Von Brieftauben, dem Web 2.0 und Kulturinstitutionen

Liebe Leser,

ich meiner Arbeit geht es oft darum, Kulturinstitutionen und Unternehmen auf dem Weg in das Web 2.0 und die Welt der Computerspiele zu begleiten. Eine oft diskutierte Frage ist die, warum man als Institution oder Unternehmen überhaupt Teil des Web 2.0 werden sollte bzw. was dafür spricht, dies nicht zu tun? Es gibt eine Vielzahl von Antworten auf diese Fragestellung. Ich möchte mich in diesem Beitrag auf zwei wesentliche konzentrieren.

Ein Grund der oft für die Nutzung des Web 2.0 genannt wird ist der, dass man „dort sein möchte, wo die Kunden sind“. Diese Begründung ist natürlich nicht falsch. Ich selber verweise in meinen Workshops immer wieder auf die vielen Internetuser und die damit verbundene Möglichkeit, diese auf Plattformen wie Facebook oder mit einem Blog oder Twitter etc. zu erreichen. Dies gilt sowohl für vorhandene als auch für potentielle Kunden.

Ein Grund der oft als Argument gegen starke Aktivitäten im Web 2.0 genannt wird ist der, dass zum Einen noch immer sehr viele Menschen gar nicht online sind und zum Anderen der weitaus größte Teil der „User“ nur konsumiert aber nicht selber aktiv Inhalte beisteuert. Auch dieser Gedankengang ist nicht falsch. Es stimmt, dass sehr viele Menschen aus verschiedenen Gründen nicht online sind. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der digitalen Kluft. Auch das zweite Argument ist auf den ersten Blick einleuchtend. Es stimmt, dass die meisten Menschen im Internet nur passiv konsumieren und nicht aktiv Inhalte einstellen. Studien wie die ARD-ZDF-Onlinestudie belegen dies.

Obwohl also die Einschätzungen in beiden Fällen richtig sind, denke ich, dass daraus die falschen Rückschlüsse gezogen werden. Beiden Argumentationen ist gemein, dass sie von einer eigenen statischen, reagierenden Position ausgehen. Wenn ich als Institution oder Unternehmen Teil des Web 2.0 werden möchte, weil dort meine Kunden sind, sollte ich mich meiner Meinung nach ebenso fragen, ob ich diesen Schritt auch gehen würde, wenn ich meine Zielgruppe dort (noch) nicht finden kann? Und wenn nur eine kleine Zahl an Internetusern aktiv Inhalte im Netz beisteuert, bedeutet dies, dass ich es deshalb auch nicht tun soll?

Ich denke der beste Grund um im Web 2.0 aktiv zu sein ist der, dass ich das Web 2.0 mit seinen vielfältigen Funktionen und den daraus resultierenden Möglichkeiten gut finde und nutzen möchte. Es sollte also nicht heißen „Ich muss ins Internet weil….“ (z.B. meine Kunden dort sind), sondern „Ich möchte das Web 2.0 aktiv nutzen, weil ich davon überzeugt bin, dass es bei richtiger Anwendung für mich und meine Kunden eine Vielzahl an Mehrwerten bedeuten kann“. Ich möchte meine Idee an einem Beispiel verdeutlichen:

Nehmen wir an, wir lebten in einer Zeit, in der die Menschen mittels Brieftauben kommunizieren. Brieftauben wären quasi die wichtigsten Kommunikationsplattformen. Man hat dann wahrscheinlich im Laufe der Zeit eine Kommunikationskultur entwickelt, die u.a. die Probleme dies sich aus der Nutzung von Brieftauben ergeben (Zeitfaktor, Verlust/Tod des Datenträgers, etc.), erträglich macht. Nun plötzlich gibt es etwas neues: Das Telefon. Dieses neue Tool ändert alles. Ich kann plötzlich in Echtzeit miteinander reden. Entscheidungsprozesse und der Austausch von Erfahrungen und Gedanken gehen nun viel schneller. Nun bin ich Leiter eines Unternehmens oder einer Kulturinstitution und werde mit diesem neuen Medium konfrontiert. Plötzlich stelle ich fest, dass das Telefon im Vergleich zur Brieftaube ein geniales Werkzeug ist. Aus diesem Grund möchte ich damit arbeiten. Ich tue dies also nicht, weil ich davon ausgehe, dass die meisten meiner potentiellen Kunden schon einen Telefonanschluss haben und ich tue es obwohl viele Menschen noch kein Telefon haben und viele Telefonbesitzer es kaum nutzen. In diesem Moment werde ich beginnen, die Menschen einzuladen mit mir zusammen über das Telefon zu kommunizieren. Ich helfe denen die damit erst anfangen und entwickele mit ihnen zusammen neue spannende Services für meine Organisation.

Vergessen wir die Brieftauben und kehren wir zurück zum Web 2.0 und den Computergames. Ich glaube, dass Kulturinstitutionen und Unternehmen am erfolgreichsten sein werden, wenn Sie z.B. das Web 2.0 nutzen, weil sie es für ein nützliches Tool halten. Wie gesagt, es stimmt, dass die meisten Menschen im Internet nur passive Konsumenten sind. Es stimmt auch, dass sehr viele Menschen gar nicht online aktiv sind. Es stimmt zudem, dass wir in allen Bereichen unserer Gesellschaft einen Mangel an Medien- und Informationskompetenz beklagen müssen. Es stimmt aber auch, dass dieser Zustand nicht so bleiben muss. Institutionen und Unternehmen können – wenn sie vom Sinn des Web 2.0 oder der Computergames überzeugt sind – Ihre Kunden mitnehmen. Sie können den Menschen zeigen, warum sie diese Werkzeuge für wichtig halten und was man mit Ihnen machen kann. Dies geschieht dann im Kontext der eigenen Institution.

Wenn wir das Web 2.0 und die Welt der Computerspiele auf diese Art und Weise betrachten, können wir damit beginnen, zusammen mit unseren Kunden neue spannende Services zu entwickeln. Wir können sie mit Ihnen testen und uns darüber austauschen. Dann wird die Kultur des Web 2.0 gelebt…

Abschließend möchte ich vorsichtshalber noch erwähnen, dass ich Brieftauben mag und auch nichts gegen Telefonieren habe:-)

Beste Grüße

Christoph Deeg

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