Social-Media und die Krise des Kulturmanagements

Liebe Leser,

gestern Abend hat eine kleine Gruppe auf Facebook zum Thema Kulturmanagement diskutiert. Ausgehend von einem Hinweis auf ein neues kostenpflichtiges Portal für den Bereich Kulturmanagement des Raabe-Verlages entstand eine Diskussion über das Kulturmanagement an sich. Alle Beteiligten empfanden die Diskussion als sehr spannend und es kam der Wunsch auf, diese Diskussion weiter zu führen. Nun ist es so, dass Facebook eine geschlossene Plattform ist. Dies bedeutet, dass sehr viele vermeindlich Interessierte nur dann mitdiskutieren können, wenn Sie ebenfalls bei Facebook sind. Dies stellt eine digitale Barriere dar. Aus diesem Grund habe ich vorgeschlagen, die Diskussion zu verlagern bzw. auf weitere Plattformen zu erweitern. Ich möchte im Folgenden meine Grundgedanken zur Diskussion stellen. Hierfür habe ich meinen gestrigen Beitrag um ein paar Punkte erweitert.

Vorab noch eine mir wichtige Bemerkung: Ich bin ein großer Fan von Kulturinstitutionen und es gibt einige tolle Kulturmanager da draußen. Und mir ist ebenso bewusst, dass Kulturinstitutionen verschiedene Probleme und Aufgabenbereiche haben. Die folgenden Gedanken sind das Ergebnis vieler Gespräche und den Erfahrungen meiner täglichen Arbeit. Sie stellen meine persönliche Sicht der Dinge dar:

Das Kulturmanagement befindet sich in einer Krise. Sicherlich nehmen die meisten Kulturmanager diese Krise nicht wahr, denn man erkennt sie nicht, wenn man innerhalb des Systems der Kulturinstitutionen lebt und arbeitet. Wir müssen erkennen, dass wir bezüglich Social-Media (und vieler weiterer Technologien bzw. Kulturformen) und Kulturinstitutionen noch immer am Anfang stehen. Bis auf ein paar spannende Leuchtturmprojekte sind die Kulturinstitutionen in der Breite noch immer kein elementarer Bestandteil des Web 2.0. Wer eine Facebookseite oder einen Twitteraccount sein Eigen nennt ist noch lange nicht im Web 2.0 angekommen. Jetzt geht es erst los. Diese aktuelle Situation ist m.E. auch und vor allem ein Versagen des Kulturmanagements. Es sollten Kulturmanager sein, die die daraus resultierenden Möglichkeiten verstehen und damit arbeiten. Es sollten Kulturmanager sein, die über den Tellerrand der Kulturinstitutionen hinaussehen und den gesellschaftlichen Impact bzw. die Chancen und natürlich auch Risiken verstehen und das Web aktiv gestalten. Der gesellschaftliche Impact von Kulturinstitutionen ist schon gering. Von nahezu allen Kulturpolitikern und Kulturexperten wird zugegeben, dass nur eine verschwindend kleine Gruppe der Gesellschaft erreicht wird. Und wenn wir aus den Besucherstatistiken alle diejenigen herausrechnen würden, die „unfreiwillig“ Besucher wurden – z.B. Schulklassen – wie sähe es dann aus? Der ohnehin schon geringe gesellschaftliche Einfluss wird noch verstärkt, wenn sich Kulturinstitutionen weiterhin so langsam auf das Web 2.0 zu bewegen. Versteht mich nicht falsch ich freue mich über jede Institution, die mit Aktivitäten im Social Web startet. Und einige dieser Institutionen darf ich begleiten. Aber der Status Quo reicht nicht. Google+ zeigt wie wenig Kulturmanagement anscheinend leisten kann. Innerhalb von ein paar Wochen sind weltweit über 20.000.000 Menschen bei Google+. Dies sind die Geschwindigkeiten um die es geht. Und der Erfolg von Google+ ist nur eines: die Lust und der Spass von Millionen von Usern etwas Neues auszuprobieren.

Ich glaube, dass sich die Krise aber nicht alleine auf die Aktivitäten im Web auswirkt. Vielmehr ist die aktuelle Situation m.E. nur ein Symptom für ein Kulturmanagement, welches nicht gestaltet und einen zu geringen Einfluss hat. Kulturmanager sollten in der Lage sein, Visionen zu entwickeln und zu realisieren. Sie sollten weniger Verwalter von Kultureinrichtungen bzw. um BWL-Grundkenntnisse erweiterte Kulturfreunde sein.

Unternehmen wie Google und EA werden immer mehr zu den neuen Kulturinstitutionen. Das Digitalisierungsprogramm von Google ist vor allem ein Ergebnis eines guten Managements und einer neuen Denk- und Arbeitsweise. Bis heute konnten die europäischen Kultur- und Bildungsinstitutionen nicht ansatzweise etwas gleichwertiges anbieten. Bis heute ist es so, dass die Kulturinstitutionen die Letzten sind, die sich mit neuen Technologien und den damit verbundenen Kulturformen beschäftigen bzw. diese aktiv nutzen und damit gestalten. Solange Kulturinstitutionen im Web 2.0 primär und teilweise auch ausschließlich einen PR-Kanal sehen, werden wir nicht viel erreichen. Social-Media ist eine neue Denk- und Arbeitsweise und es geht darum, diese Denk- und Arbeitsweise zu einem Teil der gesamten Institution zu machen.

Wir leisten uns mit dem Begriff Kulturmanagement einen einzigartigen Luxus. Natürlich ist es wichtig, dass man in Kulturinstitutionen auf Management- und Marketing-Know-How zurückgreifen kann. Was aber macht diese Disziplin in der Praxis so besonders? Welche Fähigkeiten brauchen Kulturmanager, um aktiv in die überall geforderte und zugleich anscheinend zu selten stattfindende Weiterentwicklung der Kulturinstitutionen eingreifen zu können? Welche Vision haben Kulturmanager? Ich glaube, die Tatsache, dass immer mehr Kulturmanager ausgebildet werden, kann nicht der einzige Grund sein. Wenn diese Krise nicht verstanden und genutzt wird, um einen Kulturmanager 2.0 zu entwickeln, wenn zudem Kulturmanager innerhalb der Institutionen keinen Einfluss bekommen, um tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen, wenn es nicht zu einer wirklichen interdisziplinären Vernetzung kommt, wenn die Beschäftigung mit dem Neuen und die kontinuierliche Weiterbildung nicht Standard wird – wenn also alles beim Alten bleibt – dann existieren Kulturmanager nur zum Selbstzweck – und dann brauchen wir sie nicht.

