Innovationsmanagement: Tamagotschi, Second Life und Nintendogs

Liebe Leser,

heute möchte ich über ein Thema schreiben, welches immer wieder angesprochen wird: es geht um Innovationen. Alle Unternehmen und Institutionen möchten gerne innovativ sein. Man verspricht sich dadurch zumeist mehr Kunden bzw. mehr Erfolg. Ein Thema welches in Unternehmen schon länger diskutiert und angewendet, und nun anscheinend auch in Kultur- und Bildungsinstitutionen umgesetzt wird, ist das sog. Innovationsmanagement. Das Innovationsmanagement soll letztlich den Prozess der Innovationen steuern. Dabei geht es nicht nur um die Entwicklung sondern auch um die Umsetzung von Ideen.

Natürlich ist es gut, wenn man innovativ ist und natürlich ist ein Innovationsmanagement sinnvoll, zumindest dann, wenn es dadurch zur einer verbesserten Abfrage und Nutzung des Kreativpotentials der Mitarbeiter eines Unternehmens bzw. einer Institution kommt. Meiner Meinung gibt es aber ein paar Gedankengänge, die bei der Suche nach Innovationen berücksichtigt werden sollten. Ich möchte in diesem Beitrag einen ersten Vorschlag für ein „innovatives Verhalten“ machen. Genauer gesagt möchte ich behaupten: „Wenn Ihr innovativ sein wollt, macht einfach mal die Augen auf.“

In den letzten Monaten werde ich immer wieder mit der Behauptung konfrontiert, dass man auf viele neue Kommunikations- und Medientechnologien nicht vorbereitet sei. Als ein Hauptgrund für diese Situation wird die zunehmende Geschwindigkeit von Produktlebenszyklen und Technologieentwicklungen benannt. Nehmen wir z.B. das Thema mobiles Internet. Es scheint so, als würden wir gerade von einer neuen Welle überrollt werden. Ich selber genieße diese Zeit – ich habe ein neues Samsung Galaxy S und ich habe jede Menge Spass. Viele Unternehmen und Institutionen tun sich aber sehr schwer mit der neuen mobilen Welt. Dabei geht s nicht nur um die Nutzung neuer Technologien, sondern auch um die Frage der damit verbundenen Kultur und zudem der Entwicklung und Realisierung dazu passender Produkte und Dienstleistungen. Ich behaupte, dass vieles von dem was wir heute erleben, schon seit Jahren voraussehbar war. Nur wurden die „Zeichen“ nicht erkannt. Kommen wir zurück zum mobilen Internet. Wer erinnert sich noch an die guten alten Tamagotchis? Dieses kleine Spielzeug war ein virtuelles Küken, also ein virtuelles Haustier. Es sah aus wie ein größerer Schlüsselanhänger und man konnte es überall hin mitnehmen – das musste man auch, denn es wollte dauernd „versorgt“ werden. Dafür meldete sich das Tamagotchi und wehe man umsorgte es dann nicht sofort – es konnte schlimmstenfalls eingehen. Nur sehr wenige Unternehmen und Institutionen kamen damals auf die Idee, dass dieses Spielzeug für ihren Lebensalltag relevant werden könnte. Es war ja nur ein nerviges Spielzeug. Man übersah die Tatsache, dass wir hier eine neue Form der Mobilität von Inhalten hatten. Zudem wurden tausende Kinder mit dem mobilen Umgang von Inhalten vertraut gemacht. Ca. 10 Jahre später kam der Nintendo DS auf den Markt. Im Vergleich zum klassischen Gameboy gab es hier zwei Screens, Multitouch, WLAN und vieles mehr. Ein sehr erfolgreiches Spiel auf dieser mobilen Konsole waren die sog. Nintendogs. Wieder ging es um virtuelle Tiere und das virtuelle Umsorgen. Auch diese Konsole wurde sehr lange nur wenig beachtet – außer von Gamern und der Games-Industrie:-)

