Datenschutz – Missverständnisse im Un-Internet

Liebe Leser,

sie haben es getan. Sie haben es sogar öfter getan. Wahrscheinlich tun sie es immer noch: Geheimdienste wie die NSA lesen unsere Onlinekommunikation. Der mediale Aufschrei war groß. Mit Prism schien sich die größte aller Horrorvisionen zu bestätigen. Für diejenigen, die schon immer der Meinung waren, dass aus den USA alles böse kommt – man kann diese Idee je nach Tagesform wunderbar auch auf China und Russland anwenden – war dies Wasser auf ihre Mühlen. Wenn man weiß wer der Böse ist, hat der Tag Struktur:-) Diejenigen, die die digitale Welt für den Dämon halten, der die Erde versklaven wird konnten sich nun ebenfalls bestätigt fühlen. Datenschützer hatten sowieso einen guten Tag, denn wann bekommt man schonmal so eine Steilvorlage? Dann gibt es natürlich auch die Obama-Enttäuschten. Für Sie ist die Enttäuschung kaum auszuhalten. Sie glaubten, Obama wäre eine Art Weltpräsident, der alles wieder gut macht. „Yes we can“ – das war nicht nur ein Wahlspruch sondern eine globale Vision. Nun erlebt diese Gruppe, dass Obama einfach nun ein weiterer US-Präsident ist und dass er vor allem ein US-Präsident ist.

Damit man mich nicht falsch versteht: Datenschutz ist wichtig und das Verhalten der Geheimdienste ist unerträglich. Ich sympathisiere auch nicht ansatzweise mit deren Herangehensweise. Trotzdem möchte ich hier ein paar allgemeine Gedanken zur Diskussion stellen. Sie sollen das Verhalten der Geheimdienste nicht relativieren aber vielleicht unser Verhalten erklären. Denn auch wenn das Thema in den Medien breit diskutiert wurde, gibt es immer noch einiges zu sagen.

Sicherheit und Datenschutz
Meiner Meinung nach ist die Diskussion um den Datenschutz und das Verhalten der Sicherheitsbehörden vor allem ein Spiegelbild unserer aktuellen gesellschaftlichen Situation. Glaubt man den Panikexperten zum Thema Datenschutz, stehen wir kurz vor dem absoluten Überwachungsstaat. Und in der Tat hat sich in den letzten Jahren einiges verändert. Die Nachrichtendienste rüsten auf. Sie wollen alles wissen. Und gleichzeitig soll niemand wissen, dass sie alles wissen. Unsere Behörden sowie die Politik halten sich mit Kommentaren zurück. Schließlich ist davon auszugehen, dass auch diese Institutionen aktiv am Datensammeln sind. Und was haben wir denn von den Sicherheitsbehörden erwartet? Sie sind die ultimativen Hofhunde. Ihre Aufgabe ist es „uns zu beschützen“. Sie sollen Daten sammeln und auswerten und sie sollen dafür sorgen dass die bösen Jungs nicht bei uns sondern gar nicht oder zumindest nicht bei uns böse Dinge tun. Nun kann aber Jeder ein böser Mensch sein, also müssen – nach der Logik der Nachrichtendienste – auch alle Menschen überwacht werden. Ob sie dies erfolgreich tun oder nicht wissen wir nicht. Das ist und bleibt geheim. Die Frage die wir uns stellen müssen ist letztlich die, ob es sicherer ist, dass die Behörden uns oder wir die Behörden überwachen.

Wen interessiert Datenschutz überhaupt?
Ob diese Frage wirklich in der gesamten Gesellschaft diskutiert wird bleibt abzuwarten. Im Moment bin ich da skeptisch. Die Prism-Affäre war zwar ein großes Thema in den Medien aber der Aufschrei in der Bevölkerung war eher gering. Es gab keine Massendemonstrationen und auch keine Massenaustritte aus Plattformen wie Facebook und Co. Die meisten Menschen gehen sicherlich davon aus, dass das Problem für Sie keine Bedeutung hat. Schließlich sind sie keine Terroristen. Wer sich nichts zu Schulden kommen lässt, muss auch keine Angst haben. Würde die DFL entscheiden, dass die Fussbal-Bundesliga nicht mehr im Free-TV zu sehen wäre, der gesamtgesellschaftliche Aufschrei wäre sicherlich um einiges größer. Ich behaupte, den meisten Menschen ist dies Thema egal bzw. sehen die keinen direkten Bezug zu ihrer Lebensrealität. Und auch ich habe mir keine so großen Sorgen gemacht. Ich bastel in meiner Freizeit keine Bomben, gehöre keiner extremistischen Organisation an und ich bin auch nicht Mitglied in einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Terroradmins“. Zudem habe ich in den letzten Jahren immer wieder in den Bereichen Gaming und Social-Media mit der US-Botschaft zusammengearbeitet. Mir war klar, dass ich irgendwann „durchleuchtet“ worden bin – und offensichtlich bin ich harmlos:-) Das Problem ist aber nicht die Frage ob ich oder irgendjemand anders ein Terrorist ist. Staaten definieren ihre eigenen Interessen und Sie agieren gegen die Personen, die diesen Interessen widersprechen. Wir können aber nicht wissen, ob irgendetwas was wir heute tun oder posten in der Zukunft gegen das Interesse eines Landes oder Unternehmens verstößt. Wir wissen auch nicht, an wen diese Daten weitergegeben werden bzw. wer darauf Zugriff hat. Wie aber gehen wir damit um?