Mein Vorschlag: lasst uns gemeinsam überlegen, was Kulturmanagement bedeuten kann und soll. Und lasst uns zudem überlegen, welche Veränderungen in den Institutionen notwendig sind, um diesen Wandel zuzulassen. Darüber hinaus werden wir überlegen müssen, wer und auf welche Art und Weise diese Kulturmanager der Zukunft ausbildet.

Ich freue mich auf eine spannende Diskussion….

Christoph Deeg

25 thoughts on “Social-Media und die Krise des Kulturmanagements

  1. @R: Ich denke, es gibt durchaus an verschiedenen Häusern Qualitätsdebatten. was aber sicher fehlt, ist die Debatte auf einer übergeordneten Ebene. Sie darf sich nicht nur auf einzelne Häuser bzw. Personen beschränken, sondern müsste viel offener geführt werden. Dadurch ließe sich vielleicht auch das oft konservative Publikum für Neues interessieren.

    Kooperationen sind bei den großen Kultureinrichtungen schon fast selbstverständlich, aber „die Kleinen“ üben sich immer noch als Einzelkämpfer. Dabei würden sie vermutlich am meisten von solchen Kooperationen profitieren.

    @ok2punktnull: Die „Angst vor Massenkompatibilität und Verflachung des Kulturprodukts und die Befürchtung, man könne seine Deutungshoheit verlieren“ ist in meinen Augen völlig unangebracht, denn das suggeriert immer, die Kultureinrichtung oder deren Macher wissen, wo es lang geht und da sollen doch die dummen Besucher bitte nicht reinreden. Da stimmt schon mal die Grundhaltung nicht und verhindert jegliche Entwicklung. Wie man das wohl ändern könnte? :-(

    @Christoph: ein Problem ist, dass Förderungen meist in die künstlerische Produktion fließen und dann für die Infrastruktur kein Geld mehr da ist. Warum gibt es nicht mal Geld für eine gute Marketingkampagne?

  2. @Christoph: Du sagst: „und ich werde nie verstehen, warum wir als einer der reichsten Staaten dieser Erde so wenig Geld für Kultur und Bildung ausgeben“ Hierzu einige Fakten: In den Jahren 2008 und 2009 beliefen sich die Kulturausgaben (Bund, Länder + Gemeinden) nach vorläufigen Berechnungen auf 8,7 Milliarden Euro bzw. auf 9,2 Milliarden Euro. Für 2010 sahen die Haushaltsplanungen (laut Kulturfinanzbericht 2010) Kulturausgaben in Höhe von 9,6 Milliarden Euro vor, was einen Anstieg um ca 2 Milliarden Euro im Vergleichszeitraum 1995-2010 ausmacht. Von weniger Geld für die Kultur kann also eigentlich nicht die Rede sein. Die Verteilung auf immer mehr Einrichtungen und Projekte macht es, dass es den Anschein hat, immer weniger Geld stünde zur Verfügung. Betrachtet man dazu noch, dass pro Einwohner im Vergleich zu 1995 ca. 27 % mehr Geld ausgegeben wurde, ist das ganz schön viel, denke ich. Nur Frankreich gibt (gemessen am Gesamtbudget) prozentual mehr Geld aus. Oder ist das nicht richtig??

    zum Thema:
    Ich denke, dass es viele Bereiche gibt, an denen was gedreht werden sollte. Genau das macht es irgendwie so schwer. der Kulturpolitische Auftrag für Kulturinstitutionen sollte sich z.B. ändern und die Kulturvermittlung stärker in den Fokus setzen. Ein Geldanteil könnte so speziell der Rezeptionsförderung gelten. Dadurch könnte die Entwicklung und Einbindung von Audience Development in die öffentlich geförderte Kulturinstitution besser stattfinden. Für eine wirkliche Nutzung der neuen Möglichkeiten durch das Web 2.0 und Social Media ist eine erweiterte Besucherforschung von Nöten. Überhaupt gibt es auch ohne das Internet noch zu wenig Rückwirkung von Publikumsreaktionen auf das künstlerische Produkt und/oder ein künstlerisches vermittelndes Angebot (was auch die letztlich die Entwicklung von neuen Formaten im Web 2.0 betrifft), da in Deutschland die Methodik der Untersuchungen noch nicht einmal offline ausgereift scheint. Möchte man das „Publikum von Morgen“ aktivieren, so muss man es „kennen lernen“ und auf es eingehen. Das ist mit ein paar Klicks im Social Web auch nicht getan. Es bedarf konkreter Methoden, mit denen die Institutionen etwas anfangen können. Dazu bedarf es den „Auftrag“, die Implementierung des Auftrags bzw. „Willens“ in das „Mission Statement“ und der Bereitschaft zur wirklichen „Öffnung“.
    Für das Marketing in öffentlichen Kulturinstitutionen ist es jedoch sehr schwer ein Audience Development, das eine auf Nutzerinteressen basierende Gestaltung eines künstlerischen Angebots vorsieht, überhaupt zu akzeptieren, da die Angst vor Massenkompatibilität und Verflachung des Kulturprodukts und die Befürchtung, man könne seine Deutungshoheit verlieren, relativ groß ist. Es gab eben zu wenig Bewegung vor dem Entstehen von Web 2.0 und Social Media innerhalb des Betriebs, so dass eine einfache Einfügung der neuen Kommunikations- und Vernetzungswege in das „alte System“ – im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Möglichkeitsentwicklung – nicht so einfach passieren kann…. Bis zum nächsten Bereich, der zu klären ist, … Mit freundlichen Grüßen, ok2punktnull

    1. Toller Kommentar, vielen Dank dafür. Ich bin gerade unterwegs, werde aber noch ausführlich antworten, wahrscheinlich in Form eines neuen Beitrages. Hier nur kurz zwei Gedanken: 1. Die Ausgaben für Kultur sind zwar gestiegen, jedoch gibt es überall Streichungen. Geld bei für Innovationen ist kaum vorhanden. Wir müssen überlegen, wie wir die Mittel neu verteilen bzw. wofür wir Geld aufgeben. Trotzdem sind mir die Ausgaben für Kultur und Bildung zu gering. Brauchen wir mehr Geld oder einiger Institutionen, die dann besser sind?

