Was ich auf der Re:Publica gelernt habe (Social Gaming)

Liebe Leser,

die Re:Publica ist vorbei. Gerade kann man erleben, wie einige Teilnehmer (und Nicht-Teilnehmer) den Event zerreißen und den Untergang des digitalen Abendlandes heraufbeschwören und Andere voll des Lobes sind. Was ich leider sehr selten lese ist etwas zu der Frage, was man von den Sessions mitgenommen hat? Ich gehe auf eine solche Konferenz um neue Ideen zu entwickeln. Und es gab einige Vorträge, über die ich noch sehr lange nachgedacht habe. Um nun dem ewigen #rp11 war Schrott oder #rp11 war super zu entgehen möchte ich über eine Idee schreiben, die ich während einer Session entwickelt habe. Es geht um die sog. Social Games. Diese Spiele spielt man online und zwar in der Regel auf der Plattform Facebook. Es gibt auch Spiele die man online über den Browser spielt und die nicht an Facebook angebunden sind. Diese Spiele werden Browser-Games genannt. Social Games sind also eine Art Untergruppe der Browser Games.

Social Games sind mit Facebook eng vernetzt. Zwei der bekanntesten Spiele sind sicherlich FarmVille und Mafia Wars. Beide werden von dem Spieleentwickler Zynga angeboten.

Das Spielprinzip ist denkbar einfach. Ich möchte hier nur die Basics beschreiben. In FarmVille habe ich eine kleine Farm, auf der ich verschiedene Produkte anbauen und Tiere züchten kann. Später kann man ernten und die Ernte verkaufen. Mit dem Erlös kann ich meine Farm erweitern. Wer mehr über FarmVille wissen möchte kann dies hier tun. Auch Mafia Wars ist nicht sonderlich kompliziert. Ich beginne eine Karriere als Gangster, gründe eine eigene Mafia und erledige verschiedene Jobs, für die ich Geld bekomme und die wiederum neue Jobs freischalten. Zudem kann ich mich mit anderen Mafiosi anlegen und Waffen sowie weitere Gegenstände kaufen.

Beide Spiele verfügen nur über eine sehr einfache Grafik. Es wird größtenteils textbasiert gespielt. Und: Die Spiele sind dafür ausgelegt, dass man nur ab und zu spielt – mal zwei bis drei Minuten hier mal fünf Minuten dort. Hat man seine Entscheidungen getroffen muss man warten – bis man ernten kann oder bis man wieder genug Stärke hat, um den nächsten Mafia-Wars-Raub zu begehen. Somit wird das an sich langweilige Spiel nicht langweilig, denn man wartet darauf endlich wieder weiterspielen zu können. Zudem erscheint das Spiel im Alltag nicht störend, da es nur kurze Momente die Aufmerksamkeit des Spielers erfordert.

Nun gibt es viele Menschen, die diese Spiele sehr nervig finden. In der Regel liegt dies daran, dass derartige Spiele wie schon erwähnt mit Facebook vernetzt sind. Dies passiert auf verschiedenen Ebenen. Zum Einen indem Erfolge, Probleme und Einladungen sowie weitere Informationen als Statusmeldung des Spielers gepostet werden. Darüber hinaus lohnt es sich für den Spieler, wenn er seine Facebook-Freunde zu Mitspielern macht, denn aus ihnen können dann z.B. Mitglieder der eigenen Mafia werden. Man hat nicht zu Unrecht das Gefühl es mit Spam zu tun zu haben. Warum aber behaupte ich nun, dass solche Spiele – und es gibt eine Menge davon – eine gute Sache sind?

Nun zuerst möchte ich betonen, dass ich Euch nicht dazu bringen möchte diese Spiele zu spielen. Aber wir können von Ihnen lernen. In Mafia Wars ist es wichtig, dass die eigene Mafia so viele Mitglieder wie möglich hat. Mitglieder können aber nur direkte Facebookfreunde werden, die bereit sind, das Spiel ebenfalls zu spielen. Ich habe also versucht, so viele meiner Facebook-Freunde wie möglich zu überreden, mit zu spielen – mit mäßigem Erfolg. Die Lösung meines Problems war denkbar einfach. Es gibt bei Facebook Gruppen, die sich mit dem Thema Mafia Wars beschäftigen. Mitglieder dieser Gruppen sind in der Regel Spieler des Spiels. Wenn ich also diese Menschen zu meinen Freunden bei Facebook mache, können wir sowohl unsere als auch die Mafia des anderen erweitern.

