Mr. Spock und die digital-analoge Lebensrealität

Liebe Leser,

am Wochenende erreichte mich bzw. uns alle eine traurige Nachricht. Mr. Spock ist gestorben. Wobei wir eigentlich sagen sollten: Leonard Nimoy ist gestorben.

Nimoy war nicht nur der Darsteller von Mr. Spock in Star Trek, er war ebenso Fotograf, Musiker, Schriftsteller, Regisseur etc. Und doch erinnern sich die meisten Menschen vor allem an Mr. Spock.

Die TV-Serie Star Trek – in Deutschland unter „Raumschiff Enterprise“ bekannt – hat mich über viele Jahre begleitet. Ich bin kein „Trekkie“, ich trage keine Star-Trek-Kostüme und war auch noch nie auf einer Convention, aber trotzdem sind die Star-Trek-Figuren Teil meiner Lebensrealität geworden.

Der erste Kontakt zu Mr. Spock fand in meinem Elternhaus statt. Wir hatten im Wohnzimmer einen Farbfernseher und im Schlafzimmer meiner Eltern einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher. Und genau auf diesem kleinen Fernseher erlebte ich Star Trek. Das spannende waren die Geschichten – und manchmal war das alles ein bisschen gruselig:-)

Ein paar Jahre später – es gab schon einige Star Trek-Filme – besuchte ich meinen guten Freund Markus in einem Nachbardorf (ich bin auf einem kleinen Dorf aufgewachsen). Er hatte schon damals ein Faible für Kino-Anlagen. Dieses Interesse sorgte dafür,

  • dass ich mir von ihm, als ich 15 Jahre alt war, Lautsprecher bauen ließ, die ich heute noch habe
  • dass er heute Tontechniker ist
  • dass wir uns an diesem Nachmittag Star Trek 6 „Das unentdeckte Land“ ansahen

Letzteres war schon ein bisschen emotional, denn nun war es vorbei mit der alten Crew. Kirk, Spock und Co. sollten abmustern und am Schluss gab es noch die Unterschriften der einzelnen Schauspieler zu sehen – ja, Hollywood beherrscht schon die ganze Klaviatur des emotionalen Popcorn-Kinos:-)

Erst später begann ich damit, mich intensiver mit den Inhalten und Ideen der Serie auseinander zu setzen. Natürlich war und ist Star Trek keine Philosophie-Stunde. Und natürlich bleibt alles an der Oberfläche und doch gab und gibt es einiges, was faszinierend ist. Auch wenn der WARP-Antrieb, Phaser, Holodecks etc. sehr phantastisch und irreal klingen – irgendwie schaffte es die Serie immer, die Technologie in den Hintergrund zu schieben. Es ging nicht um ein Raumschiff oder eine übersinnliche Macht oder ein höheres Ziel. Es gab eine Crew und eine oberste Direktive und voila – der Rest ist Geschichte.

Dass Star Trek viele Entwickler und Ingenieure inspirierte, dass die Serie quasi die Quelle von Konzepten wie Klapphandys, Tablets und minimal invasiven Eingriffen ist, ist natürlich wichtig und richtig. Aber diese Erkenntnis kam mir erst viel später. Star Trek sorgte vielmehr dafür, dass Zukunftstechnologien „normal“ wirkten. Das war der Gegensatz zu Star Wars, wo man letztlich ein fantastisches Märchen erlebt.

Aber kommen wir zurück zu Spock. In vielen Medien wird Spock als Figur beschrieben, die immer ruhig und rational, basierend auf Logik agierte. Ich glaube, dass diese Sicht zu kurz greift. Spock war zur Hälfte Mensch und das spannende an der Figur war diese Zerrissenheit zwischen diesen beiden Welten. Auch wenn er in den meisten Situationen scheinbar rein rational agierte, war er doch immer wieder mit den eigenen oder fremnden Emotionen konfrontiert. Und gerade im sechsten Teil der Film-Serie gab es einige rückschauende Dialoge mit Kirk, die einen sehr nachdenklichen und m.E. „emotionalen“ Spock zeigten.

Was hat das Ganze mit Social Media oder Digitalen Strategien oder gar Gaming/Gamification zu tun?

Wie gesagt habe ich „damals“ die Technologien nicht wahrgenommen. Technologische Inspiration fand in diesem kindlichen Stadium nicht statt. Aber Spock, die Enterprise und die damit verbundene Technologie-Welt wurden Teil meine kulturellen Identität. Der Einfluss war also eher schleichend. Es war, als würde im Hintergrund eine neue Welt voller Optionen geöffnet. Spock wurde zu einem Symbol einer virtuellen Welt, die einen direkten Bezug zu meinem Leben hatte. Star Trek sorgte dafür, dass diesen Technologien das märchenhafte wie z.B. in Star Wars genommen wurde. Technologien wurden möglich und Fortschritt wurde zu etwas normalem und guten. Der große Sprung geschah, als aus einem Communicator bei Star Trek das Klapp-Handy von Motorola wurde. Ab diesem Moment holte die Gegenwart die Zukunft ein. Star Trek war nicht mehr nur Science Fiction, die Serie hatte unsere reale Welt auf reale Art und Weise beeinflusst.

Wenn man nun wie ich einer fiktiven Person nachtrauert, dann trauer ich nicht wirklich der Figur nach. Ich trauere vielmehr dem nach, was ich in dieser Zeit war. Spock lässt uns zurück wandern in unsere Kindheit und Jugend, in der wir unsere Helden-Technologien hatten und in der wir uns schwer vorstellen konnten, dass es mal sowas wie Facebook oder AR gibt. Das mindert nicht die Person Leonard Nimoy. Im Gegenteil, es ist mit sein Verdienst, dass Star Trek zu dem wurde, was es war und ist: ein Zugang in eine Zukunft mit einer starken Verbindung zu unserer individuellen Vergangenheit.

Lebe lang und in Frieden…

 

Christoph Deeg

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