      2. Ich stimme dem zweiten Teil Deiner Ausführungen größtenteils zu. Und ich bleibe dabei. Wir stehen bezüglich Kulturinstitutionen und Social Media aber auch vieler weiterer Bereiche immer noch am Anfang. Und wir bewegen uns m.E. zudem zu langsam…

      Beste Grüße

      Christoph Deeg

  3. @ C.H.-F. Andererseits strömen die Leute zu gelungenen Inszenierungen/ Ausstellungen usw. Weniger Gelungenes ignorieren sie. (Wobei ich nicht in Abrede stellen will, dass der Mensch oft konservativ ist, besonders in seinem ästhetischen Empfinden. Was nebenbei nicht unproblematisch ist für die Programmgestaltung und es Neuem erschweren kann.) Das wäre dann aber auch eine Qualitätsdebatte, die bei allem Lob für das Kultursystem im deutschsprachigen Raum meines Wissens nicht geführt wird. Das könnte/ sollte in erster Linie von den einzelnen Häusern ausgehen. Stattdessen ist man oft betriebsblind. Aus Kritiken nimmt man für sich nur das Lob. Verrisse, sicher nicht immer berechtigt, tut man ab. Man sei halt nicht verstanden worden. Stattdessen könnte man auch intern über die Kunst sprechen. Woran ist man gescheitert? Ich glaube wie Sie, dass man auch über eine Reduktion des Angebots nachdenken sollte. Sowohl jede Einrichtung als auch einrichtungsübergreifend. Kooperationen sollten weiter zunehmen, innerhalb der Städte und auch darüber hinaus. Warum eine Ausstellung nur an einem Ort zeigen? Nur wenige können es sich finanziell, aber auch aus Zeitgründen leisten, ständig zu reisen. Es geht also kurz gesagt um die Unternehmenskultur, wie Sie schreiben, und um Innovation oder Veränderung.

  4. @Axel: stimmt natürlich, dass Kultureinrichtungen mehr Transparenz und Offenheit vertragen könnten, das will ich gar nicht abstreiten. Ganz im Gegenteil, auch die Bereitschaft, sich mit der Zukunft zu beschäftigen, scheint nicht sehr ausgeprägt. So hat sich z.B. nur das Beethovenfest Bonn an der Blogparade der Duisburger Philharmoniker beteiligt und sich mit der Frage nach dem Konzert der Zukunft beschäftigt.

    Die Frage ist aber, wie man Kultureinrichtungen dazu bringt, dass sie offener, transparenter und innovativer werden? Ich glaube, das Problem hat damit zu tun, dass die Unternehmenskultur im Kunst- und Kulturbereich meist noch rückständig ist und Kultureinrichtungen auf Grund ihres Entwicklungsstandes gar keine Möglichkeit haben, diesen Schritt so einfach zu schaffen.

    Ein anderer Punkt: natürlich fehlt das Geld, aber man kann sich ja auch mit anderen zusammen tun. Andere haben vielleicht das technologische Know-How, dafür verfügt die Kultureinrichtung über den Content.

    @R: stimmt, die Konkurrenz unter den Anbietern nimmt immer mehr zu. Aber vielleicht haben wir einfach ein Überangebot und es hilft dem ganzen Bereich, wenn einige wieder verschwinden? Grundsätzlich gibt es zwei Lösungsansätze: entweder man steigert die Nachfrage oder man reduziert das Angebot.

    Der Link ist interessant, danke!

  5. Die Lage ist doch einfach die: Es gibt eine Vielzahl von Angeboten innerhalb und neben der sog. Hochkultur (von der hier gesprochen wird), also Filme, Games usw. Insoweit ist „Krise des Kulturmanagements“ schon nicht falsch. (Wenn man unter Kulturmanagement die Führung und Ausrichtung der Unternehmung versteht; was für mich neben der „Mitarbeiterführung“, der Ausrichtung des „Produkts“ ganz klar auch die Vermittlung/Kommunikation einschließt). Man kann es ja benennen, wie man will. Man kann ja auch sagen: Wie sähe das ideale Kulturmanagement aus? Oder wie auch immer.
    Wahrscheinlich kämpfen alle Hochkulturanbieter um Publikum. Die Anstrengungen in den einzelnen Einrichtungen sind enorm. Aber das alles reicht nicht. Die Auslastungszahlen und die künstlerische Qualität, bei aller Problematik einer objektiven Bewertung, sprechen in der Regel eine deutliche Sprache. Verallgemeinert kann man sagen, haben die Kultureinrichtungen noch keine Antwort auf die starke Angebotskonkurrenz gefunden. Die Frage ist also ganz einfach die: Was können Einrichtungen tun, damit dies anders wird. Und da ist – Web 2.0 hin oder her – in erster Linie das Management gefragt. Nur von dort können weitreichende Veränderungen ausgehen, um die Einrichtung als einen Kulturanbieter, der breite Kreise anspricht, fit zu machen. Ganz klar meint das natürlich auch, Mitarbeitende bewusst einzubeziehen. Mehr Geld von der öffentlichen Hand ist illusorisch. Gravierende Weichenstellungen von dort ebenfalls. Visionen können nur von den Kulturanbietern, in erster Linie vom Management, ausgehen.