Wie gesagt, ich kann jeden Menschen verstehen, der nicht mitspielen will – ich habe vor ein paar Monaten auch damit aufgehört. Der Grund warum ich erneut wieder über das Thema nachgedacht habe ist der Vortrag von Felix Schwenzel mit dem Titel „Die Zukunft des Internets, der Welt und des ganzen Rests“ auf der diesjährigen Re:Publica. Felix Schwenzel erklärte u.a. (und ich hoffe ich habe das richtig verstanden), dass der Satz „wir sind bei Facebook“ so nicht stimmen würde. Letztlich seien es eine Vielzahl an unterschiedlichen Gruppen deren Gemeinsamkeit maximal die Nutzung der gleichen Plattform bzw. Software wäre. Zudem hätten selbst diejenigen, die 20.000 Facebookfreunde und mehr haben letztlich keine wirkliche Relevanz – aus der Sicht des Facebook-Universums.

Ich habe lange darüber nachgedacht und kam dann auf Mafia Wars zurück. Ich glaube die meisten Menschen bei Facebook haben Facebook-Freunde die auf die eine oder andere Art und Weise einen engen Bezug zu Ihnen haben. Dies können gemeinsame Themen sein oder aber, und ich gehe davon aus, dass dies in den meisten Fällen zutrifft, die Tatsache, dass man sich schon aus Treffen in der Offlinewelt kennt. Welchen Grund sollte es geben, dass man sich mit völlig fremden Menschen verbindet? Was sollte mich dazu bringen, private Informationen mit Fremden zu teilen – in Zeiten in denen die große Angst vor dem Verlust der Privatsphäre um sich greift? Was sollte mich zudem dazu bringen, anderen Menschen und ihrer Mafia zu helfen?

Letztlich ist der Mensch sehr oft ein Mehrwert-Wesen. Er tut etwas, weil er sich davon einen Nutzen verspricht. Spiele wie Mafia Wars sorgen dafür, dass ich mir einen Mehrwert davon verspreche, wenn andere Menschen Teil meines Netzwerkes werden, auch wenn es außer dem Spiel keinen Grund dafür gibt. Ich hätte alle meine Mafia-Wars-Facebook-Kontakte wahrscheinlich nie gefunden, wenn ich nicht dieses Spiel gespielt hätte. Zu einer Lebensrealität gehören ganz bestimmte Parameter. Mein Umfeld besteht letztlich aus Menschen, mit denen ich bezüglich der Parameter einen größere Schnittmenge habe. Heute habe ich Facebookfreunde, die ich nur wegen einem Spiel kennengelernt habe und deren Sprache ich teilweise nicht spreche – ich weiß also auch nicht was ihre Statusmeldungen bedeuten.

Für Kulturinstitutionen und Unternehmen ergibt sich hier eine große Chance. In der Regel wird man versuchen auf Plattformen wie Facebook Menschen zu finden, die mit der eigenen Kultur bzw. den eigenen Inhalten etwas gemein haben. Dieser Zielgruppe kann man dann die passenden Inhalte zukommen lassen. Man ist auf die eine oder andere Art und Weise bereits vorher Teil der Lebensrealität des jeweiligen Facebookusers. Ich denke es ist aber ebenso spannend und wichtig, nach Menschen Ausschau zu halten, die zu meinem Thema überhaupt keine Verbindung haben. Spiele wie die beiden beschriebenen könnten hier eine Brücke darstellen. Dies erfordert vor allem eines: Neugier. Neugier auf Menschen und Ideen die anders sind. Neugier auf Spiele die ich vielleicht für völlig sinnlos halte. Offenheit für Menschen die diese Spiele sehr cool finden.

Ich erlebe immer wieder, dass mir Menschen in meinen Workshops oder bei Vorträgen sagen, dass sie nicht verstehen können was dieses ganze Web 2.0 soll und dass sie auch keine Lust haben es auszuprobieren. Sie halten es schlichtweg für Zeitverschwendung. Genau die gleiche Argumentation allerdings bezogen auf solche Spiele höre ich immer wieder von Menschen die nahezu alles aus dem Bereich Web 2.0 nutzen und sogar davon leben. Vielleicht ist die Welt des Web 2.0 viel heterogener als wir es manchmal glauben. Das macht eine digitale Gesellschaft sicherlich spannend – aber dafür muss man sich dieser Heterogenität auch öffnen…

Beste Grüße

Christoph

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