Inhalte zur Verfügung, und frage diese später erneut ab. Die Dritte Ebene ist schließlich die Interaktion mit dem Ort. Hierzu gehören auch die schon beschriebenen Outgame Experiences. Und genau um diese ging es im zweiten Teil des Workshops. Die App. ist in ihren Möglichkeiten natürlich limitiert. Aber ich kann außerhalb der App. Spiel-Sequenzen erstellen. Wenn also die App. als Aufgabe kommuniziert, man solle einen geheimen Code finden, dann kann ich außerhalb der App. eine Sequenz von komplexen Aufgaben erstellen, an deren Ende der geheime Code gefunden wird, den ich dann wiederum in die App. eingebe. Und so haben wir als Gruppenarbeit, für jede Funktion der App. eine bzw. mehrere Konzepte für umfassende Spielsequenzen entwickelt.

Ziel ist dabei nicht die Vermittlung von Informationen. Es geht also nicht darum, zu lernen, wie der Bibliothekskatalog funktioniert oder welche Abteilungen es in der Bibliothek gibt. Dies ist nämlich letztlich gesehen langweilig. Ziel ist vielmehr, dass die Spieler motiviert werden, all diese Dinge auszuprobieren und zu erleben, welche Verbindung zu ihrer Lebensrealität – im Kontext des Spielens kann dies auch eine fiktive Realität sein, da sie sich für den Spieler an sich als real anfühlt – existiert. Spieler, die Pokemon oder Minecraft spielen, haben kein Problem mit der Komplexität einer Bibliotheksdatenbank – sie sind schlichtweg nicht intrinsisch motiviert, diese zu nutzen. Und  – so ehrlich muss man sein – die Oberflächen der meisten digitalen Angebote von Museen, Bibliotheken und Archiven könnten viel von der Logiken der Welt von Gaming und Gamification lernen.

Nach diesem Workshop beginnt die Online-Phase. Die teilnehmenden Bibliotheken haben Hausaufgaben bekommen und werden von mir online begleitet. Wir nutzen Chats und Dropbox und natürlich das CMS der Espoto-App.

Heute werde ich mich mit dem Beantworten von Mails und dem Erstellen meiner Präsentation für meinen Vortrag in Chile beschäftigen. Am Nachmittag geht es dann nochmal in das Zentrum von Mexiko ansehen. Heute mal nur als Tourist – ich möchte noch analoge Postkarten kaufen:-)

Die Woche in Mexiko war sehr spannend. Ich bin sehr glücklich, dass ich solche Projekte umsetzen darf. Und dazu gehören nicht nur die Projekte in weit entfernten Ländern. In Hannover, Braunschweig und Neuss werde ich auch aktiv sein. Nochmals vielen Dank an das Goethe-Institut in Mexiko, welches diese Projekt ermöglicht. Vielen Dank auch an die beiden tollen Übersetzerinnen. Und vor allem vielen Dank an die teilnehmenden Bibliotheken.

Beste Grüße

 

Christoph Deeg

PS: nach einer Woche kennen mich die Kellner im Hotel und in der tollsten Buchhandlung der Welt so gut, dass sie schon genau wissen, was ich esse und trinke und alles automatisch kommt:-)

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