  6. Auch wenn es Tom nicht gefällt, dass hier über mehrere Themen gleichzeitig diskutiert wird, so denke ich, dass das fast unumgänglich ist. Denn er selbst spricht ja ein strukturelles Problem an. So gibt die öffentliche Hand Kultureinrichtungen i.d.R. genau so viel Geld, dass diese über die Runden kommen, dass es reicht, um die bestehenden Strukturen aufrecht zu erhalten. Und das behindert/verhindert Innovationen, denn die setzen ja Investitionen voraus – bei Social Media ist das nicht anders. Um sich den von Christoph angesprochenen Bereichen Gaming, Augmented Reality oder Mobile Internet anzunehmen, braucht man Geld. Und weil eine Rücklagenbildung praktisch (und auch rechtlich) nur bedingt möglich ist, sind Kultureinrichtungen gewissermaßen gezwungen „hinterwäldlerisch“ zu agieren. Tom schreibt ja: „Wenn ein Industriebetrieb seine Social Media Aktivitäten ausbauen will, ist im Zweifelsfall morgen ein Profi dafür eingestellt. Es ist ein riesiger Kraftakt, im Kulturbetrieb überhaupt ein Stellle zu schaffen.“ Und genau da liegt der Hund begraben. Zumal es mit der Einrichtung einer Social Media Stelle noch nicht getan ist. Um coole Aktionen zu starten, die eine gewisse Viralität haben, braucht man auch wieder Geld. Über Sponsoring und Kooperationen lässt sich sicherlich einiges machen, aber ohne Manpower gehts auch hier nicht.
    Man könnte jetzt zwar das Hosentaschenspiel betreiben, den Theaterpädagogen rausschmeißen und durch einen Social Media Experten ersetzen, aber wirklich wünschenswert wäre das nicht. Erstrebenswert wäre hingegen, dem Theaterpädagogen Social Media schmackhaft zu machen und ihm das entsprechende Handwerkszeug mitzugeben, damit er selbst auf die Idee kommt, Kultur online zu vermitteln. Das gilt natürlich auch für andere Angestellte wie Bühnenbilder, Regisseure oder Kassierer. Dass ist es wohl auch, was Christian mit „Social Media als Querschnittsmaterie“ meint. Zugegeben, es ist keine leichte Aufgabe, die gesamte Mannschaft für Social Media zu begeistern, aber gibt es Alternativen??? Mit dieser Forderung geht ein gewisser Kontrollverlust einher. Man wird als Leiter der Institution akzeptieren müssen, dass ein Mitarbeiter im Blog auch mal eine Inszenierung kritisiert oder einen dummen Aprilscherz macht. Und da sind wir wiederum beim Thema Organisationskultur. Ich würde Christian Recht geben, dass Kultureinrichtungen nicht per se 1.0 sind und alle anderen 2.0. Aber ein bisschen mehr Offenheit und ein bisschen mehr Transparenz könnte den Kultureinrichtungen nicht schaden. Und das Geilste daran: Das würde noch nicht mal Geld kosten! Imho ist es sogar die Pflicht von Kultureinrichtungen transparenter als kommerzielle Unternehmen zu sein, eben weil sie gemeinnützig bzw. öffentlich-rechtlich sind. In einem Blogpost habe ich mich aber schon genug darüber aufgeregt (siehe http://www.axelkopp.com/2011/06/kulturbetriebe-sind-auch-nur-betriebe/), weshalb ich an dieser Stelle nicht noch mehr von dem ursprünglichen Thema abdriften will. Sonst regt sich Tom nur wieder auf ;-)

  7. Gut, nun sind wir also wieder beim Thema Social Media. :-) Wie in allen anderen Branchen auch, gibt es in dieser HInsicht gute und schlechte Beispiele. Für mich ist Social Media eine Querschnittsmaterie und durchzieht damit das ganze Unternehmen, egal ob es sich um ein Theater oder um ein Pharmaunternehmen handelt. Wer das Potenzial von Social Media ausschöpfen möchte, muss Social Media leben, ob das nun die Bereiche Marketing, PR oder PM sind, spielt dabei gar keine Rolle. Ansonsten betreibt man Social Media neben dem „normalen“ Geschäft, was bedeutet, dass diese Form der Kommunikation und Zusammenarbeit sich in der jeweiligen Unternehmenskultur noch nicht etabliert hat. Überspitzt gesagt könnte man auch sagen, wer das Thema Social Media angeht, betreibt gleichzeitig auch eine Art Organisationsentwicklung.

    Es geht also nicht so sehr darum, neue Dinge auszuprobieren, das tun viele Unternehmen und natürlich auch Kulturbetriebe, sondern Social Media in die alltäglichen Arbeitsabläufe „einsickern“ zu lassen. Je besser das gelingt, desto erfolgreicher wird man auch in Sachen Social Media sein. Das Problem ist also nicht so sehr die Tatsache, dass es sich um ein Theater oder ein Opernhaus handelt, sondern die Art und Weise, wie man in diesem Betrieb miteinander umgeht.

    Dieses Miteinander lässt sich, so denke ich, durch die Nutzung von Social Media beeinflussen. Im Umgang mit Social Media lernt man, wie Netzwerke funktionieren und was es heißt, miteinander zu arbeiten. Diese Entwicklung kann in jedem Unternehmen losgetreten werden. Natürlich ist es ein Vorteil, über ausreichend Geld und Zeit zu verfügen, um sich in dieser Hinsicht zu entwickeln, aber auch viele Unternehmen haben weder die Zeit noch das Geld, um sich das „leisten“ zu können. Wenn ein streng hierarchisch strukturiertes Unternehmen beginnt, sich über Social Bookmarks zu vernetzen und die Mitarbeiter sich auf diese Weise gegenseitig unterstützen, ist schon viel gewonnen. Auf ihre Weise schöpfen sie das Potenzial von Social Media voll aus. Aber durch diese Form der Kooperation wird sich ihre Unternehmenskultur verändern und es wird mittel- und langfristig mehr möglich sein, übrigens nicht nur in Sachen Social Media.

    Aber das alles ist für mich keine Krise des Kulturmanagements, sondern unseres Systems, in dem sich hierarchisch strukturierte Organisationen durchgesetzt haben. In den letzten Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten war diese Organisationsform gar nicht so schlecht. Nun aber scheinen wir eine Entwicklung zu erleben, an deren Ende das große, hierarchisch geführte Unternehmen nicht mehr überleben wird können, während die vernetzten Unternehmen sich bereits sehr sicher im Social Web bewegen. Dazu zähle ich auch viele (kleine) Kulturbetriebe. Das heißt, die Größe, die Unternehmenskultur zählt, nicht die Frage, in welcher Branche man sich bewegt.

    Den Kulturbereich sehe ich aus anderen Gründen in der Krise, vor allem das fehlende Geld, aber auch das spürbar zurückgehende Interesse an der Kunst spielen hier eine Rolle. Unsere Gesellschaft kann und will sich Kunst und Kultur nicht mehr so wie früher leisten, Facebook hin oder her.