Daten sammeln und Daten konsumieren
Datensammeln ist ein Volkssport. Daten werden überall gesammelt und in vielen Fällen ist dieses Datensammeln gut und hilfreich. Das Problem lag nie bei den Daten sondern immer nur beim damit verbundenen Umgang. Unternehmen sammeln Daten um bessere Geschäfte zu machen. Und der Erfolg der meist gelesenen Tageszeitung in Deutschland – mit sehr großen Buchstaben – basiert auf dem Sammeln von persönlichen Daten von Personen, die dagegen nichts tun können. In diesem Fall dürfen sogar die Daten veröffentlicht und in teils extreme Sinnzusammenhänge gebracht werden. Welchen Datenschutz genießen diese Menschen? Versteht mich nicht falsch: die Pressefreiheit ist für unsere Gesellschaft von größter Bedeutung. Und sie sollte auch nicht infrage gestellt werden. Aber mit welchem Recht wird eine Person für öffentlich interessant erklärt, damit man dann ihre intimsten Geheimnisse an die Boulevard-Oberfläche zerrt?

Warum Obama kein Social-Media-Best-Practise-Beispiel ist
Im Onlinemarketing ist das Sammeln und Auswerten von Daten eine Kernaufgabe. Es ist fast schon paradox, dass gerade die Social-Media-Strategien von Barack Obama als Vorbild für viele Social-Media-Manager dienen. Und hier liegt m.E. auch das Kernproblem: In vielen Fällen wird Social-Media bzw. die digitale Welt nur als weiterer Vertriebskanal gesehen. Im Bereich Social-Media war Barack Obama der Superstar. Er nutzte Twitter, Facebook und Co. und er war damit erfolgreich. Aber letztlich haben er bzw. sein Team nur Social-Media-Werkzeuge genutzt. Eine wirklich Interaktion mit den Menschen oder gar ein Verständnis für die damit verbundenen Möglichkeiten vor allem für die analoge Welt ist offensichtlich nicht vorhanden. Das ist schade – aber es zeigt auch, wie weit wir noch von einer echten Digital-Analogen Kultur entfernt sind. Dabei darf man nicht vergessen, dass paradoxerweise gerade das US-State-Department in vielen Ländern Social-Media nutzt um Demokratie und Menschenrechte zu fördern. Wie passt das zusammen?

Die USA – das etwas andere Land
Für mich persönlich ist noch ein weiterer Aspekt interessant: Die aktuelle Situation der USA. Auf der einen Seite ist dort diese unglaubliche Innovationskraft. Gerade in der digitalen Welt ist dies sehr gut zu beobachten. Die wirklich relevanten Unternehmen kommen zumeist aus den USA. Facebook, Google, Twitter, Apple etc. stehen für den Aufstieg der digitalen Welt. Europäische bzw. Deutsche Unternehmen und Institutionen können bis heute nichts vergleichbares entwickeln. Dieser Zustand wird auch in den nächsten Jahren anhalten. Wir mögen in der Lage sein, Autos zu bauen und Fussball zu spielen. In der digitalen Welt bleiben wir weit hinter den USA und in Zukunft Asien zurück. Aber die USA sind kein globales Innovationslabor. Die USA schwächeln. Für immer mehr US-Amerikaner ist der „American Dream“ zu einer Satire-Show verkommen. Städte wie Detroit sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der Niedergang ist sichtbar – und er ist schockierend. Offensichtlich ist es Gesellschaften bis heute nicht möglich, die Kultur und Innovationskraft des Internets auf andere Gesellschaftsbereiche zu übertragen. Institutionen, Unternehmen, Behörden, Politikern etc. geht es zumeist um die Kontrolle der digitalen Medien bzw. deren Nutzung für ihre eigenen Interessen. Es geht zumeist um Kommunizieren aber nicht um einen Dialog.

Die Lösung kann nur von den Menschen kommen
Letztlich werden keine neuen Gesetze, keine Datenschützer und keine Talkshows irgendetwas ändern können. Wir werden auch nicht verhindern können, dass Sicherheitsbehörden weiterhin Daten sammeln und auswerten. Das einzige was wir tun können ist, die digitale Welt aktiv zu gestalten. Die aktuelle Diskussion darf nicht dazu führen, dass Unternehmen und Institutionen noch zaghafter mit dem Internet umgehen. Gerade der Kultur- und Bildungssektor hat hier eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Wir brauchen Digitale Gestalter. Und wir brauchen Internetbewohner, die sich die Mühe machen, die Internetbesucher mitzunehmen. Nicht der Gesetzgeber sondern der Bürger ist gefragt. Wir müssen uns überlegen, wie wir eine Digital-Analoge Gesellschaft gestalten können.

Beste Grüße

Christoph Deeg

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