Und heute? Ich möchte behaupten, dass es ohne Tamagotchis keinen Nintendo DS und ohne Nintendo DS keine Smartphones geben würde. Ich meine damit nicht nur die Entwicklung der Technologie sondern auch deren kommerziellen Erfolg sprich die Massenverbreitung. Sicherlich sind dies keine linearen Verbindungen. So sollte man nicht vergessen, dass die Serie „Raumschiff Enterprise“ letztlich das Design von Handys inspirierte usw. Worum es mir aber geht, ist die Idee, dass ich als Unternehmen und Institution viel öfter überlegen sollte, was die eine oder andere erfolgreiche Technologie für meine eigene Zukunft bedeutet. Es wäre m.E. sinnvoll gewesen, wenn Ende der 90er bzw. gegen 2006 vor allem in Kulturinstitutionen aber auch in Unternehmen mehr mit Tamagotchis und Nintendo DS-Systemen gespielt worden wäre. Dabei geht es gar nicht um die Entwicklung von Produkten für die jeweilige Plattform, sondern um das Verstehen der damit verbundenen Kultur. Es geht also nicht um die Frage, ob es ein Apple-IPhone, ein Android-Phone oder ähnliches gibt. Es geht vielmehr um die Frage, was das in der Zukunft bedeuten kann und vor allem was man heute tun kann, um sich auf diese Zukunft vorzubereiten. Ich habe zugegeben bis jetzt nur äußerst selten eine App einer Kultur- und Bildungsinstitution gesehen, die einen wirklichen Mehrwert für die Nutzer brachte. In Bibliotheken wird gerne versucht, den Bibliothekskatalog mobil zu machen – aber ist das etwas, was der mobile Nutzer braucht? Anstatt zu versuchen den Katalog auf das Smartphone zu packen sollte man m.E. eher überlegen, wie man den Katalog an sich neu definiert. Es geht also sowohl für Unternehmen als auch für Institutionen nicht darum, das Vorhandene anzupassen, sondern es zuerst insgesamt zu hinterfragen.

Hätte man mehr mit Tamagotchis und dem Nintendo DS experimentiert, hätte man auch ein Gefühl für das, was Kunden haben möchten und was nicht. Ähnliches kann man übrigens beim Thema Second Life sehen. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir in den letzten Monaten gesagt wurde, dass man froh sei, bei dieser Plattform nicht dabei gewesen zu sein. Schließlich wäre ja der Hype (endlich) vorbei. Dabei wird vergessen, das diejenigen, die Second Life genutzt haben, in sehr vielen Disziplinen Know How erworben haben. Dieses Know How werden sie früher oder später wieder anwenden können. Ich schlage deshalb vor, zumindest den MitarbeiterInnen aus Kultur- und Bildungsinstitutionen, die mit Second Life gearbeitet haben, das Bundesverdienstkreuz zu verleihen. Sie haben dafür gesorgt, dass zumindest punktuell Erfahrungen und Kenntnisse in einer Zukunftstechnologie vorhanden sind.

Wenn wir innovativ sein wollen, wenn wir Ideen entwickeln wollen, reicht es manchmal schon aus, die Augen zu öffnen und mit dem zu arbeiten, was man um sich herum sieht. Und selbst wenn die eine oder andere ausprobierte Technologie keinen Einfluss auf die eigene Zukunft hat, lohnt es sich damit zu arbeiten. Zum Einen, weil man damit kontinuierlich mit Neuem konfrontiert wird. Der oft zitierte „Blick über den Tellerrand“ ist ein sehr mächtiges Tool:-) Und zum Anderen, weil man damit trainiert wird, mit neuen Inhalten und Kulturen zu arbeiten. Abgesehen davon gibt es noch einen weiteren Grund: Es kann richtig Spass machen:-)

Beste Grüße

Christoph Deeg

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