    1. Lieber Christian,

      jep – wir sind wieder oder immer noch oder auch bei Social-Media. Und wir sind in den meisten Punkten einer Meinung:-) Auch für mich ist Social-Media eine Querschnittsfunktion und auch ich erlebe, dass die Auseinandersetzung mit Social-Media auf kurz oder lang die Institutionen nach innen verändert. In meiner Arbeit erlebe ich das jeden Tag. Aktuell begleite ich zum Beispiel 24 Bibliotheken in die „digitale Zukunft“. Das Projekt geht schon über ein Jahr und ich möchte behaupten, dass nahezu 30% der Arbeit darin besteht, die vorhandenen Strukturen, Denkweisen bzw. die Kultur der jeweiligen Institution zu verändern. Auch bei meinen anderen Projekten kann ich dies beobachten. Im Ergebnis haben wir nicht nur bessere Ergebnisse im Web sondern eine insgesamt bessere Institution bzw. ein besseres Unternehmen. Letztes Jahr habe ich dies z.B. bei der Arbeit mit einer Unternehmensberatung erleben können.

      Was das „Einsickern“ angeht: ich denke es wäre sehr vorteilhaft, wenn Institutionen die Möglichkeit haben, kontinuierlich neue Plattformen auszuprobieren um sich auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten. Das ist natürlich unabhängig von der Branche.

      Es stimmt auch, dass es letztlich keine Frage der Größe ist, ob man erfolgreich Social-Media-Tools nutzen kann. In dem Bibliotheksprojekt sind es gerade die kleinen und finanziell schwachen Institutionen, die hervorragendes leisten.

      Aber: ich glaube nicht, dass die Menschen weniger Interesse an Kunst allgemein haben. Sie mögen vielleicht an bestimmten Kunstformen weniger interessiert sein. Aber die Welt der Computerspiele wächst z.B. stetig und sie ist eine beeindruckende Kunstform geworden, die zudem Millionen Menschen erreicht.

      Sind also Marketingmanager von Unternehmen wie EA ebenfalls Kulturmanager? :-)

      Beste Grüße

      Christoph

  8. Meine Herren, eine spannende Annäherung an die einzelnen Punkte. In der Tat, Diskussionsstoff en masse. Vielleicht ist @Christians Hinweis der entscheidende: Thema für Thema geht leichter.
    @Christoph: danke auch für die ergänzte Argumentation. Ich gebe Dir grundsätzlich recht, dass der Kulturbetrieb in seinen Vermarktungsmechanismen weiter sein könnte. Aber zum einen gibt es innerhalb dessen eine große Bandbreite an innovativen oder weniger innovativen Ansätzen der Vermittlung. Zum anderen bin ich es einfach ein bisschen leid, dass der Kulturbetrieb als hinterweltlerisch dargestellt wird. Wenn ein Theater sagt, wir stecken alles was wir haben ins Produkt, und nur das nötigste ins Marketing, dann ist das m.E. nicht per se schlecht. Es gibt zahlreiche sehr erfolgreiche Marken, die so verfahren und betriebswirtschaftlich bzw. marketingstheoretisch ist die Produktzentrierung ja auch anerkannt. Baden-Württemberg z.B. ist voll mit Mittelständlern, von denen man noch nie gehört hat, die aber Weltmarktführer sind. Klar, das sind Äpfel und Birnen. Aber die üblichen Gegenargumente „ja, aber die bekommen kein Steuergeld“ oder „der Kulturbetrieb muss für Nachwuchs sorgen“ zählen da m.E. nur bedingt. Ich sehe ein, dass ein Teil „der Zukunft“ in Social Media liegt. Ich würde auch jedem Kulturbetrieb empfehlen, da am Ball zu sein. Aber mich beschleicht das Gefühl, dass zu schnell drauf los gehackt wird und wir alle zu blöd sind, die Potenziale zu erkennnen. Und dass auch mal eine Investition daneben gehen kann, die in Hypetagen als Vorstoß in die Zukunft gesehen wird, zeigt die Galerie der Meister im Second Life. Kulturbetriebe, die zumeist noch nicht mal ein Budget haben, sich mal auszuprobieren, können sich das einfach nicht leisten. Wenn ein Industriebetrieb seine Social Media Aktivitäten ausbauen will, ist im Zweifelsfall morgen ein Profi dafür eingestellt. Es ist ein riesiger Kraftakt, im Kulturbetrieb überhaupt ein Stellle zu schaffen.
    Grüße,
    Tom
    P.S.: Diese „Krise“ kann ich übrigens nicht sehen. Und auch der Markt scheint noch nicht (überall?) gesättigt. In meinem Abschlussjahrgang, als auch in dem davor und dem danach (alles noch nicht sooo lange her), hatten fast alle innerhalb von 6 Monaten adäquate Kulturmanagement-Jobs.

    1. Lieber Tom,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich möchte versuchen, so kurz bzw. genau wie möglich zu antworten:

      Du schreibst „Wenn ein Theater sagt, wir stecken alles was wir haben ins Produkt, und nur das nötigste ins Marketing, dann ist das m.E. nicht per se schlecht.“ Ich verstehe das so, dass Du Social-Media in diesem Fall als Marketing- bzw. PR-Tool siehst. Ich bin der Meinung, dass es mindestens drei Bereiche gibt, bei denen Social-Media eine Rolle spielen kann: Marketing/PR (mit dem Ziel, mehr Menschen in das Theater zu bekommen), Kulturvermittlung (d.h. Menschen mit dem „Inhalt“ Theater an sich bzw. weiteren kulturellen Inhalten zu verbinden) und das Theater selber (indem zum Einen Social-Media Teil der Aufführungspraxis wird und zum Anderen die Kultur des Web 2.0, seine Denk-und Arbeitsweisen die Institution an sich verändern). Ich sehe in allen drei Bereichen noch sehr viel Raum für tolle Ideen und Projekte. Wie soetwas im Bereich Konzerte aussehen könnte, habe ich in einem vorherigen Beitrag grob skizziert.

      Ich bin wie Du der Meinung, dass es nicht darum geht, einfach nur dabei zu sein. Vielmehr geht es darum, interessante Mehrwerte für die Kunden zu schaffen. Jedoch benötigen wir ebenso den Raum zum Ausprobieren. Ich sehe im Gegensatz zu vielen anderen Second Life sehr positiv. Natürlich ist die Plattform scheinbar nicht mehr relevant. Aber genau dies werden wir in Zukunft immer wieder erleben. Myspace verliert gerade massiv an Bedeutung. Es kann sein, dass Google+ Facebook den Rang abläuft. Vielleicht entstehen gerade irgendwo anders völlig neue Plattformen. Und was ist mit Themen wie Gaming, Augmented Reality oder Mobile Internet? Wir müssen meiner Meinung nach einen Weg finden, mit dieser Prozesshaftigkeit und Schnelligkeit umzugehen. Wir hätten m.E. viel mehr Institutionen gebraucht, die z.B. Second Life ausprobieren bzw. damit arbeiten. Nicht um Second Life zu beleben, sondern um Erfahrungen zu sammeln.

      Du sprichst völlig zu Recht die mangelnden finanziellen Ressourcen und zudem die nicht immer optimalen Strukturen von Kulturbetrieben bzw. deren Umfeld an. Wenn wir gemeinsam darüber nachdenken, werden wir sicherlich noch weitere Punkte finden, die man verbessern könnte.

      Wir brauchen m.E. eine Funktion in den Kulturinstitutionen, die dieser Veränderungen „anschiebt“. Und die einzige Rolle, die mir dabei einfällt ist der Kulturmanager. Und genau diese Funktion hat m.E. der Kulturmanager noch nicht. Das ist das, was ich mit Krise meine. Meiner Meinung nach müssen wir überlegen, ob die Rolle des Kulturmanagers sinnvoll definiert worden ist. Was Kulturmanagement und/oder Kulturmarketing darf bzw. soll, darüber gibt es ja schon heute unterschiedliche Meinungen. Ein Beispiel: Auf dem KMM-Forum im letzten Jahr in Duisburg wurde u.a. über ein US-amerikanisches Orchester gesprochen. Dabei wurde erwähnt, dass bei der Festlegung des Programms der Marketingmanager ein Mitspracherecht hatte. Dies wurde von sehr vielen Teilnehmern kritisiert. Marketing sei einzig und allein dafür da, mehr Besucher in das Konzert zu bekommen. Es dürfe aber nicht in die künstlerische Arbeit eingreifen.

      Gehen wir davon aus, dass wir die Kulturinstitutionen in die Lage versetzen wollen, alle möglichen Medien- und Kommunikationstechnologien nutzen zu können. Dann müssen wir z.B. die dafür notwendigen Strukturen schaffen. Dieser Prozess ist m.E. Aufgabe des Kulturmanagements. Es würde aber letztlich sehr tief in die Struktur, die Arbeit und die Inhalte der Institution eingreifen.

      Abschließend noch ein Gedanke: Ich halte Kulturinstitutionen nicht für „hinterweltlerisch“. Ich halte Kulturinstitutionen für einen zentralen Baustein unserer Gesellschaft und ich werde nie verstehen, warum wir als einer der reichsten Staaten dieser Erde so wenig Geld für Kultur und Bildung ausgeben. Ich denke aber, dass Kulturinstitutionen in der Breite weniger kreativ agieren als die Künstler, für die sie Plattform sein wollen. Anders ausgedrückt: Ich bin der festen Überzeugung: Mozart wäre sicherlich schon bei Google+, Shakespeare würde twittern und Wagner wäre ein großer Freund der Computergames.

      Beste Grüße

      Christoph

  9. Die Frage, ob Kulturmanagement etwas besonderes ist oder nicht, ist berechtigt und wäre durchaus zu diskutieren. Aber für diese Diskussion können wir das Web 2.0 außen vor lassen, das ist in diesem Zusammenhang überflüssig. Also entweder oder :-)

    1. @Christian: Ich hatte ja in meinem Ursprungstext erwähnt, dass ich das Thema Social-Media für ein Symptom halte. Social-Media bzw. der Umgang damit deckt manchmal – das ist zumindest meine persönliche Erfahrung – Defizite innerhalb eines Systems auf. Genau darum geht es mir. Und wenn wir Defizite finden – unabhängig davon, ob es diese auch in anderen Bereichen z.B. der Wirtschaft gibt, sollten wir meiner Meinung nach versuchen das „Kulturmanagement“ weiter zu entwickeln. Ich sehe schon wir haben sollte es mit dem Social-Media-Gaming-Barbecue im August in Berlin klappen, viel Diskussionsstoff…

      Beste Grüße

      Christoph

  10. Das ist schon richtig, aber dieses Problem hast Du nicht nur im Kunst- und Kulturbereich und damit ist es nicht mehr eine Krise des Kulturmanagements, sondern wir sprechen vom Übergang zum Unternehmen 2.0 und vor dieser Herausforderung stehen wir alle. Du kannst den Kunst- und Kulturbereich als Beispiel nehmen, aber mehr auch nicht.

    1. @Christian: Und da bin ich mir nicht sicher. Ist das Kulturmanagement etwas besonderes? Ist es „einfach nur“ Management? Kulturmanagement wird immer als eigene Disziplin benannt. Ist sie das denn? Abgesehen davon – ich habe nicht behauptet, dass wir diese Krisensituation nicht auch in Unternehmen haben. Auch hier erlebe ich in meiner Arbeit sehr oft, dass das Management auf diese neuen Herausforderungen nicht vorbereitet ist. Aber ok. Sagen wir es ist kein Problem des Kulturmanagements sondern des Managements an sich – unabhängig ob es sich dabei um eine Institution oder ein Unternehmen handelt – dann bleibt m.E. immer noch die Tatsache, dass wir eine Krise erleben. Es scheint Unternehmen wie Institutionen sehr schwer zu fallen, mit den neuen Herausforderungen klarzukommen. Und müssen wir nicht trotzdem überlegen, ob und wenn ja wie sich Management verändern muss, damit es dem Unternehmen oder der Institution helfen kann? Diese Fragestellung wurde ja nicht von mir erfunden sondern wird in allen mir bekannten Wirtschafts- und Kulturbereichen immer wieder diskutiert…

      Beste Grüße

      Christoph

  11. @Christoph: ich kann Tom verstehen, dass er die Diskussion an dieser Stelle verweigert, weil Du so viele Punkte in einen Kommentar reinpackst, dass auch ich wirklich nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wir können über Kulturvermittlung, über Marketing oder auch über Kulturpolitik sprechen. Aber das ist dann kein Kulturmanagement. Wir können von der Krise in Kunst und Kultur sprechen, aber würden wir von einer Krise des Kulturmanagements sprechen, würden wir alle anderen Bereiche entlasten. Das ist weder korrekt noch zielführend.

    Das Web2.0 spielt in dieser HInsicht noch eine andere Rolle. Es ist eine Querschnittsmaterie, die sich übr alle Bereiche, aber auch über alle Branchen legt. Ob Social Media „funktioniert“, hat nichts mit Kulturmanagement zu tun, sondern mit der Kultur eines Unternehmens. Insofern kannst Du auf diesem Weg zwar feststellen, auf welchem Level sich ein Unternehmen befindet, aber keine Krise des Kulturmanagements diagnostizieren. Es gibt dazu ein recht schönes Modell, das ich demnächst in einem Blogpost vorstellen werde. Im MOment fehlt mir da leider die Zeit dazu.

    1. @christian: Danke für Deinen Kommentar, Du schreibst „Ob Social Media „funktioniert“, hat nichts mit Kulturmanagement zu tun, sondern mit der Kultur eines Unternehmens…“ aber ist denn die Arbeit mit und die eventuell notwendige Veränderung einer Unternehmens- und Institutionskultur nicht Aufgabe des (Kultur-) Managements? Das Kulturmanagement mit anderen Bereichen vernetzt ist, das ist auch mir klar. Und ich bin wie Du der Meinung, dass das Web 2.0 eine Querschnittsfunktion ist. Aber ist es denn nicht gerade die Aufgabe des (Kultur-) Managers diese Funktion zu verstehen und zu entwickeln?

      Beste Grüße

      Christoph

  12. @Christian: Deinen diplomatischen Ansatz finde ich mal wieder hervorragend.
    @Christoph: Ich fühle mich hier ein bisschen „überfordert“. Eine „Diskussion“ jedenfalls – wie Du sie am Ende des Textes erbittest – scheint mir hier kaum möglich.Vielleicht wären ein paar weniger steile Thesen, eine subtilere Provokation und mehr Fakten sinnvoll. Gerne ein konkretes Beispiel: „…die Kulturinstitutionen die Letzten sind, die sich mit neuen Technologien und den damit verbundenen Kulturformen beschäftigen…“ Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu widersprechen. Nimm das bitte nicht persönlich, aber mit derlei ausgerufenen Krisen tun wir unserer Zunft einen Bärendienst. Denn es ist genau diese Attitüde, die Kultureinrichtungen mal so gar keine Lust macht, sich an dieser „Diskussion“ zu beteiligen.
    Beste Grüße,
    Tom

    1. Lieber Tom,

      zuerst vielen Dank für Deinen Kommentar. Du schreibst, dass Du und Deiner Meinung nach Kulturinstitutionen an sich aufgrund der Art meiner Argumentation bzw. meiner Wortwahl kein Interesse an einer Diskussion haben. Zuerst möchte ich anmerken, dass es mir keinesfalls darum geht, Kulturinstitutionen schlecht zu reden – im Gegenteil, mir liegt deren Zukunft sehr am Herzen. Ich habe in meinem Beitrag zu Beginn darauf verwiesen, dass es sehr tolle Projekte im Kulturbereich gibt. Ich habe ebenso geschrieben, dass ich weiß, dass es einige sehr gute Kulturmanager gibt. Es ist aber m.E. so, dass wir in der Breite immer noch zu wenig erreicht haben. Trotzdem scheinen meine Worte nicht dafür zu sorgen, dass Du in die Diskussion einsteigen möchtest. Wenn dem so ist, dann liegt der Fehler bei mir. Ich hatte nicht die Absicht, besonders provokant oder ähnliches zu sein. Erlaube mir bitte, meine Argumentation zu erläutern.

      Nach allen mir vorliegenden Informationen werden Kulturinstitutionen nur von einer kleinen Bevölkerungsgruppe besucht bzw. genutzt. Ich denke in diesem Punkt kannst Du mir zustimmen. Ich bin zudem der Meinung, dass im Bereich der Kulturinstitutionen bezogen auf Themen wie Social Media in der Breite immer noch weniger passiert als möglich bzw. m.E. wünschenswert wäre. In diesem Punkt hat mir auch Christian zugestimmt.

      Wir haben in den letzten Jahren erlebt, wie das „moderne Internet“ direkt oder indirekt unsere Kulturlandschaft verändert. Die Musikindustrie war nicht in der Lage, ein kundenfreundliches Geschäftsmodell für den Onlinevertrieb zu entwickeln. Heute wird dieses Geschäft zumeist über iTunes gemacht. Apple wollte keine Musik sondern MP3-Player verkaufen. Ähnliches erlebt die Filmindustrie. Ob die Gamesindustrie mit Plattformen wie Steam erfolgreich sein wird müssen wir sehen. In den USA gibt es Großstädte, in denen es keine gedruckte Zeitung mehr gibt. Die Buchverlage suchen noch nach einem Weg mit eBooks und Co. umzugehen. Google digitalisiert weltweit Bücher und weitere kulturelle Inhalte. Dem Aufschrei Vieler die glaubten, Google bedeute den Untergang des christlichen Abendlandes folgte der meiner Meinung nach zumindest bis jetzt wenig erfolgreiche Versuch mit der Europeana eine europäische Antwort zu finden. Heute kooperiert Google mit immer mehr großen Bibliotheken und Museen weltweit. Unternehmen wie Google und EA stossen immer wieder in Bereiche vor, die ursprünglich von Kulturinstitutionen alleine besetzt waren.

      Für mich bedeutet das sog. Web 2.0 endlich die Möglichkeit völlig neue Formen der Kulturvermittlung zu entwickeln. Wie gesagt ich gehe davon aus, dass wir in der Breite diese Möglichkeiten nicht nutzen. Dies hat Gründe und diese Gründe sind sehr unterschiedlich. Es liegt manchmal an mangelndem Know How in der jeweiligen Institution. Dann erleben manche Institutionen, dass es Ihnen seitens ihres Trägers z.B. verboten wird, auf Plattformen wie Facebook aktiv zu sein. Es gibt Fälle, da wird einer Institution erlaubt, Twitter und Facebook zu nutzen, wenn vor dem posten jeder einzelnen Nachricht eine Genehmigung eingeholt wird. Es gibt Institutionen die intern so strukturiert sind, dass sie sich selber im Bereich Social-Media ausbremsen. Dann gibt es Institutionen, die ein Jahr mit ihrer Stadt verhandeln müssen, um mit Aktivitäten im Bereich Social-Media zu beginnen. Es gibt Institutionen, die schlichtweg nicht über die personellen und/oder finanziellen Ressourcen verfügen um hier aktiv zu sein. Manchmal wird dies dann Aufgabe für Praktikanten. Manche Institutionen wollen nicht im Web 2.0 aktiv, z.B. weil sie mit dem damit verbundenen Verlust der Deutungshoheit nicht umgehen können oder wollen. In vielen Institutionen fehlt die Möglichkeit (zumeist aus finanziellen Gründen) um mit neuen Plattformen zu experimentieren um z.B. auf so etwas wie Google+ vorbereitet zu sein. Auf kurz oder lang stellt die Arbeit im Web 2.0 die eigene Kultur bzw. die Strukturen und Arbeitsweisen in Frage. Dies passiert m.E. jedem der heute online aktiv ist. Es passiert auch mir. Es gibt sicherlich noch weitere Gründe – dies sind die, die mir in meiner Arbeit immer wieder begegnen.

      Wenn Du dieser Analyse folgen kannst, dann kannst Du mir hoffentlich auch zustimmen, wenn ich behaupte, dass Kulturinstitutionen nicht nur aber auch durch das moderne Internet vor einem tief greifenden Wandel stehen. Diesen Wandel zu ermöglichen, bzw. zu begleiten ist meiner Meinung nach eine elementare Aufgabe des Kulturmanagements. Und ich persönlich bin der Meinung, dass dies in der Breite nicht umgesetzt wird. Ich glaube, dass Kulturmanager sehr wohl eine Vision für eine weiter entwickelte Kulturinstitution denken und realisieren sollten. Ich kenne keine andere Personengruppe im Kulturbereich die dies tun kann.

      Ich hoffe ich habe erklären können was ich meine und ich würde mich freuen, wenn wir über diese Punkte diskutieren können.

      Beste Grüße

      Christoph

  13. Christoph, ganz so einfach ist es in meinen Augen nicht. KulturmanagerInnen sind nicht unbedingt dafür da, Visionen zu entwickeln. Im kommerziellen Bereich tun sie das zwar, aber nicht unbedingt für die Gesellschaft, sondern für sich bzw. ihr Unternehmen. Im nichtkommerziellen Bereich sind die Visionen die Aufgabe der Kulturpolitik, d.h. ihre Aufgabe ist eigentlich eine andere.

    Was die Fähigkeit angeht, das Web2.0 zu nutzen, sehe ich die Defizite in der Unternehmenskultur, die sich nicht von heute auf morgen verändern lässt. Natürlich wird das Potenzial des Social Web in den Institutionen noch nicht ausgeschöpft, aber das ist in anderen Branchen auch so.

    Ich glaube, dass es jede Menge guter KulturmanagerInnen gibt und sehe das Problem eher in der großen Zahl von KulturmanagerInnen, die auf den Markt drängen, der eigentlich schon lange gesättigt ist. Das Problem ist: es wird munter ausgebildet, weil sich solche Aus- oder Weiterbildungsangebote verkaufen lassen. Und nein, Google ist keine Kulturinstitution und wird auch keine sein. Sie nutzt Kunst und Kultur, um letzten Endes dem Kerngeschäft nachgehen zu können, dem Verkauf von Inseraten. Dafür setzen sie unter anderem auf Kunst und das großteils hochprofessionell, aber damit unterscheidet sich Google doch erheblich von einem Museum, Orchester, etc., dessen Aufgabe über das Offerieren von Kunst doch weit hinaus geht.

    1. Lieber Christian,

      ich glaube nicht, dass die Kulturpolitik alleine in der Lage ist, Visionen zu entwickeln bzw. diese umzusetzen. Und ich glaube zudem, dass die Frage bzw. das Thema Social-Media stellvertretend für zentrale Fragen unserer Gesellschaft stehen.

      Natürlich wird das Potential bei Unternehmen oder Städten und Gemeinden etc. noch nicht ausgenutzt. Nur ist das m.E. kein Grund, nicht zu versuchen, als Kulturinstitution ganz vorne mit dabei zu sein und das Web aktiv zu gestalten bzw. sich selber durch die damit verbundene Kultur gestalten zu lassen. Zudem haben Kulturinstitutionen wie Du ja selber sagst erweiterte Aufgaben im gesamtgesellschaftlichen Kontext.

      Was die Ausbildung angeht so gebe ich Dir Recht, dass immer mehr Kulturmanager ausgebildet werden – und trotzdem ohne jemanden beleidigen wollen – sind diese Kulturmanager wirklich auf die neuen Aufgaben vorbereitet? Social Media ist natürlich auf keinen Fall alles – schon gar nicht für Kulturinstitutionen. Aber warum kommt aus dem Kulturmanagement so wenig?

      Was ich mit der Google und EA als Kulturinstitutionen meine ist folgendes: Unternehmen wie diese sind natürlich keine Kulturinstitutionen. Aber sie übernehmen immer wieder solche Aufgaben. Und damit stoßen sie immer wieder in Geschäftsbereiche vor, die doch eigentlich durch die Kulturinstitutionen bewegt werden (sollen). Ich habe mich da wahrscheinlich missverständlich ausgedrückt. Zudem bekommt Gaming als Kulturgut eine immer größere Bedeutung. Ich glaube, dass wie darüber nachdenken sollten, ob es nicht vielmehr Kooperationen zwischen Unternehmen und Kulturinstitutionen geben sollte. Schon heute digitalisieren immer mehr Bibliotheken ihre Bestände zusammen mit Google – mit Vorteilen für beide Seiten.

      Ich denke es sollten Kulturmanager sein, die die Kulturinstitutionen entscheidend prägen und weiter entwickeln. Sie sollten „the best of both worlds“ soll heißen aus Management und Kultur sein.

      Beste Grüße

      Christoph

      PS: Um ein Haar hätten wir bereits im September das Social-Media-Gaming-Barbecue in Wien durchführen können – ich bleibe dran:-)

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